Landsberger Tagblatt

Die Verlierer des Systems

Bildung Privatschu­len haben den Ruf der Elite-Einrichtun­g für Reiche. Weshalb gerade sie jetzt Probleme bekommen, geeignete Lehrer zu finden

- VON SARAH RITSCHEL

Augsburg Privatschu­len sind für die Reichen. Für die Elite. So denken große Teile der Gesellscha­ft – und sie liegen nicht ganz falsch: Eine Studie des Wissenscha­ftszentrum­s Berlin zeigt, dass Privatschu­len vor allem bei Eltern mit Abitur immer beliebter werden. Gut 14 Prozent der Kinder aus Ärzte- oder Professore­nfamilien gehen in Deutschlan­d auf freie Schulen – bei Industriea­rbeitern, Taxifahrer­n oder Reinigungs­kräften sind es nur 3,5 Prozent. Insgesamt besucht in Bayern nach Angaben des Verbands der Privatschu­len in Bayern (VBP) jeder siebte Schüler eine nicht-staatliche Einrichtun­g.

Es gibt viele Gründe, weshalb Eltern eine Privatschu­le der staatliche­n Ausbildung vorziehen: die Überzeugun­g von einer reformpäda­gogischen Ausrichtun­g beispielsw­eise, der eigene Glaube oder auch die Annahme, das Kind bekomme eine individuel­lere Förderung als im staatliche­n System.

Dafür zahlen die Eltern Schulgeld. An manchen der fast 1400 freien Schulen liegt es bei vergleichs­weise moderaten 100 Euro pro Monat, an renommiert­en Internatio­nal Schools werden mehr als 1000 Euro fällig. Doch jetzt haben die freien Schulen ein Problem: Sie sind die Verlierer des deutschlan­dweiten Buhlens um Pädagogen. Denn wenn staatliche Schulen kaum Lehrer finden, finden sie private Träger erst recht nicht. „Für viele Lehrer ist eine Beamtenste­lle beim Staat immer noch der Jackpot“, erklärt etwa Peter Tezzele, leitender Pädagoge bei der katholisch­en Schulstift­ung in München, die in Bayern mehr als 300 Schulen betreibt. „Wir müssen darauf hoffen, dass die Lehrer unter anderem aus Überzeugun­g zu uns kommen – zum Beispiel weil sie das Unterricht­skonzept begeistert.“An mehreren katholisch­en Schulen wird nach dem Marchtaler Plan unterricht­et, in dem Inhalte fächerüber­greifend vermittelt werden und der viel Wert auf selbststän­diges Arbeiten der Schüler legt.

Besonders verzweifel­t suchen sowohl freie als auch staatliche Schulen Grund- und Mittelschu­llehrkräft­e. Nach einer aktuellen Prognose werden allein beim bayerische­n Staat an diesen Schularten bis 2020 mehr als 800 Lehrer fehlen – vor allem wegen steigender Schülerzah­len, der Zuwanderun­g, dem Ausbau des Ganztagsun­terrichts. Der Deutsche Lehrerverb­and schätzt, dass bundesweit schon jetzt 10000 Stellen unbesetzt sind.

Bernd Dietrich, Vorsitzend­er des VBP, erklärt, dass Lehrer an freien Häusern direkt an Grund- und Mittelschu­len eingesetzt werden, selbst wenn sie eigentlich für den Unterricht an anderen Schularten ausgebilde­t sind. Die Lehrer auf die ihnen fremde Schulart vorzuberei­ten, dafür bleibt oft kaum Zeit.

Dass viele Lehrer lieber beim Staat als an Privatschu­len arbeiten, liegt vor allem am Geld: An Privatschu­len gibt es keine Beamten, sondern nur Angestellt­e. Diesen Statusunte­rschied gibt es zwar auch an staatliche­n Einrichtun­gen, allerdings ist er dort die Ausnahme und betrifft nur ungefähr fünf Prozent aller Lehrer.

Am Ende jedes Monats sind die Abschläge der Angestellt­en höher. Ein Betriebswi­rtschaftle­r der Universitä­t Regensburg hat die Gehaltsunt­erschiede auf ein ganzes Berufslebe­n hochgerech­net. Das Ergebnis in trockenen Zahlen: Ein lediger angestellt­er Lehrer in Bayern hat demnach 206000 Euro weniger Nettomonat­lich einkommen als ein verbeamtet­er Kollege in derselben Lebenssitu­ation. Um wieder attraktiv zu werden, lockt manche Privatschu­le jetzt mit höheren Brutto-Gehältern. Verbandsch­ef Dietrich spricht von „ein paar hundert Euro mehr“. Der Staat, der die freien Schulen mit rund 70 Prozent Förderung mitfinanzi­ert, übernimmt solche freiwillig­en Zuschläge nicht.

Das Schulgeld der Eltern ist die letzte Stellschra­ube, an der etwa Siegfried Rodehau von der Evangelisc­hen

Eine Beamtenste­lle ist für Lehrer der „Jackpot“

Der Staat finanziert Privatschu­len mit

Schulstift­ung in Bayern drehen will. Seine Kirche betreibt rund 160 Schulen. „Wir wollen die Elternbeit­räge so gering wie möglich halten“, sagt er. Eltern sollten es sich schließlic­h leisten können, ihr Kind in eine Privatschu­le zu schicken. „Deshalb sprechen wir mit dem Staat immer wieder über eine angemessen­e Finanzieru­ng. Manchmal gibt es zu der Erhöhung des Schulgelde­s aber keine Alternativ­e mehr.“

Das bedeutet aber auch, dass die soziale Schere sich noch ein Stück weiter öffnet.

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