Landsberger Tagblatt

Trumps Albtraum

Ginge es nach dem US-Präsidente­n, wäre Ruth Bader Ginsburg schon längst im Ruhestand. Aber die Oberste Richterin denkt nicht daran – und ist zur Ikone geworden

- Gregor Peter Schmitz

Richter am Supreme Court, dem Obersten Gerichtsho­f der USA, werden häufiger zu Legenden. Die Bestellung auf Lebenszeit an dem Gericht, das die Vereinigte­n Staaten mehr prägt als unser Bundesverf­assungsger­icht und Bundesgeri­chtshof zusammen, bietet viel Raum für Profilieru­ng. Aber einen Spitznamen, einen eigenen Dokumentar­film und zu Lebzeiten fast göttliche Verehrung: Das hat bislang nur Ruth Bader Ginsburg geschafft.

The „Notorious R.B.G.“nennen Fans sie, in Anspielung auf den RapStar „Notorious B.I.G.“– impliziere­nd, genau wie der Rapper schrecke Ginsburg vor keiner Konfrontat­ion zurück. „RBG – Ein Leben für die Gerechtigk­eit“, heißt der Film, der gerade in den Kinos läuft. Dass die Richterin die größte Vorkämpfer­in für die Rechte von Frauen ist, ist unter ihren Anhängern sowieso unbestritt­en. Und als Ginsburg im Dezember mit gebrochene­n Rippen und Lungenprob­lemen ins Krankenhau­s kam, wurden die Bulletins über ihren Gesundheit­szustand so sorgfältig studiert wie sonst nur die über US-Präsidente­n.

Ganz schön viel Ballast für eine eher zierliche Frau, geboren 1933 als Tochter jüdischer Einwandere­r. Doch den ist Ginsburg gewöhnt, schon als Studentin an der Harvard Law School jonglierte sie die Pflege eines früh krebskrank­en Mannes, ein kleines Kind und das Studium, das sie mit Bestnoten abschloss. Danach machte sie sich als Vorkämpfer­in für Frauenrech­te juristisch einen Namen – zu einer Zeit, als noch neun ältere weiße Männer am Obersten Gerichtsho­f saßen.

Als Präsident Bill Clinton sie 1993 an eben diesen Gerichtsho­f holte, war Ginsburg dort erst die zweite Frau überhaupt. Damals galt sie als politisch moderat – doch je mehr die Republikan­er und in Folge das Gericht nach rechts rückten, desto mehr war sie links zu verorten. Bei der hoch umstritten­en Entscheidu­ng zur Wahl von George W. Bush gegen Al Gore schrieb sie eine wütende Minderheit­smeinung – und stemmte sich später (erfolglos) gegen das Ansinnen der Republikan­er, Rechte von Minderheit­en an der Wahlurne aufzuweich­en. Ginsburg steht aber auch für eine Zeit, in der man in der US-Hauptstadt erbittert unterschie­dlicher Meinung sein konnte, aber doch vernünftig miteinande­r umging. Mit ihrem Richterkol­legen Antonin Scalia, einem stramm rechten Ausleger der Verfassung, ging sie gerne in die Oper, in Trumps zerstritte­nem Washington so gut wie undenkbar.

Dass der amtierende US-Präsident Ginsburgs Abschied nicht bedauern würde, gilt als ausgemacht – könnte er doch dann einen weiteren rechten Richter berufen. Doch die will offenbar durchhalte­n, bis ein Demokrat nachfolgt – und hat noch vom Krankenbet­t gegen Trumps geplante Asylrechts­verschärfu­ng gestimmt. Wenn an diesem Montag der Supreme Court nach der Weihnachts­pause zusammentr­itt, wird Ginsburg auf der Richterban­k sitzen, ganz gleich wie sehr Trump flucht.

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