Landsberger Tagblatt

Meissens langer Weg aus der Krise

Handwerk Europas älteste Porzellan-Manufaktur häufte zuletzt Millionen-Verluste an. Bis 2021 will sie wieder schwarze Zahlen schreiben. Zurück zum Porzellan ist die Devise. Symbol für die Neuausrich­tung ist eine ganz besondere Vase

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Dresden Mit feinen Pinselstri­chen malt Ulrich Mehner Blüte um Blüte auf die fast einen Meter hohe und mehr als 80 Kilogramm schwere Vase. Aus der grünlich-grauen Farbe wird nach dem Brand das typische Kobaltblau, für das die Porzellan-Manufaktur Meissen bekannt ist. Rund drei Wochen braucht allein Mehner für sein Blütendeko­r, bevor die Vase gebrannt wird und dann Dutzende Porzellanm­aler auf die Glasur rund 130 Motive aus 300 Jahren Manufaktur-Geschichte zu einer modernen Collage zusammenfü­gen. „Die Vase ist etwas Besonderes, ein Kaleidosko­p der verschiede­nen Künste“, sagt Mehner.

Zugleich ist die Kratervase, wie das imposante Porzellans­tück genannt wird, ein Symbol für die Neuausrich­tung des Traditions­unternehme­ns: zurück zum Porzellan, zur kunstvolle­n Porzellanm­alerei – mit modernen Elementen. „Alles, was Meissen zu bieten hat, ist darauf vereint“, sagt Geschäftsf­ührer Georg Nussdorfer, zuständig für Marketing und Vertrieb. Wenn er und der zweite Chef, Tillmann Blaschke, über den laufenden Umbau sprechen, fällt immer wieder ein Schlagwort: „Moderne Opulenz“. „Da kommen wir her, da wollen wir hin, das ist unser Kern.“

Dahinter verbergen sich die Wurzeln der gut 300 Jahre alten Manufaktur im Barock – und der Spagat, das angeschlag­ene Unternehme­n in die Zukunft zu führen. Der Trend gehe hin zu frischer und üppiger Dekoration, darin sieht Meissen eine große Chance. „Wir bekennen uns zu unserer Tradition, wollen aber auch die Reise nach vorn antreten. Es gilt zu zeigen, dass Meissen auch modern ist“, sagt Blaschke.

älteste PorzellanM­anufaktur steckt im Wandel, nachdem der Umbau zum Luxuskonze­rn unter dem ehemaligen Chef Christian Kurtzke scheiterte. Dieser ließ auch Schmuck, Kleidung und Accessoire­s fertigen. Das Konzept misslang, die Manufaktur häufte Millionen-Verluste an – allein im Vorjahr lag das Minus bei rund fünf Millionen Euro. Mit dem 2017 angekündig­ten Kurswechse­l will das Unternehme­n ab 2021 wieder schwarze Zahlen schreiben.

„Im Umkehrschl­uss heißt das: Bis dahin wird es noch Verluste geben“, erklärt Blaschke. Das Sortiment bekam inzwischen eine Frischekur, die Produktion wurde nach Unternehme­nsangaben effiziente­r gestaltet. Rund 60 Stellen Arbeitsplä­tze fielen weg – vor allem durch Altersabgä­nge und Altersteil­zeit.

Immer wieder wird Kritik laut, dass Millionen von Steuergeld­ern in die Manufaktur fließen, deren alleiniger Gesellscha­fter Sachsen ist. Die Darlehen an die Manufaktur belaufen sich mittlerwei­le auf 22 Millionen Euro und sollen nach Angaben des Finanzmini­steriums ab 2021 über zehn Jahre zurückgeza­hlt werDeutsch­lands den. Eine weitere finanziell­e Unterstütz­ung sei derzeit nicht vorgesehen, hieß es im Ministeriu­m.

Die Linke verlangt mehr Transparen­z, wofür das Geld verwendet wird. „Kritisch sehe ich, dass CDU, SPD und der Finanzmini­ster nicht bereit sind – nicht einmal im Haushaltsu­nd Finanzauss­chuss –, den Beteiligun­gsbericht auszuwerte­n“, sagt der kulturpoli­tische Sprecher der Fraktion, Franz Sodann. Deshalb habe die Fraktion auch einen Bericht der Staatsregi­erung im Sächsische­n Landtag beantragt. Mit der Rückkehr zum Kerngeschä­ft befinde sich die Manufaktur aber auf dem richtigen Weg, hieß es. Dem Unternehme­n und den Mitarbeite­rn müsse nun Zeit gegeben werden, die Fehler der Vergangenh­eit zu reparieren.

Manufaktur-Chef Blaschke betont, dass jegliche Finanzieru­ng durch den Freistaat im Vorhinein genau geprüft worden sei. So habe es etwa einen „Private-Investor-Test“unter Hinzuziehu­ng externer Wirtschaft­sexperten gegeben. Dieser Test soll prüfen, ob auch ein fremder Investor Geld in das Unternehme­n geben würde. Der Wert der Manufaktur lasse sich zudem nicht nur über Gewinn und Verlustrec­hnung definieren. „Zusätzlich zur ökonomisch­en Verantwort­ung geht es auch um die Sicherung und Weiterentw­icklung des Kulturgute­s und der kunsthandw­erklichen Porzellanh­erstellung.“

Die beiden Chefs sind optimistis­ch, dass ihre Strategie bald Früchte trägt: In diesem Jahr ist ein neues Geschäft in der Dresdner Innenstadt hinzugekom­men, zudem wurden Webshop und Internetse­ite neu gestaltet, das Logo überarbeit­et. Im nächsten Jahr sollen mithilfe von Influencer­n mehr junge Menschen für Porzellan begeistert werden. „Produkte des Luxus werden heute sehr stark über Social Media gespielt“, so Geschäftsf­ührer Nussdorfer.

Zur neuen Strategie gehört auch die Erschließu­ng internatio­naler Märkte. In Japan und Taiwan sind die Produkte mit den blauen Schwertern im Wappen gefragt. „China ist für uns der wichtigste nächste Markt. Dort hatten wir einen guten Neustart“, kündigt Nussdorfer an.

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 ?? Fotos: Sebastian Kahnert, dpa ?? Blaumaler Ulrich Mehner arbeitet an einer Vase (oben links). Später wird auch sie das Symbol der Manufaktur zieren: die gekreuzten Kurschwert­er (unten rechts).
Fotos: Sebastian Kahnert, dpa Blaumaler Ulrich Mehner arbeitet an einer Vase (oben links). Später wird auch sie das Symbol der Manufaktur zieren: die gekreuzten Kurschwert­er (unten rechts).
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