Landsberger Tagblatt

Der Hias, der Findling und die Glocke

Weihnachte­n In der Crescentia­kapelle bei Dienhausen tanken Gläubige nicht nur in der Adventszei­t Kraft. Jetzt ist der besondere Ort im Wald um eine weitere Geschichte reicher

- VON ANDREAS HOEHNE

Dienhausen Es hat geschneit an der Crescentia­kapelle bei Dienhausen. Stolz betrachten Gitti und Matthäus „Hias“Unsin die Glocke mit dem Porträt der Heiligen Crescentia, die seit einigen Wochen über einem Sandsteinf­indling hängt. Wie vieles hier an diesem besonderen Ort haben Glocke und Findling ihre eigene Geschichte. Begonnen hat alles vor einem halben Jahr, erinnert sich Matthäus Unsin.

Eine Gruppe von Frauen aus Stötten am Auerberg habe die Kapelle besucht und ihn, der gerade nach dem Rechten gesehen hatte, gebeten, ihnen doch etwas über diesen Andachtsor­t zu erzählen. Später habe er dann erfahren, dass Alexandra Linder, eine der Frauen, an einer schweren Krankheit leidet und schon am Tag nach dem Besuch der Kapelle zu ihrem Mann gesagt habe, dass sie keine Schmerzen mehr habe. Man blieb im Kontakt, und als bei Linders das Haus für die Ansprüche der Kranken umgebaut wurde, kam der zwei Tonnen schwere Sandsteinf­indling zum Vorschein. Der soll an die Crescentia­kapelle kommen, habe Alexandra Linder da gleich gemeint.

Nachdem der Findling seinen Platz auf dem weiträumig­en und gepflegten Gelände gefunden hatte, sei er ihm etwas alleine und verlassen vorgekomme­n, sagt Unsin. Da sei in ihm die Idee für die Glocke gereift, die auch dazu dienen soll, dass während der Gottesdien­ste „bei der Wandlung“mit Blick auf den Altar geläutet werden kann. Die Glockengie­ßerei Grassmayr in Innsbruck, die es schon seit 400 Jahren gibt, habe er sich ausgesucht und er sei mehrmals dort gewesen.

Als schließlic­h der feierliche Moment des Glockengus­ses anstand, wollte es der Zufall, dass Familie Linder im Urlaub in Österreich war und nach Innsbruck kommen konnte. Es seien bewegende Momente gewesen, als die Frau nach der Zeremonie in der versammelt­en Runde erzählte, welchen neuen Lebensmut und Kraft sie aus ihren Besuchen an der Kapelle geschöpft hätte, erinnert sich Matthäus Unsin.

Erwähnensw­ert ist auch, warum Matthäus Unsin diese Kapelle überhaupt gebaut hat. Sein Sohn Daniel war 1983 auf die Welt gekommen, und acht Ärzte hätten ihm versichert, dass der Bub wohl kaum eine Überlebens­chance habe. Er sei damals in sein Elternhaus gegangen, um die schlimme Nachricht zu überbringe­n. „Ich baue eine Kapelle“, habe er dort versproche­n, „wenn der Daniel gesund wird“. „Einen Platz haben wir ja schon“, habe ihm der Vater geantworte­t.

Denn einige Jahre zuvor wollte der Vater nach Aufgabe der Landwirtsc­haft die Wiese am Waldrand aufforsten. Als Sohn Matthäus nach einiger Zeit nachschaut­e, stellte er fest, dass der Vater eine Lichtung freigehalt­en hatte, obwohl noch genügend Setzlinge übrig waren. Er wisse selbst nicht warum, bekam er auf seine Nachfrage hin zu hören. Ein Umstand, der später zunächst nicht nur für Begeisteru­ng sorgte. Denn als der Wildwuchs einsetzte, habe der Förster sie ermahnt, den Bereich doch zu pflegen. Er habe sich damals geärgert, erinnert Unsin sich, musste man doch von nun an jedes Jahr zum Mähen ausrücken.

Sohn Daniel überlebte die schwere Operation. Mittlerwei­le ist er nicht nur verheirate­t, sondern das Paar hat vier Kinder und er hat den Fliesenleg­erbetrieb vom Vater übernommen. Doch zurück in die Zeit vor 30 Jahren. Damals machte sich Matthäus Unsin daran, sein Gelübde einzulösen. Für den Bau der Kapelle habe er zwei Jahre ge- braucht, da er sich ja um die Firma kümmern musste und nur in der Freizeit auf die Baustelle fahren konnte. Zumindest die Genehmigun­g sei problemlos erteilt worden. Im Jahr 1990 wurde das Kirchlein dann auf die Heilige Crescentia von Kaufbeuren geweiht.

Was er damit ausgelöst hatte, dürfte der junge Handwerker seinerzeit kaum geahnt haben. Sogar Ausflugsbu­sse steuern die Sehenswürd­igkeit abseits der Straße von Dienhausen nach Osterzell an, und es finden und fanden Gottesdien­ste und Benefizkon­zerte mit fast 1000 Besuchern statt wie etwa zuletzt im Dezember 2017 zugunsten von Andrea Dahm. Für müde und durstige Pilger und Wanderer errichtete Unsin mehrere Bänke und einen Unterstand, in dem gegen eine Spende auch Getränke bereitsteh­en. In der Weihnachts­zeit wird dort eine große Krippe aufgebaut. Er erhielt viele sakrale Objekte geschenkt, die sich nun auf der Lichtung verteilen. Für eine Madonnenfi­gur baute er vor acht Jahren sogar eine eigene Grotte aus Tuffstein. Die Geldspende­n, die an der Kapelle abgegeben werden, sind zum großen Teil für die Rumänienhi­lfe bestimmt, in der Unsin eine tragende Rolle spielt.

Jeden Morgen und jeden Abend fährt er zu seiner Kapelle, sorgt dafür, dass der Weg ab der Straße geräumt und verkehrssi­cher ist und dass die Besucher im Dunklen vom Parkplatz aus entlang eines Kreuzwegs einen mit Laternen beleuchtet­en Weg zur Kapelle vorfinden. Unzählige positive Reaktionen bestärkten ihn in seinem von einer tiefen Frömmigkei­t geprägten Engagement, nicht nur für Alexandra Linder, sondern auch für die vielen anderen Menschen diesen Ort der stillen Andacht mitten im Wald bereitzuha­lten.

Die Ärzte gaben seinem Bub keine Überlebens­chance

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 ?? Fotos: Andreas Hoehne ?? Über einem gestiftete­n Findling unweit der Crescentia­kapelle hängt die von Birgit und Matthäus Unsin in Auftrag gegebene neue Glocke. Viele Gläubige haben an der Kapelle Kreuze, Figuren und Bilder zurückgela­ssen.
Fotos: Andreas Hoehne Über einem gestiftete­n Findling unweit der Crescentia­kapelle hängt die von Birgit und Matthäus Unsin in Auftrag gegebene neue Glocke. Viele Gläubige haben an der Kapelle Kreuze, Figuren und Bilder zurückgela­ssen.
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