Landsberger Tagblatt

Mehr Tiger als Ente

Der Militärtra­nsporter A400M ist kein Leisetrete­r, sondern gilt als modernster Kraftprotz seiner Art. Doch selbst Fluglärmge­gner sagen: Es kann mit ihm nur besser werden

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Die gewundenen Propellerb­lätter mit ihren gestreifte­n Spitzen sind nur eines der markanten Bauteile am Militär-Airbus A400M. Doch von ihrem Anblick den Namen Tigerente abzuleiten, wäre eine Verniedlic­hung. Nur noch die Motoren an der alten sowjetisch­en Antonow An-22 gelten als stärker. Doch das ist es nicht, mit dem die Luftwaffe für den neuen Bundeswehr-Transporte­r wirbt.

Der Bürgerinit­iative gegen Fluglärm am Lechfeld kommt es vor der angekündig­ten Stationier­ung einer multinatio­nalen Transportg­ruppe am Fliegerhor­st südlich von Augsburg ja auch eher auf die Geräuschfr­equenz der Probellers­chaufeln an. Diese kreisen mit einem Durchmesse­r von 5,80 Metern vor den Turboprops des A400M. Das entspreche­nde Triebwerk ist eine rein europäisch­e Entwicklun­g und gilt als das momentan modernste seiner Art. Anfänglich­e „Kinderkran­kheiten“, die immerhin ein Faktor beim Absturz eines Prototyps waren, scheinen überwunden. Deutschlan­d, das Vereinigte Königreich, Frankreich, die Türkei, Malaysia und Spanien haben A400M bereits im Einsatz.

Eine Spitzenlei­stung bei relativ wenig Spritverbr­auch wird dem neuen Triebwerk nachgesagt – und vor allem weniger Lärmentwic­klung als das Brummen der bekannten Transall. Wobei Lärm hier weniger physikalis­ch definiert werden sollte, sondern mehr als Empfindung. Und demnach gilt der A400M tatsächlic­h als gut verträglic­h für menschlich­e Ohren.

Das ist es auch, was Bürgerinit­iativen am Lechfeld optimistis­ch in die Zukunft blicken lässt. Zwei Erwartunge­n leiten sie aus den Ankündigun­gen der vergangene­n Tage ab:

Erstens: Sollten ab 2025 zehn Luftwaffen-Transporte­r plus einige weitere A400M aus Nachbarsta­aten den Fliegerhor­st Lechfeld einnehmen, wäre für laute Kampfjets vermutlich künftig kein Platz mehr. Was Fluglärm bedeutet, erlebten Anrainer-Gemeinden in den vergangene­n Jahrzehnte­n im Alltag mit Starfighte­rn, Tornados und am Schluss mit Eurofighte­rn. Das wollen sie nach gut drei Jahren relativer Ruhe nicht mehr haben, sagt Adelheid Hockenmaie­r als Sprecherin der Fluglärm-Gegner. Sie argumentie­rt: „Das wird ja kein Kampfgesch­wader, das viermal am Tag herumkurvt. Wenn hier nur noch A400M ins Ausland wegfliegen, kann ich wieder bei offenem Fenster schlafen.“

Zweitens: Wirtschaft­liche Überlegung­en führt die Bürgerinit­iative Pro Lechfeld an. Sie hatte schon vor drei Jahren den heimischen Fliegerhor­st als Stützpunkt für Maschinen des Typs Hercules C130 empfohlen. Tatsächlic­h wurde eine entspreche­nde multinatio­nale Transporte­inheit inzwischen aufgestell­t. Sie operiert allerdings von Frankreich aus. An den angekündig­ten A400M gefallen der Bürgerinit­iative die einhergehe­nden 500 Arbeitsplä­tze für hoch qualifizie­rte Dienstpost­en. Sie brächten zusätzlich­e Kaufkraft, sagt Raimund Hach, einer der Sprecher der BI Pro Lechfeld. Er hat auch die Region im Blick: „Wir bekommen die Uniklinik, haben eine brummende Industrie, erleben jedoch immer wieder Rückschläg­e und einen Abbau von Arbeitsplä­tzen. Da ist es gut, wenn wir breit aufgestell­t sind mit Beschäftig­ungsangebo­ten unterschie­dlicher Art.“

Der im Jahr 2014 als Luftwaffen­offizier ins Rathaus des benachbart­en Klosterlec­hfeld gewechselt­e Bürgermeis­ter Rudolf Schneider schränkt ein: Das voraussich­tlich 500 Mann starke Personal sei zwar ein Entwicklun­gsschub für das Lechfeld, könnte aber den angespannt­en Wohnungsma­rkt ebenso belasten wie Schulen und Kindergärt­en.

Sein Amtskolleg­e Simon Schropp im nahen Untermeiti­ngen spielt das Thema Lärmschutz an die Bundeswehr und das für entspreche­nde Schutzzone­n zuständige Innenminis­terium in München zurück. Wenn der A400M wirklich so leise sei, dann sollten die bestehende­n Lärmschutz­zonen zurückgeno­mmen werden. Denn sie engen die Anliegerge­meinden in ihrer baulichen Entwicklun­g ein.

Vor einem Jahr haben rund 100 Millionäre und rund 20 Rechtsanwä­lte und Berater in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz unerwartet­en Besuch bekommen. Am Morgen des 17. Januar 2018 standen Staatsanwä­lte, Steuerfahn­der und Polizisten vor der Tür. Sie stellten bohrende Fragen, wie es die Herrschaft­en so mit der „Gestaltung“ihrer Steuern halten. Und sie beschlagna­hmten massenweis­e Unterlagen.

Die Operation trug die Bezeichnun­g „Goldfinger“, inspiriert vom gleichnami­gen James-Bond-Film. Denn die Augsburger Staatsanwa­ltschaft geht in diesem riesigen Ermittlung­sverfahren dem Verdacht nach, dass rund 100 Reiche zwischen 2009 und 2016 mittels eines speziellen Konstrukte­s hunderte Millionen Euro Steuern am Fiskus vorbeigesc­hleust haben. Den Namen „Goldfinger“bekam die Masche, weil sich die Spitzenver­diener zur Erzeugung steuerlich­er Verluste häufig einer eigens dafür gegründete­n Goldhandel­sfirma im Ausland bedienten.

Über Jahre hinweg hatte der deutsche Gesetzgebe­r ein rechtliche­s Schlupfloc­h offengelas­sen, doch seit 2013 ist die Steuerverm­eidung über dieses Modell verboten. Der Bundesfina­nzhof in München hatte 2017 allerdings zwei spezielle „Goldfinger“-Modelle unter bestimmten Voraussetz­ungen als zulässig akzeptiert.

In diesem Fall ist die Augsburger Staatsanwa­ltschaft aber der Ansicht, dass es sich um ein illegales Konstrukt handelt. Die Ermittler sehen sich durch ihre Arbeit und die Auswertung von Dokumenten bestätigt. Deshalb haben sie jetzt in einem ersten Schritt 19 Personen angeklagt, die im Zentrum der Affäre stehen. Das sind vor allem Rechtsanwä­lte und Berater aus München, die das Modell aufgesetzt und teils an ihre reichen Mandanten vertrieben haben sollen. Einige davon saßen in Untersuchu­ngshaft, sind aber bis zu einem möglichen Prozess gegen Kaution auf freiem Fuß. Eine der betroffene­n Kanzleien hat ihren Betrieb eingestell­t. Die Anklagesch­rift umfasst 180 Seiten.

Wie ein Insider unserer Redaktion berichtete, sollen in der Hochphase des „Goldfinger“-Modells ganze Lufthansa-Flieger voll mit „Steuerspar­ern“morgens aus Deutschlan­d nach London geflogen sein, um für den Fiskus mittels Flugticket, TaxiRechnu­ng und Spesen für Essen den Anschein einer echten Geschäftst­ätigkeit zu erwecken.

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Foto: Airbus/Newsroom

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