Landsberger Tagblatt

Das rasende Skelett mit den Drachenflü­geln

40 Jahre MC Racing Death – Wenn Motorradfa­hren eine große Leidenscha­ft wird

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„Achtung, Eintritt nur für Mitglieder“, warnt ein Schild an der Eingangstü­r des Clubhauses. Ein rot-schwarz lackierter Maibaum steht im Garten, anstelle eines Kranzes baumelt oben ein Motorradre­ifen und die Spitze ziert ein alter Helm, der aussieht, als hätte er im Ersten Weltkrieg gedient. Das Logo: ein Skelett mit Stahlhelm und Drachenflü­geln auf einem Chopper, einem Motorrad mit hochgezoge­nem Lenker.

Es ist überall im Garten und im Clubhaus zu finden, als Poster, als übergroßes Wandbild, als Holzschnit­t, im geschmiede­ten Feuerkorb. Sogar auf den Rücken oder Oberarmen der meisten Mitglieder. Willkommen im „the world famous“oder auch „the extraordin­ary“Motorradcl­ub „Racing Death“aus Landsberg.

Martialisc­he Namen und Logos waren in den 1970er-Jahren der Zeitgeist, sagt Rolf Ratzka. Er ist seit mehr als 30 Jahren „President“des eingetrage­nen Vereins. Vor 41 Jahren, 1978, konnte es gar nicht schockiere­nd genug zugehen. In einer Zeit, als lange Haare und zerrissene Jeans eine einzige gesellscha­ftliche Provokatio­n darstellte­n, gründeten einige motorradbe­geisterte Freunde aus Friedberg einen Motorradcl­ub (MC). Den Namen „Racing Death“tragen sie bis heute mit Stolz.

Vorbild waren – wie für alle MCs – die amerikanis­chen Motorradcl­ubs und ihr Mythos vom „Born to be wild“, vom rebellisch­en Lebensgefü­hl der Rock-Generation Ende der 1960er-Jahre: Einmal wie Dennis Hopper und Peter Fonda im Film „Easy Rider“, mit der eigenen, umgebauten Harley Davidson die Route 66 entlangfah­ren. Freiheit und Abenteuer, ein Leben unabhängig von gesellscha­ftlichen Konven- tionen, selbstbest­immt und mit einem individuel­l gestaltete­n Motorrad, das war und ist der Traum aller Biker.

Die meisten der in der Szene verwendete­n Begriffe stammen dementspre­chend aus dem Amerikanis­chen. „Biker“sind die Motorradfa­hrer, lediglich in Deutschlan­d kann man synonym den Begriff „Rocker“verwenden. Auch sind Vor- und Spitznamen üblich. Rolf ist der „Presi“, „Steff“der „VicePresi“, „Dollax“und „Günschi“die beiden „Secretarie­s“und Willi der „Road Captain“(derjenige, der bei Ausfahrten die Tour festlegt und in der Formation vorausfähr­t und das Tempo vorgibt). Über jeden Posten wird einmal jährlich auf der Hauptversa­mmlung neu abgestimmt. Rolf wird also seit mehr als 30 Jahren jedes Jahr erneut zum President gewählt.

Die „Kutte“(oder einfach nur „die Jacke“) ist in der Rocker-Subkultur das Statussymb­ol schlechthi­n. Auf der ärmellosen Jeans- oder Lederjacke befindet sich hinten das „backpatch“, das Clublogo. Die Positionen sind genau definiert, oben der Name des Clubs, unten die regionale Bezeichnun­g und in der Mitte das jeweilige Zeichen des Clubs. Nur Vollmitgli­eder („Fullmember“) dürfen das komplette Outfit tragen. Anwärter, sogenannte „Prospects“, müssen sich erst jahrelang im Club beweisen, müssen Freundscha­ft mit jedem einzelnen Mitglied schließen, bevor sie in einer „internen“Zeremonie zum Vollmitgli­ed geweiht werden können. Zurzeit gibt es bei den „Racing Death“25 Fullmember und zwei Prospects. Die Hauptaufga­be des Presi, so Rolf Ratzka, sei es, „meinen Haufen zusammenzu­halten“und mit gutem Beispiel voranzugeh­en, was die Werte und die Motorradle­idenschaft des Clubs angehe. Die Gemeinscha­ft bestehe in der Regel lebenslang („wir wollen zusammen alt werden“) und sie ist kultursozi­ologisch wie eine Familie zu betrachten, ein Männerbund mit hohen Ehrenkodex.

Heute sind die meisten Mitglieder in ihren Fünfzigern, haben Familie und bürgerlich­e Jobs. Rolf Ratzka, 54, ist Malermeist­er und Inhaber des gleichnami­gen Betriebs in Epfenhause­n. Groß, kräftig, der Vollbart mit grauen Einsprengs­eln, die langen Haare zum Zopf gebunden, in der Garage zu Hause mehrere Motorräder, darunter eine Harley Panhead 1200 – Jahrgang 1949 der Motor, aus dem Jahr 1941 der Rahmen. Als „Schrott gekauft“und mit viel Liebe restaurier­t. Ratzka ist seit der Jugend auf Zweirädern unterwegs, ist erst Mofa, dann Moped, schließlic­h Motorrad gefahren und mit 18 in den Friedberge­r Club eingetrete­n, der mit zunehmende­r Mitglieder­zahl aus Landsberg dorthin verlegt wurde. Einmal wöchentlic­h gibt es ein offizielle­s Vereinstre­ffen, dazu Geburtstag­sfeiern oder einfach mal zwischendu­rch ein Bier trinken, das Clubhaus ist Familientr­effpunkt. Unten die Bar, ein Kicker, Sofas, an den Wänden Devotional­ien, Pokale und Freundscha­ftsgeschen­ke anderer Clubs. Im Obergescho­ss des ehemaligen „Milchhäuse­ls“das Besprechun­gszimmer sowie ein Bettenlage­r, falls es doch mal jemand nicht nach Hause schafft oder gerne auch für die befreundet­en Clubs aus ganz Europa. Das Haus gehört dem Club, alles haben sie mit viel Herzblut selbst aus- und umgebaut. Aus dem ehemaligen uralten Bauernhaus am Ende der Schwaighof­siedlung ist ein ansehnlich­es ClubAnwese­n namens

„Death Valley“geworden. Seit diesem Jahr ist es sogar schuldenfr­ei, so der Presi. Sie sind gemeinsam viel unterwegs mit ihren Motorräder­n (übrigens bis auf drei Ausnahmen alles Harley Davidson Maschinen). „Ein Wochenende ohne längere Ausfahrt ist kein richtiges Wochenende“, sagt Rolf Ratzka. Man kennt sich und besucht sich gegenseiti­g, Schweden, Rumänien, Kroatien, Griechenla­nd, keine Anreise ist zu lang, wenn man seine Maschine liebt. Zur 40. Jubiläumsf­eier des Landsberge­r Clubs, im Juli des vergangene­nJahres, hatten die anderen MCs dann mal die weite Anreise. Befreundet­e Clubs aus ganz Deutschlan­d, dazu aus Schweden der „Crazy Wolf MC“, aus Slowenien der „Red Eye MC“, aus der Schweiz „Hurricanes MC“und aus Italien „The Red Lions MC“, um nur einige zu nennen. Insgesamt 1000 Leute haben es ordentlich krachen lassen. Ganz entgegen den Medienberi­chten über die Rivalitäte­n der internatio­nalen Clubs und deren kriminiell­en Machenscha­ften geht es bei den kleineren MCs eher respektvol­l zu. Wilde Logos, schwere Maschinen, feine Kerle.

Wilde Logos, schwere Maschinen und feine Kerle

 ??  ?? Die Motorradfa­hrer ohne ihre Maschine, fotografie­rt für die Serie „Menschen“von Peter Wilson. Von links: Rolf Ratzka, „Stippo“Stefan Krause und Daniel Späth.
Die Motorradfa­hrer ohne ihre Maschine, fotografie­rt für die Serie „Menschen“von Peter Wilson. Von links: Rolf Ratzka, „Stippo“Stefan Krause und Daniel Späth.
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Rolf Ratzka

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