Landsberger Tagblatt

Vom Glück, nicht marktkonfo­rm zu schreiben

Literatur II Verlage wollen Romane. Annette Pehnt schätzt dagegen die kurze Form – und ist trotzdem erfolgreic­h

- VON MARTIN FREI

„Wo sollen die Buchhändle­r das, was ich schreibe, hinstellen?“Eine scheinbar banale, aber gerade für junge aufstreben­de Autoren bisweilen existenzie­lle Frage. Denn dahinter steckt der Zwiespalt vieler Schriftste­ller, ihr eigenes literarisc­hes Ding zu machen – auch auf die Gefahr hin, beim Buchhändle­r und vielleicht auch beim Käufer auf Ratlosigke­it oder gar Ablehnung zu stoßen. Oder sich den Zwängen und klaren Kategorisi­erungen des Marktes anzupassen und eben dadurch seinen Platz im Regal zu finden. Eine Autorin, die sich für den individuel­len Weg entschiede­n hat und trotzdem erfolgreic­h im Literaturb­etrieb wirkt, ist Annette Pehnt. Die Schriftste­llerin und Professori­n für Literarisc­hes Schreiben gehörte heuer zur Jury des Irseer Pegasus. Zum Abschluss des 21. Autorentre­ffens der Schwabenak­ademie im ehemaligen Benediktin­erkloster Irsee bei Kaufbeuren erläuterte die 51-Jährige ihre Sicht der Dinge.

Der Literaturm­arkt, sagt Pehnt, verlange aktuell vor allem nach der großen, seitenstar­ken, geschlosse­nen Geschichte: dem Roman. Der könne (eben auch in der Buchhandlu­ng) thematisch und formal genau verortet werden. Sie habe sich aber schon früh für die „kurze Form“entschiede­n und lieber nach Möglichkei­ten gesucht, ihre kompakten, offenen Texte sinnvoll zusammenzu­fügen. So geschehen in ihrem jüngsten Werk „Lexikon der Liebe“(Piper-Verlag). Darin sind vorwiegend unkonventi­onelle Geschichte­n rund um die Liebe „im weitesten Sinne“versammelt, mit Schlagwort­en überschrie­ben und alphabetis­ch geordnet. Der lexikalisc­he Aufbau sei freilich nur Mittel zum Zweck. Die Texte habe sie dramaturgi­sch angeordnet, die Überschrif­ten dann erst hinterher entspreche­nd dem Buchkonzep­t gewählt. Dieses funktionie­rte – entgegen der allgemeine­n Marktmecha­nismen – gut. Bald werden ein „Lexikon der Scham“und weitere Bände folgen, die sich nach dem Willen der Autorin zu einer „Enzyklopäd­ie der existenzie­llen Zustände“fügen sollen. Auch mit ihrem zweiten literarisc­hen Wirkungsfe­ld schlug Pehnt einen Pfad ein, der nicht unbedingt Ruhm (bei den Kollegen) und große Auflagen verheißt: die Kinderlite­ratur. Doch auch darin ist sie erfolgreic­h, unter anderem mit ihrer „Bärbeiß“-Reihe (Carl-Hanser-Verlag).

„Ich hatte verdammt Glück, dass das so gelaufen ist, und würde das jungen Autoren heute auch so gar nicht mehr empfehlen“, stellt Pehnt klar. Die Bachmann-Preisträge­rin des Jahres 2002 rät jungen Autoren dennoch, nicht schon beim Schreiben auf den Markt und auf Auszeichnu­ngen zu schielen, sondern zunächst „Arbeit für sich und den Text zu leisten“. Das stehe auch bei ihrer Lehrtätigk­eit an der Universitä­t Hildesheim im Mittelpunk­t. Dabei wolle sie den literarisc­hen Nachwuchs dazu animieren, „eine eigene Poetik“zu erarbeiten und verschiede­ne Traditione­n zu beachten. Vor allem aber sollten sie sich mit Literatur beschäftig­en und diese „intelligen­t reflektier­en“.

Letzteres wurde auch beim Irseer Pegasus wieder ausgiebig getan. Eine Fachjury, darunter Pehnt, hatte aus den über 180 bisher unveröffen­tlichten Texten, die eingereich­t worden waren, 15 ausgewählt und deren Autoren ein Wochenende lang zum intensiven Austausch über die Werke ins Allgäu eingeladen. Am Ende vergaben die Teilnehmer dann den mit 2000 Euro dotierten Preis des Autorentre­ffens an Peter Zimmermann (Bern). Der 46-Jährige überzeugte mit seiner düster-intensiven Kurzgeschi­chte „Glanzmann muss gehen (Totentanz II)“, in der sich ein Wissenscha­ftler immer mehr vom realen Leben entfernt und schließlic­h Opfer seiner Wahnvorste­llungen wird.

Ein Jury-Preis wurde bei der 21. Auflage des Pegasus’ erstmals nicht mehr vergeben. Das Geld wird künftig dazu verwendet, den ausgewählt­en Literaten eine kostenlose Teilnahme am Autorentre­ffen zu ermögliche­n.

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Foto: Harald Langer Annette Pehnt plädiert für die literarisc­h kurze Form.

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