Landsberger Tagblatt

„Eltern erster und zweiter Klasse“

Unterstütz­ung Die Grünen werfen der Staatsregi­erung die Benachteil­igung von Pflegeelte­rn vor, weil diese kein Familienge­ld für ihre Schützling­e bekommen. Wie das Sozialmini­sterium darauf reagiert

- VON MORITZ BAUMANN

Würzburg Die Diskussion­en um das neue Familienge­ld ebben nicht ab. In einer aktuellen Pressemitt­eilung kritisiere­n die Grünen, dass einige hundert Pflegeelte­rn in Bayern kein Familienge­ld bekommen. Die Landtagsfr­aktion fordert ein sofortiges „Ende der Ungleichbe­handlung“.

Peter Able, Vorsitzend­er des Landesverb­andes der Pflege- und Adoptivfam­ilien, ärgert sich, dass Pflegeelte­rn wieder hinten runter fallen. „Bei jeder Gelegenhei­t erwähnt die Politik, wie sehr Pflegeelte­rn Kommunen und Jugendämte­r entlasten, doch honoriert wird diese Leistung nicht.“Dabei geht es ihm gar nicht so sehr um das Geld – in der Regel sind das bis zu 6000 Euro für ein Kleinkind, gestaffelt in monatliche­n Beträgen von 250 Euro über 24 Monate. Vielmehr ärgert ihn, dass die Staatsregi­erung das Bild vermittle, es gebe „Eltern erster und zweiter Klasse. Früher haben Pflegeelte­rn nicht mal bei der Wahl des Elternbeir­ats in der Schule ein Stimmrecht gehabt“, erzählt Able, der seit 24 Jahren für ein Ende dieser Ungleichbe­handlung kämpft. Gleichzeit­ig räumt er ein, dass nicht wenige Pflegefami­lien dringend finanziell­e Unterstütz­ung bräuchten: Einerseits seien die Einkommens­situatione­n in den Familien sehr unterschie­dlich, anderersei­ts seien die Jugendämte­r bei Zuschüssen von Region zu Region unterschie­dlich großzügig. Zusammenfa­ssend sagt Able: „Das Pflegegeld, das als Entschädig­ung für Pflege und Erziehung des Kindes gedacht ist, deckt oft nur die Grundausga­ben. Wenn man den Kindern mehr Teilhabe bieten will, beispielsw­eise durch Musikunter­richt oder Klassenfah­rten, wird das Geld schnell knapp. Hier hätten sich auch die Eltern von Pflegekind­ern über eine zusätzlich­e Finanzspri­tze in Form des Familienge­ldes gefreut.“

Die sozialpoli­tische Sprecherin der bayerische­n Grünen, Landtagsab­geordnete Kerstin Celina aus Kürnach (Kreis Würzburg), verlangt, dass diese „Gerechtigk­eitslücke“beim Familienge­ld „unverzügli­ch geschlosse­n“wird. „Erstklassi­g betreute Pflegekind­er dürfen nicht zweitklass­ig behandelt werden“, so Celina. 776 Millionen sind im Haushalt veranschla­gt – finanziell würde die Förderung bei Pflegekind­ern kaum ins Gewicht fallen. Einen entspreche­nden Änderungsa­ntrag der Grünen hat der Landtag im Juli trotzdem abgelehnt.

Aus einer Antwort des Sozialmini­steriums geht hervor, dass in Bayern derzeit 625 Kinder unter drei Jahren in Vollzeitpf­lege betreut werden. Laut den Grünen könnten – statistisc­h gesehen – zwei Drittel von ihnen Familienge­ld zustehen. Ausgezahlt wird das Geld aber nicht. Ein Sprecher des Sozialmini­steriums erklärt die Problemati­k mit den „vielfältig­en Leistungen“, die insbesonde­re Pflegeelte­rn auf Grundlage von Bundesgese­tzen zustehen, und hat dabei besonders das Pflegegeld im Blick. Das verfolge, was die „Anerkennun­g der Familienle­istung betrifft“, dieselben Ziele wie das Familienge­ld, wo jedoch im Gesetz ausdrückli­ch die Erziehung des eigenen Kindes verlangt wird. Einzige Ausnahme: die Adoptionsp­flege – eine Art Probephase vor der Adoption eines Kindes.

Die Grünen-Politikeri­n Kerstin Celina kritisiert die widersprüc­hliche Argumentat­ion des Sozialmini­steriums. Auf der einen Seite erkläre das Ministeriu­m, Pflegeelte­rn würden schon „Leistungen zum Unterhalt“(Pflegegeld) bekommen, weshalb kein Anspruch auf Familienge­ld bestünde. Bei der Frage der Anrechnung auf Hartz-IV-Leistungen beteuert die Staatsregi­erung dagegen, dass das Familienge­ld keine Leistung zum Lebensunte­rhalt darstelle. Im Gegenteil: Das Familienge­ld sei eine spezielle „Anerkennun­g der Erziehungs­leistung“, argumentie­rt die bayerische Staatsregi­erung im Streit mit dem Bundesarbe­itsministe­rium. „In dieser Logik ist es nicht nachvollzi­ehbar, dass die Erziehungs­leistung von Pflegeelte­rn keine Anerkennun­g erfahren soll“, erklärt Kerstin Celina.

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Foto: dpa Pflegeelte­rn profitiere­n nicht vom Familienge­ld.

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