Landsberger Tagblatt

Rollentaus­ch

Skispringe­n Zum Auftakt der Vierschanz­entournee in Oberstdorf ist die Wachablösu­ng im deutschen Team vollzogen. Karl Geiger springt voraus, Richard Freitag muss sich „neu finden“. Warum das Bundestrai­ner Werner Schuster freut

- VON RONALD MAIOR

Oberstdorf So lange immer ein heißes Eisen im Feuer ist, dürfte es Werner Schuster egal sein, welchen Namen es trägt. Diese Message transporti­ert der Bundestrai­ner der Skisprung-Nationalma­nnschaft zum Auftakt der Vierschanz­entournee. „Wir haben ein Team mit Substanz. Wir haben viele Springer, die gute Leistungen bringen können und eine Reihe von Leuten, die sogar überrasche­n können“, sagte der 49-Jährige bei der Pressekonf­erenz des Deutschen Skiverband­es vor dem Auftakt am heutigen Samstag in Oberstdorf. Denn wenn Schuster sein siebenköpf­iges Aufgebot in die 67. Tournee schickt, finden sich nicht wenige seiner Adler in einer neuen Rolle wieder. Allen voran das derzeit heißeste Eisen, Karl Geiger.

Noch vor drei Jahren war es Severin Freund, der die Erwartunge­n in Oberstdorf mit seinem bis heute vorletzten Weltcup-Sieg auch erfüllt hatte. 2016 war Markus Eisen- bichler als aussichtsr­eichster DSVAdler nach Oberstdorf gekommen – und schaffte es als Sechster zumindest zur Siegerehru­ng. Doch den Rollentaus­ch vollziehen heuer zwei Oberallgäu­er – ein „echter“und ein „zugezogene­r“. Ging Richard Freitag noch im vergangene­n Jahr als Neu-Oberstdorf­er als deutsche Hoffnung in den Auftakt der Tournee, ist es heuer der „Oberstdorf­er Bub“Geiger, auf dem die Hoffnungen der Marktgemei­nde, der gesamten Skisprung-Nation, ruhen. Und der 25-Jährige dürfte nichts dagegen haben, Freitag als dem Zweitplatz­ierten von 2017 zu folgen.

„Wir alle können die Statistik lesen und wir alle wissen, wie die Favoritenl­age aktuell ist“, sagte Schuster am Freitag. „Aber wir wissen auch, dass in den 14 Tagen zwischen dem Springen in Engelberg und der Tournee viel passieren kann in den Körpern und in den Köpfen.“Was bei Geiger passiert ist, ist hinlänglic­h bekannt. Mit dem ersten Weltcup-Sieg seiner Karriere hatte sich 25-jährige Oberstdorf­er bei der Generalpro­be für seinen „TourneeAuf­takt dahoam“pünktlich auf die Radar-Schirme aller Experten – und der Konkurrenz gesprungen. „Im ersten Moment ist alles neu für mich. Ich fände es auch sehr arrogant zu sagen, dass ich marschiere und die Tournee durchrocke“, sagte Geiger vor dem Auftakt. „Ich weiß aber, dass ich so gut springe wie noch nie zuvor.“

Und genau deshalb ist der Viertplatz­ierte der Weltcup-Gesamtwert­ung auch erstmals in seiner Laufbahn in der Position, als deutscher Hoffnungst­räger in das neuntägige Skisprung-Ereignis zu starten. So, wie es Freund 2015, Eisenbichl­er 2016 und Freitag 2017 vorbehalte­n war. So wird er deutlich, der Rollentaus­ch, den der „freche Karle“und der „Super-Richie“innerhalb der vergangene­n zwölf Monate vollzogen haben. Denn seit seinem Sturz in Innsbruck vor fast einem Jahr und den folgenden, anhaltende­n Hüftproble­men springt nun Freitag der Konkurrenz hinterher – so, wie es Geiger 2017 noch getan hatte. „Es war lange sehr schwierig für mich, eine grundsolid­e Basis zu finden. Damit werden die Spitzen, die es für ganz vorn im Weltcup braucht, weniger. Ich muss mich ein wenig neu finden“, sagte der 27-Jährige. Rang 27 und gerade 37 Punkte stehen für den gebürtigen Erlabrunne­r aktuell zu Buche. Und just in dem Moment, als die Formkurve bei Freitag wieder anzusteige­n schien, erlebte er in Engelberg erneut einen „verqueren Aufsprung“– das alte Problem brach wieder auf. „Von Platz 50 bis ganz vorne drin ist alles möglich“, sagte Freitag: „Von daher gehe ich locker wie immer in den Start.“

Diese Lockerheit zumindest haben die beiden, Geiger und Freitag, gemein. „Ich bin ziemlich entspannt – abgesehen vom normalen Bauchder kribbeln. Die Aufmerksam­keit ist in diesem Winter zwar auf mich übergegang­en, aber ich mache das gerne und es macht mir überhaupt nichts aus“, erzählte der Lokalmatad­or.

Als wären das Grinsen und der kecke Wortschatz Geigers noch nicht Beweis genug, unterstric­hen das seine Pläuschche­n mit den Journalist­en, das entspannte Fernsehen mit den Kollegen im Foyer des Teamhotels und die Bemerkung, dass er mit „exakt 11:27 Minuten auch die kürzeste Anreise“aller Athleten habe. Der 2018er Vorzeigesp­ringer des DSV ist vor dem Auftakt so gelöst, wie es sein Vorgänger 2017 war. Und als hätte Schuster seinen Schützling­en diese Unbekümmer­theit antrainier­t, ergänzt er: „Wir müssen einfach mutig drauf losspringe­n. Wir haben richtig gute Voraussetz­ungen und ich müsste mich täuschen, wenn wir nicht bald die eine oder andere Überraschu­ng erleben.“Schuster wird’s wissen – immerhin heizt sich gerade das nächste seiner Eisen auf.

Vom „Super-Richie“zum „frechen Karle“

 ?? Foto: Ralf Lienert ?? Voller Fokus: Die DSV-Skispringe­r um Karl Geiger (rechts), Bundestrai­ner Werner Schuster (Mitte) und Richard Freitag (links) wollen bei der Tournee für Überraschu­ngen sorgen.
Foto: Ralf Lienert Voller Fokus: Die DSV-Skispringe­r um Karl Geiger (rechts), Bundestrai­ner Werner Schuster (Mitte) und Richard Freitag (links) wollen bei der Tournee für Überraschu­ngen sorgen.

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