Ein ungewöhnliches Tier könnte bald verschwinden
Warum es nur noch wenige gesunde Korallenriffe in den Küstengegenden gibt
Augsburg Kaum zu glauben, dass dieses schunkelnde Geäst, unter der Meeresoberfläche zu Hause, tatsächlich ein Tier sein soll. Für Achim Meyer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung in Bremen, gibt es da keinen Zweifel: „Ja, ja und eindeutig ja. Die Koralle ist ein Tier.“
Sie hat Muskeln, ein Nervensystem und ist mehrzellig. Meyer fügt hinzu: „Beim Anblick einer schwimmenden Korallenlarve würde auch niemand daran zweifeln, dass sie ein Tier ist.“Und noch etwas sei nicht von der Hand zu weisen – etwa 600 bis 900 Arten sind vom Aussterben bedroht.
Die Tiefsee-Korallen leben unberührt, werden von Krankheiten weitestgehend verschont. Sorgen macht sich der Experte vom Leibniz-Zentrum um die Steinkorallen, also die Arten, die Riffe bilden. Diese Tiere leben in den Tropen und bedecken an den Küsten weltweit etwa eine Fläche von der Größe der neuen Bundesländer.
1996 entdeckten Wissenschaftler die ersten schweren Schäden an den Korallenriffen. Meyer: „Davor kannte man das Phänomen nicht, dass ganze Riffe auf einmal absterben.“Heute sind laut Experten nur noch 25 Prozent der Steinkorallen gesund. Die restlichen Riffe leiden an der sogenannten Korallenbleiche, einer Krankheit, die zum Absterben führt. Der Ozeanexperte sagt: „Nicht alle Riffe sind gleich stark beschädigt, es gibt Abstufungen. Doch eins ist klar, der Korallenrückgang an den Küsten ist dramatisch.“
Die wohl eindeutigste Ursache für das Aussterben ist für den Experten der weltweite CO2-Ausstoß. Als Folge steigt die Temperatur und die Weltmeere heizen sich auf. Meyer: „Zwei bis fünf Grad hören sich nicht schlimm an, allerdings ist das für empfindliche Organismen wie die Koralle zu viel.“In den Steinkorallen leben nämlich Algen, die das Tier mit Zucker versorgen. Algen und Korallen bilden eine Art Symbiose. Wenn das Meerwasser sich erwärmt, stirbt diese Alge. Der Koralle fehlen Nährstoffe und sie bleicht aus. Eine weitere Ursache für das Aussterben ist der veränderte pH-Wert des Meerwassers. Durch den erhöhten CO2-Wert bildet sich im Wasser Kohlensäure, die Meere werden also sauer. Für die Steinkoralle, die hauptsächlich aus Kalk besteht, ist das lebensbedrohlich. Das Tier kann in einer sauren Umgebung keinen Kalk mehr bilden, sein Skelett löst sich auf.
Hinzu kommen laut Experten Faktoren wie Massentourismus in den Küstengegenden, eine steigende Anzahl an Tauchern sowie Überfischung, die das Korallensterben begünstigen. Laut den jüngsten Zahlen sind 50 Prozent der Riffe im Pazifik krank, 65 Prozent im Indischen Ozean, 75 Prozent in der Karibik und sogar 95 Prozent in Südostasien. Vom Korallensterben sind auch zahlreiche andere Tiere betroffen. Mayer erklärt: „Korallen sind Schlüsselorganismen, sie sind Wohnort für Fische, Seesterne und Krabben. Und ist das Haus erst einmal weg, dann sind auch seine Bewohner nicht mehr da.“
Um auf das Aussterben der Korallenriffe und die Folgen aufmerksam zu machen, haben Wissenschaftler 2018 zum Jahr des Korallenriffs gewählt.