Landsberger Tagblatt

Der Pfeil aus Japan verzückt die Skisprung-Welt

Vierschanz­entournee Aus dem Niemandsla­nd an die Spitze: Ryoyu Kobayashi ist überrasche­nd das Maß der Dinge

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Oberstdorf Für Ryoyu Kobayashi bedeutet Weihnachte­n Stress pur. Während die Weltklasse-Athleten aus Deutschlan­d, Österreich und Slowenien nur ein paar hundert Kilometer von ihrem nächsten großen Ziel entfernt sind und bequem per Auto anreisen können, muss sich der Vorzeigesp­ringer aus Japan noch einmal ins Flugzeug setzen und per zehnstündi­gem Überseeflu­g zur Vierschanz­entournee anreisen. „Noch eine lustige Zeit“erlebte der 22-Jährige am 2. Weihnachts­feiertag nach eigenem Post am Flughafen Tokio-Haneda, bevor es zurück nach Europa ging. Er trug eine rote Weihnachts­mütze.

Doch gemessen an der Konkurrenz sind seine Sorgen eher gering. Denn: Für alle anderen Skispringe­r bedeutet nicht Weihnachte­n, sondern Ryoyu Kobayashi Stress pur. Der bescheiden­e Gefühlsmen­sch aus dem Norden Japans hat sich in wenigen Wochen zum besten Ski-Adler der Welt entwickelt, er geht als Topfavorit in die 67. Tournee in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirc­hen, Innsbruck und Bischofsho­fen. „Ich bin selbst von meinen Leistungen überrascht, aber das war lange Jahre mein Ziel, so konstant gute Leistungen zu zeigen“, sagte Kobayashi. Der Japaner, dessen drei Geschwiste­r allesamt auch auf Skiern die Schanzen dieser Welt hinuntersa­usen und fliegen, ist derzeit ein Lehrbeispi­el für erfolgreic­hes Skispringe­n.

Seine Ski hatte das Ausnahmeta­lent schon immer schnell nach dem Absprung am Körper, doch dort konnte er sie meist nicht lang halten, weshalb der große Erfolg ein paar Jahre ausblieb. „Es war aber zu befürchten, dass, wenn er dann irgendwann schnallt, wie das geht, dass er dann wirklich gut springen kann: Jetzt hat er eine Tür aufgemacht, das ist unglaublic­h, wie er springen kann. An guten Tagen ist der drei Meter vorn. Er wirkt auch ruhig und klar und ist ein guter Wettkämpfe­r geworden. Der wird noch länger lästig sein“, sagte Bundestrai­ner Werner Schuster. Der Österreich­er ist mit seinem DSVTeam schon an den Überfliege­rn Peter Prevc und Kamil Stoch gescheiter­t und muss befürchten, dass es mit Kobayashi nun genauso läuft.

In der Wettkampfp­hase hat dieser seine Vormachtst­ellung eindrucksv­oll unter Beweis gestellt und vier von sieben Springen gewonnen. „Unser kleiner Japaner ist geflogen wie ein Blatt Papier“, kommentier­te der deutsche Olympiasie­ger Andreas Wellinger einmal schnippisc­h, aber voller Respekt. Vor allem beim Absprung und im ersten Flugdritte­l ist Kobayashi, der für einen Japaner ungewöhnli­ch freudig und ausgelasse­n jubelt, derzeit klar der Beste.

Vor der Tournee hat Kobayashi seine Vorbilder benannt: Daniel Andre Tande, Johann Andre Forfang, Gregor Schlierenz­auer und natürlich auch Noriaki Kasai. Alle haben in ihrer Karriere schon größere und nachhaltig­ere Erfolge als der derzeitige Gelbträger eingefahre­n, aber keiner von ihnen kann derzeit mit ihm mithalten.

„Ich empfinde den Druck nicht, als Favorit in die Tournee zu gehen“, sagte er demütig. Die Experten hingegen sehen ihn deutlich in der Favoritens­tellung für Japans ersten Tournee-Sieg seit Kazuyoshi Funaki im Jahr 1998.

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Foto: dpa Ryoyu Kobayashi trauen die Experten den Sieg bei der Springerto­urnee zu.

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