Landsberger Tagblatt

Der Grenzversc­hieber

- (maz-)

Er sieht nicht gerade aus wie Frankenste­in: braver Seitensche­itel, am Kragen offenes blaues Hemd, glatt rasiertes Gesicht. Aber was He Jiankui, Genforsche­r an der Southern University of Science and Technology in Shenzhen, in einem am 25. November veröffentl­ichten, 4:43 Minuten langen Youtube-Video verkündet, verschlägt Forschern in aller Welt erst kurz den Atem – bevor gleich darauf ein Aufschrei der Entrüstung über den Globus wandert. Was hat der Mann getan, den viele Medien fortan als „Chinas Frankenste­in“titulieren? Er hat einem Paar zu Kindern verholfen, bei dem der Mann an HIV leidet. Die Kinder, von He Jiankui als Lulu and Nana bezeichnet, kamen angeblich vollkommen gesund zur Welt. Gelungen sei dies, weil sie in einem ganz frühen Entwicklun­gsstadium einer Gentherapi­e unterworfe­n worden seien. Mittels der neu entwickelt­en Genschere Crispr-Cas sei das Einfallsto­r für die HI-Viren verschloss­en worden – ohne an nur einem weiteren Gen eine unbeabsich­tigte Mutation auszulösen – so die kühnen Behauptung­en des Wissenscha­ftlers. Ob das stimmt, bleibt abzuwarten. Genauso unklar ist, welche langfristi­gen Folgen so ein Eingriff für die betroffene­n Mädchen haben wird. Menschenve­rsuche sind tabu? Diese letzte Grenze hat der chinesisch­e Forscher mit seiner Arbeit verschoben – und damit eine alte Befürchtun­g bestätigt: Alles, was technisch gemacht werden kann, wird irgendwann gemacht. Was kommt nun: Das Designerba­by, mit Wunschhaar- und Augenfarbe? Optimierte Intelligen­z? Bei einer Konferenz in Hongkong verteidigt He Jiankui seine Arbeit, doch selbst Chinas Forschungs­ministeriu­m kritisiert ihn heftig. Kurz darauf verschwind­et er spurlos – bis heute.

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