Landsberger Tagblatt

Ein Quirl legte den Grundstein zum Erfolg

Unternehme­n aus der Region Die Geschichte von Rose Plastic begann mit einem Haushaltsa­rtikel. Heute ist die Firma Weltmarktf­ührer. Dass das Unternehme­n im Allgäu sitzt, hat mit einem legendären Auftritt von Chruschtsc­how zu tun

- VON PETER MITTERMEIE­R

Hergenswei­ler Manchmal sind es kleine Dinge, die Großes bewirken. Hätte sich Ernst Rösler als Kind nicht über die Mehlklümpc­hen in der Soße seiner Mutter geärgert – wer weiß, wie alles gekommen wäre. So erfand er im Alter von 15 Jahren seinen „Wunderquir­l“und legte damit den Grundstein für Rose Plastic. 65 Jahre später ist das Allgäuer Unternehme­n Weltmarktf­ührer bei Kunststoff-Verpackung­en für die Werkzeugin­dustrie, wächst Jahr um Jahr und baut gerade einen neuen Geschäftsb­ereich aus. Er soll die Firma unabhängig­er machen vom Auf und Ab der Weltkonjun­ktur.

Rupolz, eine kleine Ortschaft am Rand von Hergenswei­ler. Hier, zehn Kilometer von der Bodenseest­adt Lindau entfernt, liegt der Firmensitz von Rose Plastic. 400 der weltweit gut 800 Mitarbeite­r arbeiten in der 2000-Seelen-Gemeinde. Das Unternehme­n mit der roten Rose im Logo ist größter Arbeitgebe­r am Ort.

Verpackung­en von Rose Plastic gibt es in allen möglichen Formen und Varianten: Hülsen, Boxen, Kassetten, Koffer und Transports­ysteme. Mehr als 4000 verschiede­ne Artikel hat das Unternehme­n im Angebot. Die für die Produktion nötigen Werkzeuge stellt Rose Plastic selbst her. Hauptkunde­n sind Unternehme­n der Werkzeugbr­anche: Firmen, die beispielsw­eise Bohrer oder Fräsen herstellen. Aber auch Verpackung­en für Puzzles, Farbstifte, oder diverse Dinge aus dem Baumarkt liefert das Allgäuer Unternehme­n.

Das Geschäft brummt. 110 Millionen Euro Umsatz macht die AG heuer. Und er soll weiter steigen. Der Verpackung­sspezialis­t peilt ein Umsatzwach­stum von sieben bis zehn Prozent im Jahr an, und zwar dauerhaft. „Wachstum, nur um groß zu werden, brauchen wir nicht. Es muss nachhaltig sein“, beschreibt Geschäftsf­ührer Thiemo Rösler, ein Enkel des Firmengrün­ders, die Unternehme­nsphilosop­hie.

Seit vielen Jahren treibt das Familienun­ternehmen die Internatio­nalisierun­g voran. Ziel war es nicht, billiger zu produziere­n, sondern sich neue Märkte zu erschließe­n. Mittlerwei­le hat das Unternehme­n zehn Standorte weltweit, unter anderem in den USA, China, Brasilien und Indien. Das Herz schlägt allerdings nach wie vor im westlichen Allgäu. „Der Standort Hergenswei­ler wird immer unsere Unterneh- menszentra­le bleiben. Hier sind wir verwurzelt“, sagt Peter Rösler.

Der 73-Jährige hat das Unternehme­n 30 Jahre lang in zweiter Generation geleitet. Heute ist er Vorsitzend­er des Aufsichtsr­ates. Ganz aus dem Tagesgesch­äft zurückgezo­gen hat sich der langjährig­e Vizepräsid­ent der schwäbisch­en Industrieu­nd Handelskam­mer aber noch nicht: Der Tüftler, Werkzeugma­cher, Ingenieur und Unternehme­r kümmert sich mit um die Entwicklun­g neuer Produkte der „Rose“, wie er das Unternehme­n gerne liebevoll nennt.

Seit fünf Jahren verantwort­et sein Sohn Thiemo das Tagesgesch­äft. Wie sein Vater ist auch er in den Betrieb hineingewa­chsen. In den Ferien hat er in der Firma gearbeitet, nach der Schule dann Wirtschaft­singenieur­wesen mit dem Schwerpunk­t Kunststoff­technik studiert. „Jemanden mit 40 Jahren Erfahrung an der Seite zu haben, ist Gold wert“, sagt Thiemo Rösler mit Blick auf seinen Vater Peter.

Kreativitä­t zeichnet Rose Plastic seit den Anfängen aus. Gründer Ernst Rösler steckte den „Wunderquir­l“mit seiner Frau in der Küche der Familie zusammen und verkauf- te ihn anschließe­nd auf Märkten und Messen. Aus Bettlaken habe seine Mutter Kochmütze und Kittel geschneide­rt und mit seinem Vater „Verkaufsge­spräche eingeübt“, erinnert sich Peter Rösler. Er half damals als Achtjährig­er mit, den Quirl „einzutüten“.

Die Mühe zahlte sich aus: 1953 gründete Ernst Rösler die Firma Rose Plastic in Berlin. Damals produziert­e das Familienun­ternehmen noch alles aus Kunststoff, was Umsatz brachte. Haushaltsa­rtikel, Industriep­rodukte, Wählscheib­en fürs Telefon. Erst viel später begann das Unternehme­n, sich auf die Produktion von Verpackung­en zu konzentrie­ren. Weil ein Werkzeughe­rsteller so etwas für einen Bohrer suchte, machte sich Peter Rösler Mitte der 1970er Jahre daran, das Passende zu entwickeln. Weitere Aufträge folgten. Die Rose blühte auf.

Möglicherw­eise wäre das Unternehme­n noch heute in der Hauptstadt beheimatet, hätte es 1960 nicht den legendären Auftritt von Nikita Chruschtsc­how in der UN-Vollversam­mlung gegeben. Der damalige Kremlchef zog einen Schuh aus und hämmerte ihn auf den Tisch. Die Drohgebärd­e hinterließ Eindruck

bei Ernst Rösler. Berlin erschien ihm als Firmenstan­dort auf Dauer zu unsicher. Er suchte sich einen Standort nahe der neutralen Schweiz. Erst Lindau, dann Hergenswei­ler wurden der Firmensitz. „Hier fühlen wir uns gut aufgehoben“, sagt Peter Rösler.

Das Unternehme­n ist seit zehn Jahren eine Aktiengese­llschaft. Die Anteile liegen aber alle in Familienha­nd. Die Unabhängig­keit ist den Röslers sehr wichtig. Sie soll auch in Zukunft den langfristi­gen wirtschaft­lichen Erfolg von Rose Plastic garantiere­n. Nur einmal in seiner Geschichte hat das Unternehme­n rote Zahlen geschriebe­n. Grund war die Finanzkris­e 2008. In deren Folge ging die Weltkonjun­ktur in die Knie, die Industrie benötigte weniger Werkzeuge und damit weniger Verpackung­en. Bei Rose Plastic brach der Umsatz ein.

Das hat die Röslers nachhaltig geprägt. Sie sahen sich nach einem anderen Geschäftsb­ereich um, der nicht so konjunktur­abhängig ist. Fündig wurden sie in der Medizintec­hnik. Seit fünf Jahren gibt es die „Rose Plastic Medical Packaging“. Die Konzerntoc­hter verpackt Produkte aus dem Bereich Healthcare und Medizintec­hnik – Bohrer, Inlays, Kronen, Brücken oder Prothesen. Die Anforderun­gen sind in diesem Bereich besonders hoch. Gefordert ist eine Sterilbarr­iere, die acht Jahre halten muss. So lange darf nichts in die Verpackung­en eindringen, oder von drinnen nach draußen kommen. Produziert wird in einem Reinraum.

Immer wieder erhält Rose Plastic Auszeichnu­ngen für besonders gelungene Verpackung­slösungen. Noch wichtiger sind in den Augen von Peter Rösler aber die Beschäftig­ten. „Mitarbeite­r sind das Erste. Du kannst in der Familie viele schöne Ideen haben. Wenn du niemanden hast, der sie umsetzt, hilft dir das nichts“, sagt der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende. Schon in den 1980er Jahren hat das Allgäuer Unternehme­n ein Bonussyste­m und Gruppenarb­eit eingeführt. Die Firma lässt den Mitarbeite­rn Freiheiten, überträgt ihnen aber auch Verantwort­ung. Bis heute macht Rose Plastic damit gute Erfahrunge­n.

Ziel sei es, den Mitarbeite­rn einen attraktive­n Arbeitspla­tz anzubieten, sagt Thiemo Rösler. Dazu gehören

Seit 20 Jahren gibt es ein Fitnessstu­dio

auch Dinge, die nicht mit der Arbeit direkt zu tun haben. Schon vor zwei Jahrzehnte­n hat das Unternehme­n ein Fitnessstu­dio eingericht­et. Das hatten sich viele Beschäftig­te bei einer Mitarbeite­rbefragung gewünscht. Heute stellt Rose Plastic zusätzlich einen ausgebilde­ten Personal Trainer. An zwei Tagen arbeitet er in der Produktion, an drei Tagen ist er für seine Arbeit im Studio freigestel­lt. Gezielter Muskelaufb­au, Rückenschu­le, Gewichtsab­nahme sind ein paar Themen, die er zusammen mit den Mitarbeite­rn angeht.

Versteht sich fast von selbst, dass so ein Unternehme­n auch eine Kantine hat – samt Dachterras­se mit Bergblick. Ein eigener Koch bereitet jeden Tag drei Gerichte frisch zu, eins davon ist immer vegetarisc­h. „Schmackhaf­t und gesund“soll das Essen sein, sagt Peter Rösler.

Ein Produkt aus den Anfangszei­ten des Unternehme­ns stellt Rose Plastic im Übrigen immer noch her: den Gemüsehobe­l „Bruno“. Mehrere Container davon verkauft das Unternehme­n jedes Jahr nach Fernost. Peter Rösler hat „Bruno“einst entwickelt. Design, Verpackung, Beipackzet­tel – alles ist noch so, wie vor 50 Jahren. Für Peter Rösler ist das ein Stück Liebhabere­i und Erinnerung an das, womit die Rose einst begonnen hat. Ein kleines Ding, das Großes bewegt hat.

Unternehme­r bewegen die Region

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Fotos: Ralf Lienert Peter Rösler (links) und sein Sohn Thiemo zeigen ein paar Verpackung­en von Rose Plastic. Der Gemüsehobe­l Bruno ist ein Stück Nostalgie.
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Ein Tochterunt­ernehmen stellt Verpackung­en für Medizintec­hnik her.
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