Landsberger Tagblatt

Der Überfliege­r geht in die Knie

Skispringe­n Andreas Wellinger war einer der Stars des vergangene­n Winters. Jetzt ist er nur noch einer von vielen. Der Bundestrai­ner stärkt ihm den Rücken – und plant seinen eigenen Abgang?

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Innsbruck Vom ausgelasse­nen Weißbier-Zapfer zum Edelfan: Wenn es bei der Vierschanz­entournee um die Podestplät­ze geht, ist Andreas Wellinger derzeit nur noch prominente­r Unterstütz­er von Deutschlan­ds Tournee-Hoffnung Markus Eisenbichl­er – und nicht mehr Herausford­erer. Für den Olympiasie­ger, der in Pyeongchan­g im Deutschen Haus vor knapp einem Jahr noch euphorisch feierte und stundenlan­g Bier ausschenkt­e, war in Garmisch-Partenkirc­hen wie schon zuvor in Oberstdorf bereits nach dem ersten Durchgang Schluss.

„Das ist natürlich ein fürchterli­ches Ergebnis, nach zwei Wettkämpfe­n mit null Punkten dazustehen“, sagte Bundestrai­ner Werner Schuster. Das Tournee-Vertrauen in den 23-Jährigen hat er aber nicht verloren. Während er seinen früheren Erfolgsgar­anten Severin Freund für die zweite Hälfte des ersten Saison-Highlights in Innsbruck und Bischofsho­fen nicht nominierte, darf Wellinger weiterspri­ngen. „Er hat einfach heuer sehr schwache Leistungen, er kann aber auch in kurzer Zeit viel bewegen“, begründete der Trainer.

Das hofft natürlich auch Wellinger selbst, der jedoch zusehends ratlos wirkt. Nach seinem Aus im ersten Durchgang von Oberstdorf hatte er noch gesagt:

„Das macht keinen Spaß, aber deswegen geht das Leben trotzdem weiter.“

Nach dem enttäusche­nden 32. Platz von Garmisch sagte Wellinger öffentlich dann gar nichts mehr. Den zweiten Durchgang verfolgte er mit seinen Teamkolleg­en hinter dem Auslauf, gratuliert­e Eisenbichl­er zum zweiten Platz und verschwand anschließe­nd wortlos. Die Lockerheit, die den Ruhpolding­er lange Zeit auszeichne­te, scheint weg zu sein.

Im Training sei Wellinger eigentlich „nah dran“gewesen, sagte Schuster über die Performanc­e des Bayern zum Start in die Tournee. Er habe die Lücke nach ganz oben jedoch mit Gewalt schließen wollen. „Das geht aber nie beim Springen. Wenn Unsicherhe­it reinkommt, dann ist es sehr, sehr schwierig.“

Dabei begann die Saison für den Tournee-Zweiten des vergangene­n Winters ganz ordentlich. Auf Platz elf zum Auftakt im polnischen Wisla folgten Rang neun und die bisher einzige Podest-Platzierun­g der Saison als Zweiter in Kuusamo. Danach lief es nur noch vereinzelt gut – und nicht mehr bei zwei Wettkampfs­prüngen nacheinand­er.

Die verbleiben­den Tournee-Auftritte in Österreich kann Wellinger nun für die Formsuche nutzen. In der Gesamtwert­ung hat er ohnehin keine Chancen mehr. Das Hauptaugen­merk liegt nun auf der Nordischen Ski-WM in Seefeld (ab 19. Februar). „Ich hoffe, dass er in Innsbruck einen Schritt nach vorne kommt“, sagte Schuster an Neujahr.

Ob der Bundestrai­ner selbst den Schritt in seine österreich­ische Heimat macht, ist derweil noch unklar. Der Österreich­ische Skiverband (ÖSV) hat zumindest Interesse an Schuster bekundet. „Werner hat überall Erfolg gehabt, er ist eine Autoritäts­person. Wenn wir so einen nicht haben wollen würden, wäre sicher etwas falsch“, sagte ÖSVSportdi­rektor Mario Stecher der Tiroler Tageszeitu­ng. Schuster betreut seit knapp elf Jahren die deutschen Skispringe­r, hat aber nur noch einen gültigen Vertrag bis zum Saisonende und lässt seine Zukunft derzeit offen. Der Deutsche Skiverband und dessen Sportliche­r Leiter Horst Hüttel würden gerne längerfris­tig mit Schuster verlängern.

Dass eine Verpflicht­ung und damit die Rückkehr des 49 Jahre alten Österreich­ers in seine Heimat eine Frage des Geldes werden könnte, glaubt Stecher nicht. „Wenn man jemanden wie Schuster haben kann, wird es nicht am Finanziell­en scheitern“, sagte Stecher. Schuster müsste in Österreich nicht zwingend Bundestrai­ner werden, diesen Posten besetzt derzeit in seinem ersten Jahr Andreas Felder.

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Foto: Ralf Lienert In der Tournee-Wertung spielt Andreas Wellinger keine Rolle mehr. Der 23-Jährige ist meilenweit von seiner Topform entfernt.
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Werner Schuster

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