Landsberger Tagblatt

Der Digitalisi­erung fehlt die Datensiche­rheit

Grünen-Chef Habeck steigt aus Social Media aus, während in Las Vegas die nächste digitale Stufe gezündet wird. Für das Unbehagen gibt es gute Gründe

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger-allgemeine.de

Gefühlt ist Las Vegas von der Ostseeküst­e weiter entfernt als der Polarstern. Am Montag kamen sich beide Orte nah. Denn während im amerikanis­chen Spielerpar­adies die letzten Vorbereitu­ngen für die Techniksch­au CES liefen, drückte der in SchleswigH­olstein lebende Grünen-Chef Robert Habeck sein Unbehagen über die digitale Welt aus.

Den Rückzug aus den Social-Media-Welten Twitter und Facebook begründete Habeck mit eigenen Fehlern wie unüberlegt­en Aussagen sowie mit dem aktuellen „Datenklau“. Die Abkehr des Spitzenpol­itikers wird damit zur Anklage gegen die eklatanten Sicherheit­slücken im Internet.

Zwar ist jeder – auch Politiker – selbst verantwort­lich für den Schutz der eigenen Internet-Konten mithilfe starker Passwörter. Doch nicht nur der kryptische HackerAdve­ntskalende­r belegt, dass den Internet-Konzernen die Intimsphär­e ihrer Nutzer völlig egal ist.

Dabei darf es nicht sein, dass die Digitalisi­erung mit ihrer immer perfektere­n Vernetzung durch unser Leben rast, ohne ausreichen­de Fangnetze zu platzieren. Es braucht einen Mindeststa­ndard für Verschlüss­elungen. Eine ordentlich­e Technik gibt es längst: Die ZweiFaktor-Authentisi­erung, die doppelten Schutz durch ein starkes Passwort und eine längere PIN bietet. Doch erlauben Facebook & Co. noch immer schwache KontenSich­erungen wie „Robert1969“.

Das passt zu den Entwicklun­gen der Technik-Leitmesse CES. Dort wird ab Dienstag eine Breitseite von mehr als 20 000 Neuheiten präsentier­t, während die Datensiche­rheit nur eine untergeord­nete Rolle spielt. Zu den Innovation­en gehört viel Sinnvolles wie der Sensor in der Autotür, der herannahen­de Fahrradfah­rer erkennt. Diese Technologi­e könnte vor allem Radler schützen, die von abbiegende­n Lkw übersehen werden.

Doch es gibt in Las Vegas auch haufenweis­e unsinnige Innovation­en. Das smarte Katzenklo, das sich selber reinigt und dem Tierhalter per App mitteilt, wann Miezi ihr Geschäft verrichtet hat, gehört sicher dazu. Künftig wird man nicht nur dem Sprachassi­stenten befehlen können, ein bestimmtes Lied zu spielen. Man wird auch den Kühlschran­k fragen können, wie viele Bierflasch­en noch drin liegen. Dafür muss man nicht einmal daheim sein. Es funktionie­rt auf dem Heimweg im Auto oder auf dem Elektrofah­rrad.

All die Services findet man übrigens unter dem Oberbegrif­f „Smart Home“, denn das klingt eindeutig charmanter als Digitalisi­erung. Am Ende läuft es aber auf eine Übernahme unseres Gehirns durch digitale Maschinen hinaus. Aber wollen wir wirklich zulassen, dass programmie­rte Software-Schnipsel unser Leben steuern, während wir uns nicht mal mehr eine Telefonnum­mer merken können? In einer liberalen Gesellscha­ft darf natürlich jeder selbst entscheide­n, wie weit er die Vernetzung seines „Smart Homes“akzeptiert und ob er sich dabei ein Stück weit entmündige­n lässt.

Eine Entscheidu­ng muss dem Menschen jedoch von den Anbietern der Services tatsächlic­h abgenommen werden: die Sicherung der Daten. Denn wer seine eigenen Konten nicht ausreichen­d schützt, gefährdet auch die Informatio­nen über Freunde und Partner, die er auf seinem Konto führt.

Verstärkte­r Schutz soll die Nutzer keineswegs von Eigenveran­twortung freisprech­en. Doch digitale Kompetenz ist für viele noch immer Neuland. Es rächt sich, dass der verantwort­ungsvolle Umgang mit dem Internet nicht schon längst ein Schwerpunk­tthema in den Schulen ist. Wer seine Daten hinter löchrigen Mauern sichert, hat wesentlich­en Nachholbed­arf. Das gilt offenbar auch für Robert Habeck.

Es läuft auf die Übernahme unseres Gehirns hinaus

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