„Eltern erster und zweiter Klasse“
Unterstützung Die Grünen werfen der Staatsregierung die Benachteiligung von Pflegeeltern vor, weil diese kein Familiengeld für ihre Schützlinge bekommen. Wie das Sozialministerium darauf reagiert
Würzburg Die Diskussionen um das neue Familiengeld ebben nicht ab. In einer aktuellen Pressemitteilung kritisieren die Grünen, dass einige hundert Pflegeeltern in Bayern kein Familiengeld bekommen. Die Landtagsfraktion fordert ein sofortiges „Ende der Ungleichbehandlung“.
Peter Able, Vorsitzender des Landesverbandes der Pflege- und Adoptivfamilien, ärgert sich, dass Pflegeeltern wieder hinten runter fallen. „Bei jeder Gelegenheit erwähnt die Politik, wie sehr Pflegeeltern Kommunen und Jugendämter entlasten, doch honoriert wird diese Leistung nicht.“Dabei geht es ihm gar nicht so sehr um das Geld – in der Regel sind das bis zu 6000 Euro für ein Kleinkind, gestaffelt in monatlichen Beträgen von 250 Euro über 24 Monate. Vielmehr ärgert ihn, dass die Staatsregierung das Bild vermittle, es gebe „Eltern erster und zweiter Klasse. Früher haben Pflegeeltern nicht mal bei der Wahl des Elternbeirats in der Schule ein Stimmrecht gehabt“, erzählt Able, der seit 24 Jahren für ein Ende dieser Ungleichbehandlung kämpft. Gleichzeitig räumt er ein, dass nicht wenige Pflegefamilien dringend finanzielle Unterstützung bräuchten: Einerseits seien die Einkommenssituationen in den Familien sehr unterschiedlich, andererseits seien die Jugendämter bei Zuschüssen von Region zu Region unterschiedlich großzügig. Zusammenfassend sagt Able: „Das Pflegegeld, das als Entschädigung für Pflege und Erziehung des Kindes gedacht ist, deckt oft nur die Grundausgaben. Wenn man den Kindern mehr Teilhabe bieten will, beispielsweise durch Musikunterricht oder Klassenfahrten, wird das Geld schnell knapp. Hier hätten sich auch die Eltern von Pflegekindern über eine zusätzliche Finanzspritze in Form des Familiengeldes gefreut.“
Die sozialpolitische Sprecherin der bayerischen Grünen, Landtagsabgeordnete Kerstin Celina aus Kürnach (Kreis Würzburg), verlangt, dass diese „Gerechtigkeitslücke“beim Familiengeld „unverzüglich geschlossen“wird. „Erstklassig betreute Pflegekinder dürfen nicht zweitklassig behandelt werden“, so Celina. 776 Millionen sind im Haushalt veranschlagt – finanziell würde die Förderung bei Pflegekindern kaum ins Gewicht fallen. Einen entsprechenden Änderungsantrag der Grünen hat der Landtag im Juli trotzdem abgelehnt.
Aus einer Antwort des Sozialministeriums geht hervor, dass in Bayern derzeit 625 Kinder unter drei Jahren in Vollzeitpflege betreut werden. Laut den Grünen könnten – statistisch gesehen – zwei Drittel von ihnen Familiengeld zustehen. Ausgezahlt wird das Geld aber nicht. Ein Sprecher des Sozialministeriums erklärt die Problematik mit den „vielfältigen Leistungen“, die insbesondere Pflegeeltern auf Grundlage von Bundesgesetzen zustehen, und hat dabei besonders das Pflegegeld im Blick. Das verfolge, was die „Anerkennung der Familienleistung betrifft“, dieselben Ziele wie das Familiengeld, wo jedoch im Gesetz ausdrücklich die Erziehung des eigenen Kindes verlangt wird. Einzige Ausnahme: die Adoptionspflege – eine Art Probephase vor der Adoption eines Kindes.
Die Grünen-Politikerin Kerstin Celina kritisiert die widersprüchliche Argumentation des Sozialministeriums. Auf der einen Seite erkläre das Ministerium, Pflegeeltern würden schon „Leistungen zum Unterhalt“(Pflegegeld) bekommen, weshalb kein Anspruch auf Familiengeld bestünde. Bei der Frage der Anrechnung auf Hartz-IV-Leistungen beteuert die Staatsregierung dagegen, dass das Familiengeld keine Leistung zum Lebensunterhalt darstelle. Im Gegenteil: Das Familiengeld sei eine spezielle „Anerkennung der Erziehungsleistung“, argumentiert die bayerische Staatsregierung im Streit mit dem Bundesarbeitsministerium. „In dieser Logik ist es nicht nachvollziehbar, dass die Erziehungsleistung von Pflegeeltern keine Anerkennung erfahren soll“, erklärt Kerstin Celina.