Was kommt, wenn man die 112 wählt
Notruf Gerade die Zeit zwischen den Jahren ist für Retter alles andere als ruhig. Eine ganze Armada an Fahrzeugen bringt Ärzte, Sanitäter und Co. zum Einsatzort. Welcher Wagen wann vorfährt und was der genau an Bord haben muss, ist nur eine von vielen spa
Egal ob Herzinfarkt, Autounfall oder ein Sturz von der Leiter: Wer die 112 wählt, kann sich sicher sein, dass ihm schnell geholfen wird. Damit Sanitäter und Notarzt in nur wenigen Minuten zum Patienten kommen, steht eine große Flotte an Rettungsfahrzeugen bereit. Gerade die Zeit zwischen den Jahren, mit einem Höhepunkt an Silvester, ist für Mensch und Maschine alles andere als ruhig.
Dass der Fuhrpark stets einsatzbereit ist, darum kümmern sich Leute wie André Paudtke. Der Rettungsassistent ist bei den Johannitern im Regionalverband Ruhr-Lippe für die Autos zuständig und Herr über rund einhundert Schlüssel: vom einfachen Krankentransportwagen (KTW), über Rettungswagen (RTW) bis zum Notarzteinsatzfahrzeug (NEF), vom Gerätewagen bis zum Gabelstapler, vom Motorrad bis zur Gulaschkanone. Doch was kommt denn nun eigentlich, wenn man den Notruf wählt?
Je nachdem, welche Verletzung oder Erkrankung vorliegt, muss die Leitstelle entscheiden: Schickt sie einen Krankenwagen oder einen RTW los? Der KTW dient vor allem dem Transport eines Patienten in die Klinik und ist weniger für die Notfallversorgung ausgelegt: Zwar sind eine Trage und Tragestuhl, das obligatorische Erste-Hilfe-Set und ein Notfallrucksack, eine einfache Sauerstoffanlage und meistens auch ein automatischer externer Defibrillator (AED) an Bord. Ein richtiges EKG oder ein Beatmungsgerät ist dagegen nicht vorgesehen.
Ganz anders sieht es im Rettungswagen aus: Der ist nicht nur größer und bietet den behandelnden Rettern mehr Platz zum Arbeiten. Hier kann der Patient auch professionell mit Sauerstoff versorgt und der Herzschlag überwacht werden. Außerdem ist eine umfassende Ausstattung an Arzneimitteln dabei, und im Notfall können sogar lebensrettende Eingriffe wie die Anlage einer Thoraxdrainage durchgeführt werden.
Und im Notarzteinsatzfahrzeug? Hier kommt kein Patient rein, son- der diensthabende Arzt wird damit zum Unfallort gebracht. Rendez-vous-System nennt man im Fachjargon diese Taktik, bei der sich Arzt und RTW erst am Einsatzort treffen. Trotzdem ist das NEF vollbepackt mit Technik, für die mancher Kombi und auch einige SUV inzwischen schlichtweg zu klein sind: Zu den üblichen Medizingerätschaften aus dem Rettungswagen kommt nämlich noch eine bessere Ausstattung mit Medikamenten und Betäubungsmitteln, die teilweise gekühlt, teilweise auch warm gelagert werden müssen.
Damit die Klimaschränke immer richtig temperiert und auch alle elektronischen Geräte einsatzbereit sind, werden alle Rettungsfahrzeuge übrigens an ein Stromkabel angeschlossen, sobald sie in der Garage Unterwegs sorgt dagegen der Motor für die nötige Energieversorgung.
Apropos Motor: In den meisten Rettungsfahrzeugen schlummert ein Diesel, und natürlich muss auch der die neuesten Abgasnormen erdern füllen. Das bringt Fuhrparkmanager Paudtke zunehmend in die Bredouille. Die Basis-Fahrzeuge – vor allem der Mercedes Sprinter steht hier hoch im Kurs – werden nicht zuletzt durch die zusätzliche AdBlue-Abgasreinigung immer schwestehen. rer und zusammen mit dem Koffer, also dem aufwendigen Aufbau, ist es kaum mehr möglich, einen RTW mit weniger als 3,5 Tonnen Gewicht zu bekommen. Das wiederum heißt: Helfer ohne Lkw-Führerschein dürfen den Rettungswagen nicht lenken! Zumindest bei den einfacheren Krankenwagen mit kleineren Basisfahrzeugen schaffen es die Ausbauer aber in der Regel, die Gewichtsgrenze einzuhalten.
Bis aus einem normalen Transporter ein Rettungsfahrzeug wird, vergeht Zeit. Zwar ist der eigentliche Umbau in ein paar Wochen erledigt, doch sind die wenigen Experten im Kofferbau ausgebucht. „Teilweise dauert es ein halbes Jahr oder länger, bis nach der Auftragserteilung mit dem Umbau angefangen wird“, sagt Paudtke. Zeit, die zumindest für die Planung genutzt werden kann: Was kommt alles rein, wie werden die Geräte angeordnet, wie viele Schränke braucht es, wie wird der Wagen beklebt – und vor
Rettungsfahrzeuge sind nicht billig
allem: welche Sondersignalanlage kommt aufs Dach?
Die meisten Rettungsfahrzeuge sind mittlerweile mit Lautsprechern ausgestattet, die das gesetzlich vorgeschriebene Quarten-Intervall in der Stadt-Schaltung rundum ausstrahlen, im Landstraßen-Modus dagegen vor allem nach vorne tönen. Auf die klassisch-nostalgische Kompressor-Tröte, das Martinshorn wollen die meisten trotzdem nicht verzichten. Und natürlich darf das Blaulicht nicht fehlen, das inzwischen häufig durch zusätzliche Blitzer im Kühlergrill ergänzt wird. Denn wenn der RTW direkt hinter einem steht, sieht man die Lichtorgel auf dem Dach im Rückspiegel gar nicht.
Ist der Umbau fertig, kommt das Einräumen, das die Helfer stets selbst übernehmen. Und natürlich die Bezahlung: Gut hundert- bis zweihunderttausend Euro sind für einen Rettungstransportwagen auf Sprinterbasis keine Seltenheit. Kein Wunder, dass sich mittlerweile auch für RTW ein reger Gebrauchtwagenmarkt entwickelt. Schließlich sind die Fahrzeuge bei richtiger Pflege auch im Alter noch gut in Schuss – und mit Pflege kennen sich Johanniter und Co. zum Glück aus!