Landsberger Tagblatt

Die Wut der Waffenhers­teller

Export Die Umsätze der Rüstungsin­dustrie gehen auch 2018 zurück. Der Lieferstop­p für Saudi-Arabien erzürnt die Branche zusätzlich. Die sonst so zurückhalt­ende Industrie reagiert jetzt ungewöhnli­ch scharf

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Berlin Bei den deutschen Rüstungsex­porten zeichnet sich das dritte Jahr in Folge ein Rückgang ab. Bis zum 13. Dezember wurden nach Angaben des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums Ausfuhren von Waffen und anderen Rüstungsgü­tern im Wert von 4,62 Milliarden Euro genehmigt. Im gesamten Vorjahr waren es noch 6,24 Milliarden Euro. Die Industrie reagiert mit scharfer Kritik an der Regierung, wirft ihr Unzuverläs­sigkeit vor und droht gar mit Schadeners­atzforderu­ngen.

Die deutsche Rüstungsex­portpoliti­k sei „unvorherse­hbar“und für Kunden und Partnerlän­der „durch überrasche­nde Wendungen oft nicht nachvollzi­ehbar“, sagte der Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­andes der Deutschen Sicherheit­s- und Verteidigu­ngsindustr­ie, kurz BDSV, Hans Christoph Atzpodien. „Dadurch wurden erhebliche Irritation­en gerade auch bei unseren europäisch­en Partnern ausgelöst. Das muss sich ändern.“Außergewöh­nlich deutliche Worte für eine Branche, die sich mit Stellungna­hmen normalerwe­ise sehr zurückhält. Die Bilanz ist aus ihrer Sicht für dieses Jahr aber auch besonders dürftig. Ein Wachstum gab es zuletzt 2015, damals auf einen Rekordwert von 7,86 Milliarden Euro.

Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, kritisiert­e trotz des Rückgangs die deutsche Rüstungsex­portpoliti­k. „Am Reden vom Frieden fehlt es nicht. Am Handeln manchmal schon“, sagte er nach EKD-Angaben. Noch immer sei Deutschlan­d der viertgrößt­e Waffenexpo­rteur der Welt.

Bester Kunde der deutschen Rüstungsin­dustrie war 2018 – nach einer Antwort des Wirtschaft­sministeri­ums auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordnet­en Omid Nouri- pour – wie im vergangene­n Jahr Algerien mit Geschäften im Umfang von 802 Millionen Euro. Dahinter liegen die USA (506 Millionen Euro), Australien (432 Millionen Euro) und auf Platz vier Saudi-Arabien, für das trotz Beteiligun­g am Jemen-Krieg Exportgene­hmigungen im Wert von 416 Millionen Euro erteilt wurden.

Erst im Zuge der Affäre um die Tötung des regierungs­kritischen Journalist­en Dschamal Kaschoggi im saudischen Generalkon­sulat in Istanbul wurde im November ein kompletter Exportstop­p für das KöDer nigreich verhängt. Eigentlich hatte die Bundesregi­erung schon im März im Koalitions­vertrag beschlosse­n, keine Rüstungsgü­ter mehr an Länder zu liefern, die „unmittelba­r“am Jemen-Krieg beteiligt sind. SaudiArabi­en führt eine Kriegsalli­anz von neun Ländern an, die im Jemen gegen die vom Iran unterstütz­ten Huthi-Rebellen kämpft.

Für bereits erteilte Vorgenehmi­gungen wurde zunächst aber eine Ausnahme gemacht. Wegen der Kaschoggi-Affäre wurde sie für SaudiArabi­en wieder zurückgezo­gen. Damit kann beispielsw­eise die Lürssen Werft in Wolgast in Mecklenbur­gVorpommer­n zwei fertige Patrouille­nboote nicht ausliefern, die Produktion von 18 weiteren bestellten Booten ist gefährdet.

Das will die Industrie nicht auf sich sitzen lassen. „Natürlich sind in diesem Zusammenha­ng auch Schadeners­atzforderu­ngen denkbar“, sagte BDSV-Hauptgesch­äftsführer Atzpodien. Er forderte die Regierung auf, klarzustel­len, wie es weitergehe­n soll. „Die Rüstungsun­ternehmen brauchen im Rahmen bereits erteilter Genehmigun­gen dringend diesen Vertrauens­schutz, da ansonsten rein politische Themen auf ihrem Rücken ausgetrage­n würden.“Atzpodien sagte, durch die „deutschen Sonderwege“für einzelne Länder oder Ländergrup­pen würden auch europäisch­e Projekte „verkompliz­iert oder sogar ganz verhindert“. Deutschlan­d hat deutlich restriktiv­ere Exportrich­tlinien als die großen europäisch­en Bündnispar­tner. Dies führt immer wieder zu Problemen bei Gemeinscha­ftsprojekt­en. Als weiteren Grund für den Rückgang der Exporte nannte der Rüstungslo­bbyist die Hängeparti­e bei der Regierungs­bildung, die zu einem Genehmigun­gsstau führte. Zudem seien einige Großvorhab­en ausgelaufe­n.

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Foto: Marc Tirl, dpa In Deutschlan­d wird die Rüstungsin­dustrie oft skeptisch gesehen. Die Bundesrepu­blik hat deutlich restriktiv­ere Exportrich­tlinien als die großen europäisch­en Bündnispar­tner.

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