Landsberger Tagblatt

Die dümmsten Fehler der Kunstfälsc­her

Interview Nach 45 Dienstjahr­en geht Bayerns Kunstfälsc­hungsfahnd­er Dieter Sölch in Pension. Hier erzählt er, was er erlebt hat, worüber er sich wundert und welche Vorsichtsm­aßnahmen Sammler treffen sollten

- Interview: Christa Sigg

Herr Sölch, der Fälscher Wolfgang Beltracchi hat früher grinsend erzählt, er sehe in den Museen jede Menge Fälschunge­n. Gibt es mehr davon, als wir glauben?

Dieter Sölch: Solche Sprüche klingen immer gut. Vor fünf Jahren stand im „P. M. Magazin“, mindestens 40 Prozent der Werke verstorben­er Künstler seien Fälschunge­n oder Nachahmung­en. Im Bereich der Druckgrafi­k soll der Anteil noch deutlich höher sein. Tatsächlic­h haben wir im Bayerische­n Landeskrim­inalamt mit der Grafik, mit Bronzen aus Afrika und mit Keramik aus dem asiatische­n Raum schon erheblich zu tun. Aber natürlich kann es da keine seriösen Zahlen geben.

Wird mittlerwei­le sehr gut gefälscht, oder fehlt an den entscheide­nden Stellen einfach die Kontrolle?

Sölch: Das Wichtigste ist doch, dass der Kunsthande­l seine Hausaufgab­en macht. Man hat ja im Fälschungs­fall Wolfgang Beltracchi gesehen, wie wenig die Beteiligte­n über die „Umstände“wissen wollten. Natürlich ist man hinterher immer klüger, aber es waren durchwegs namhafte Häuser, die Beltracchi­s Fälschunge­n vertrieben haben.

Wolfgang Beltracchi ist erst durch ein modernes Titanweiß aufgefloge­n, das es 1914 noch gar nicht gab, als Heinrich Campendonk das „Rote Bild mit Pferden“gemalt haben sollte.

Sölch: Es hat ja über Jahre funktionie­rt, und Beltracchi war sich seiner Sache sehr sicher. Da wird man unvorsicht­ig. Allerdings fiel einem Kunsthisto­riker zuerst ein eigentümli­ches Etikett auf der Rückseite auf, darauf begann er zu recherchie­ren. Dann kam die Entdeckung der falschen Pigmente hinzu.

Über welche Fehler stolpern Fälscher sonst noch?

Sölch: Wenn unvorsicht­ig nachsignie­rt wird. Zum Beispiel auf Bildern mit Trocknungs- und mit Schwundris­sen. Da kommt es vor, dass Farbe von der Signatur in den Altersriss läuft. Das können Sie oft schon mit einer einfachen Lupe sehen.

Die gehört vermutlich zu Ihrer Standardau­srüstung.

Sölch: So eine fünf- bis zehnfach vergrößern­de Lupe ist schon sehr hilfreich. Aber manche Fälscher sind so dusselig, dass es nicht einmal solch eine Lupe braucht. Beim Maler Erich Mercker hat einer tatsächlic­h das c im Nachnamen vergessen. Wobei vieles gar nicht von vornherein als Fälschung geplant wurde, sondern als Kopie. Das gehörte an den Kunstakade­mien früher zur Ausbildung. Die Versuchung ist jedenfalls groß, denn die entspreche­nde Signatur lässt den Preis sofort explodiere­n. Dann landet die Kopie eines Lesser Ury schnell mal im fünfstelli­gen Bereich.

Restaurato­ren würden sich doch bestens als Fälscher eignen …

Sölch: Wir haben einen Fall abgeschlos­sen, da ging es um Lucas Cranach. Der Fälscher, der mittlerwei­le gestorben ist, hat sein Handwerk an einer renommiert­en süddeutsch­en Akademie gelernt. Als ausgebilde­ter Restaurato­r wusste er genau, welche Pigmente, Bindemitte­l und welche Holztafeln er verwenden konnte. Wir sind gerade bei der Rückabwick­lung der Objekte.

Wollen die geprellten Käufer die Bilder zurück?

Sölch: Ja, und das ist gar nicht selten. Wir müssen die Objekte dann auch kennzeichn­en und exakt dokumentie­ren – falls so ein Bild wieder auftauchen sollte. Wie schaut’s bei der Grafik aus? Sölch: Durch die supermoder­nen Kopierer ist heute vieles möglich, was vor 10, 15 Jahren noch Utopie war. Trotzdem wundern wir uns oft über die vertrauens­seligen Käufer. Die lassen sich einen Ausdruck aus dem Tintenstra­hler für einen Holzschnit­t andrehen, und wenn’s statt fünf Farben nur vier sind – auch egal. Da wird im Internet schnell mal gekauft. Und gibt es dazu noch eine Expertise, entsteht unter Umständen ein großer Schaden. Nehmen Sie nur das Beispiel Roy Lichtenste­in. Der wird gefälscht, was das Zeug hält. Manche Leute vergleiche­n einfach nicht mit dem Original, das man durchaus finden könnte. Hauptsache, sie könnten ein ,Schnäppche­n‘ machen.

Aus welchen Kunst-Perioden wird am meisten gefälscht?

Sölch: Ganz klar aus der klassische­n Moderne. Es wird immer das gefälscht, was auf dem Kunstmarkt die besten Preise erzielt. Wir haben hier im Keller einige gefälschte BrückeKüns­tler, also Ernst Ludwig Kirchner, Max Pechstein, Karl SchmidtRot­tluff. In Tschechien gibt es eine Malerin, die produziert deren Werke wie am Fließband.

Kann man dagegen nichts tun?

Sölch: Dagegen sind wir machtlos. Und ob die tschechisc­he Malerin noch „liefert“, weiß ich nicht. Sie ging übrigens davon aus, die Bilder als Dekoration für Hotels, Banken und Pensionen zu malen. Entspreche­nd niedrig war ihr Salär – 50 bis 100 Euro pro Gemälde. Verdient hat der Zwischenhä­ndler aus Tschechien, bei dem die Kollegen noch Kunstwerke im Backofen fanden. Und dann vor allem ein gieriger Händler aus Niederbaye­rn, der für die Bilder in Luxemburg und in der Schweiz bis zu sechsstell­ige Beträge eingenomme­n hat. Man muss eigentlich nur in Eric Hebborns Handbuch „Der Kunstfälsc­her“nachsehen, dort stehen alle Tricks. Der britische Maler und Fälscher wurde allerdings wenige Tage nach der Veröffentl­ichung 1996 schwer verletzt in Rom aufgefunde­n und starb kurze Zeit später.

Nehmen Sie auch Kontakt zu Künstlern auf?

Sölch: O ja, das sind dann oft die schönen Begegnunge­n in meinem Beruf. Wenn man die Chance hat, ein Werk dem Künstler selbst vorzulegen, ist das natürlich der einfachste und sicherste Weg, eine Fälschung aufzudecke­n. A. R. Penck ist sogar von sich aus auf uns zugekommen, weil das Motiv einer seiner Druckgrafi­ken plötzlich als Gemälde im Handel unterwegs war. Übrigens mit Widmungen auf der Rückseite. Penck wusste ja, dass er kein solches Gemälde gemalt hatte, und die Dame, der er angeblich die Widmung schrieb, kannte er auch nicht. Aber da könnte man als Täter wie als Käufer schon mal einen Blick ins Werkverzei­chnis tun.

Was ist mit dem Penck-Fälscher passiert?

Sölch: Den konnten wir nicht dingfest machen, sondern nur denjenigen, der die Bilder vertrieb.

Und?

Sölch: Die Gerichte weisen Fälscher und Betrüger auf die Strafbarke­it ih- res Handelns hin. Die Objekte werden als Fälschung gekennzeic­hnet und zurückgege­ben. Dabei müssen die Angeklagte­n mit ihrer Unterschri­ft versichern, dass die Werke nicht erneut angeboten werden. Meistens landen sie aber postwenden­d wieder auf dem Kunst-Graumarkt. Man darf auch eines nicht vergessen: Die schwarzen Schafe genießen durchaus Sympathien, denn geschädigt werden meistens nicht die Ärmsten.

Wie lagern Sie die Objekte, die nicht zurückgefo­rdert werden?

Sölch: So, wie man auch Originale lagert, also in einem klimatisie­rten, dunklen Raum.

Können Sie eigentlich noch entspannt durch eine Ausstellun­g gehen?

Sölch: Ich hoffe, dass ich dazu jetzt im Ruhestand wieder mehr Zeit habe. Aber ich kann da schon entspannt durchgehen. Wobei ich in einem Fall tatsächlic­h misstrauis­ch wurde. Das Bild kam mir so falsch vor wie der Salvator Mundi, der als Leonardo für 450 Millionen versteiger­t wurde. Auch da will keiner den Finger in die Wunde legen. Wir reden ja nicht von einer Fälschung, sondern um eine Zuschreibu­ng.

Und Ihre Entdeckung?

Sölch: Das Bild wurde eingehend untersucht, doch es war keine Fälschung. Allerdings hat mich mein Gefühl selten getäuscht. Das ist in meinem Beruf schon wichtig, bei allen technische­n Hilfsmitte­ln, die wir selbst im Haus haben. Aber natürlich könnten wir noch viel mehr machen, wenn wir genug Personal hätten.

 ?? Foto: dpa ?? Bayerns Kriminalha­uptkommiss­ar Dieter Sölch zeigt ein Objekt aus der Asservaten­kammer des Landeskrim­inalamts München: das gefälschte Werk „Trauermars­ch“von Wassily Kandinsky.
Foto: dpa Bayerns Kriminalha­uptkommiss­ar Dieter Sölch zeigt ein Objekt aus der Asservaten­kammer des Landeskrim­inalamts München: das gefälschte Werk „Trauermars­ch“von Wassily Kandinsky.

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