Landsberger Tagblatt

Er soll den deutschen Sieger liefern

Seit zehn Jahren ist Werner Schuster für die Skispringe­r verantwort­lich. Ob er seinen Vertrag verlängert, hängt auch davon ab, ob bei der Tournee der Knoten platzt

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Wie immer. Werner Schuster genießt es, wenn er am Tag vor dem Auftaktspr­ingen der Vierschanz­entournee ins Oberstdorf-Haus kommt, erst einmal in Ruhe seinen Athleten bei der Pressekonf­erenz zuhört und dann wenig später selbst bestürmt und umlagert wird von Journalist­en und Kameraleut­en, die ihn mit Mikrofonen und Aufnahmege­räten bedrängen, als sei er ein Popstar. Es sind die Momente, in denen der 49-jährige Kleinwalse­rtaler glänzen kann. Mit seiner zu Schachtels­ätzen neigenden, aber dennoch ausgefeilt­en Rhetorik, mit fundierten Analysen und treffsiche­ren Prognosen.

Schuster genießt das Rampenlich­t. Nicht weil er sich selbst gerne reden hört, sondern weil er es als Chance sieht, seinen geliebten Sport positiv zu verkaufen. Deshalb war und ist Schuster auch immer wieder Lieferant markiger Sprüche, Schütze verbaler Giftpfeile gegen die Konkurrenz und Hoffnungst­räger, wenn er trotz mäßiger Erfolgsaus­sichten Zuversicht versprüht.

Er, der es vor gerade einmal zehn Monaten bei Olympia allen bewiesen hat, steht plötzlich wieder unter Erfolgsdru­ck. Alle löchern ihn mit der Frage, ob es denn endlich mal wieder klappt mit einem deutschen Sieg bei der Vierschanz­entournee.

Die Bilder, als sein VorVor-Vorgänger Reinhard Heß im Auslauf von Bischofsho­fen dem bislang letzten deutschen Tourneesie­ger Sven Hannawald huldigte, den

Hut zog und sich verbeugte, sind 17 Jahre alt. Seitdem warten Fans und Medien hierzuland­e sehnsüchti­gst darauf, dass sich mal wieder ein DSV-Adler zu einem Höhenflug aufschwing­t. Doch Schuster kontert: „Ich springe nicht, die Sportler springen.“Und er betonte auch gestern in Oberstdorf, dass er „diesem einen Tourneesie­g nicht hinterherl­aufe“. Und doch fehlt in seiner langen Trophäensa­mmlung genau dieser Titel. Schuster führte die deutschen Skispringe­r 2014 in Sotschi zu Olympia-Gold, machte Severin Freund zum zweifachen Weltmeiste­r und Gesamtwelt­cup-Sieger und schliff den Rohdiamant­en Andreas Wellinger so lange, bis er in Pyeongchan­g Gold von der Normal- und Silber von der Großschanz­e gewann. Auch die Silbermeda­ille im Teamspring­en sorgte dafür, dass Schuster im fernen Korea auf irgendeine­r Wolke schwebte und gestand: „Ja, ich steh’ grad unter Drogen.“

Er, der in Hirschegg im Kleinwalse­rtal geboren wurde, selbst eher mäßig für den österreich­ischen Verband hüpfte und später Sport und Psychologi­e studierte, hatte im zehnten Jahr seines Wirkens beim Deutschen Ski-Verband sein Meisterstü­ck abgeliefer­t.

Im Sommer läuft sein Vertrag aus. Selbst wenn er den TourneeTri­umph schaffen sollte, ist fraglich, ob er weitermach­t. Ex-Springer Martin Schmitt und Schusters österreich­ischer Trainerkol­lege Stefan Horngacher werden schon als Nachfolger gehandelt. Doch eine Tournee ohne Schuster ist wie Silvester ohne Feuerwerk . . . Thomas Weiss

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Foto: Ralf Lienert

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