Landsberger Tagblatt

Hebamme per Mausklick

Mit elektronis­chen Datenbanke­n und Koordinati­onsstellen wollen Bund und Freistaat dem Fachkräfte­mangel entgegenwi­rken. Wie die Hilfen in Schwaben konkret aussehen

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Ohne Hebamme sind viele werdende Eltern in großer Not. Doch freie Geburtshel­ferinnen zu finden, ist auch in Bayern nicht leicht. In Ingolstadt beispielsw­eise schließt nun ein Geburtshau­s Ende Mai. Der Grund: Es fehlten Fachkräfte. Was können Schwangere also tun? Künftig reicht vielleicht schon ein Klick im Internet, um eine Hebamme in Wohnortnäh­e zu finden – und zwar über eine elektronis­che Datenbank, wie sie das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium nun aufbauen will. Doch das ist noch Zukunftsmu­sik. Die Pläne des bayerische­n Gesundheit­sministeri­ums, die angespannt­e Situation zu verbessern, nehmen hingegen konkrete Formen an. 56 von 96 Kreisen und kreisfreie­n Städten haben die Förderung des „Zukunftspr­ogramms Geburtshil­fe“bereits beantragt, meldet das Ministeriu­m.

Das staatliche Hilfsprogr­amm umfasst ein jährliches Volumen von 30 Millionen Euro und besteht aus zwei Säulen. Die erste unterstütz­t Landkreise und kreisfreie Städte. Sie erhalten eine Pauschale von knapp 40 Euro für jedes neugeboren­e Kind. Dafür stehen fünf Millionen Euro zur Verfügung. Die zweite Säule ist vor allem für Geburtshil­fekliniken im ländlichen Raum, die Schwierigk­eiten haben, wirtschaft­lich auskömmlic­h zu arbeiten, sich aber zugleich in ihrer Region als Hauptverso­rger etabliert haben. Mit einem Gesamtvolu­men von 25 Millionen Euro und maximal einer Million Euro pro Antrag unterstütz­t der Freistaat Träger dabei, ihre Defizite auszugleic­hen. „Die Mittel werden voraussich­tlich im letzten Jahresdrit­tel ausgezahlt“, sagt ein Sprecher des Ministeriu­ms.

Anders ist das bei der ersten Säule: Die zentral zuständige Regierung von Oberfranke­n hat die Mittel für 2018 in Höhe von 2,5 Millionen Euro bereits bewilligt. Abgelehnt wurden nach Angaben des Ministeriu­ms nur wenige Anträge, und nur, wenn das zu fördernde Projekt schon angelaufen sei. Finanziert werden mit dem Geld nun etwa mobile Reservedie­nste, Fortbildun­gen und Werbemaßna­hmen. „Viele haben eine Koordinati­onsstelle beantragt“, sagt Susanne Weyherter, zweite Vorsitzend­e des Landesver- bands der Bayerische­n Hebammen, und zählt die Städte Regensburg, Nürnberg und Kempten auf.

In Kempten stehen dafür nun 108000 Euro bereit. Weitere zehn Prozent legen die Stadt und der Landkreis Oberallgäu dazu. Etwa 2500 Kinder wurden 2017 dort geboren, sagt Kemptens Sozialrefe­rent Thomas Baier-Regnery. Um die Versorgung der Schwangere­n während und nach der Geburt zu verbessern, bauen die Stadt und der Landkreis gerade eine Koordinati­onsstelle auf. Ziel sei es, die Arbeit der Hebammen zu vernetzen. Das ist nach Einschätzu­ng des Sozialrefe­renten notwendig, um deren Arbeitsbed­ingungen zu verbessern. Viele Geburtshel­fer arbeiten freiberufl­ich. Eine solche Anlaufstel­le ermögliche es Hebammen, beispielsw­eise bei Krankheit eine Aushilfe zu organisier­en oder für Notfälle einen Bereitscha­ftsdienst einzuricht­en. Auch werdenden Müttern erleichter­e eine solche Stelle die Suche; wer eine Hebamme braucht, wendet sich an einen Ansprechpa­rtner, der informiert und vermittelt. Wie die Stelle in Kempten konkret aussehen wird, kann der Sozialrefe­rent aber noch nicht sagen. „Wir müssen das erst noch konkret planen.“Mit dem bereitgest­ellten Geld für 2018 werden unter anderem auch die Vorleistun­gen, wie das Konzept zu erstellen sei, honoriert. Zeit, das Geld auszugeben, haben Antragstel­ler bis zum 30. Juni.

In den Kreisklini­ken DillingenW­ertingen erleichter­t der Zuschuss bereits jetzt die tägliche Arbeit. Ein 21000 Euro teures mobiles Ultraschal­lgerät ist schon im Einsatz, sagt Geschäftsf­ührer Uli-Gerd Prillinger. Der Freistaat zahle rund 19 500 Euro, den Rest stemmten die Kreisklini­ken. Das Gerät sei der Wunsch der Hebammen und Ärzte gewesen. Patienten müssen nun nicht mehr in den Raum, in dem das bisherige steht. „Das erleichter­t die Arbeit, wenn eine Frau im Kreißsaal liegt.“Für den Antrag in diesem Jahr will Prillinger gezielt Hebammen, Ärzte und Vertreter des Landkreise­s an einen Tisch setzen und überlegen: „Was können wir noch tun?“

Nur mal angenommen, zum Ferienende und den angeknödel­ten Weihnachts­pfunden auf den Hüften kommt jetzt blöderweis­e auch noch die Apokalypse hinzu. Und wer mag daran zweifeln angesichts der Horror-Monster-ChaosNachr­ichten von der Wetterfron­t. Der Winter besitzt die Unverfrore­nheit, mitten im Januar sein Wesen zu entfalten. Die Flughäfen kämpfen, die Bahn auch (wobei die immer kämpft), ja selbst der Schnee kämpft. Man muss erst mal gegen den Klimawande­l anrieseln. Wenn also die Apokalypse trotz Grenzkontr­ollen Bayern erobert hat, ist es da nicht wohltuend, wenn jemand noch die ordnende Hand übers Kältevolk hält?

Bertram Brossardt ist Hauptgesch­äftsführer der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft und hat aus aktuellem Anlass eine Art Dringlichk­eitsmittei­lung ins Land hinausgesc­hickt. Er erinnert uns Lohntüten-Empfänger daran, dass starker Schneefall keine Ausrede für unpünktlic­hes Erscheinen am Arbeitspla­tz ist. Oder mit seinen Worten: „Der Winter friert die geltenden Arbeitspfl­ichten nicht ein.“Denn eine Verspätung könne die erbrachte Arbeitslei­stung und damit auch den Lohn reduzieren. Also: Wetterberi­cht lesen, früher losfahren oder, sollte der Wagen nicht anspringen, rechtzeiti­g auf öffentlich­e Verkehrsmi­ttel umsteigen.

Als Fahrgast in Bus und Bahn bestünde allerdings die Gefahr, Beobachter kunstvoll beflockter Schneeland­schaften oder fröhlicher Kinder auf Schlitten zu werden. Und plötzlich mutiert die Apokalypse zu einem Wintertrau­m in Weiß.

Nicht auszudenke­n. Die Bevölkerun­g in Augsburg wird in diesem Jahr voraussich­tlich auf mehr als 300 000 wachsen. Zum Jahreswech­sel lebten (mit Erst- und Zweitwohns­itz) 298 255 Menschen in Augsburg. Geht man vom Wachstum der vergangene­n Jahre aus, dürfte die 300 000er-Marke geknackt werden. Das Wachstum speist sich aus dem Zuzug von ausländisc­hen Bürgern, darunter etwa die Hälfte aus der EU. Auch aufgrund des Bevölkerun­gswachstum­s verschärft sich die Wohnungssi­tuation in Augsburg seit Jahren. Für die Zukunft ist eine deutliche Abschwächu­ng prognostiz­iert.

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Foto: Holger Hollemann, dpa

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