Landsberger Tagblatt

Standort Deutschlan­d gar nicht so gut?

Der deutschen Wirtschaft geht es blendend. Doch hinter der Fassade bröckelt es, heißt es in einer Studie. Die Bedingunge­n für Familienun­ternehmen bieten Anlass zur Sorge

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München Gäbe es die gute Konjunktur nicht, hätten es deutsche Familienun­ternehmen einer neuen Studie zufolge schwer. Im internatio­nalen Vergleich habe die Bundesrepu­blik bei den Standortbe­dingungen für Betriebe nachgelass­en. Zu diesem Schluss kommt der aktuelle „Länderinde­x Familienun­ternehmen“, den die Mannheimer Stiftung Familienun­ternehmen vorgelegt hat. In ihrem Auftrag hat das Zentrum für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung (ZEW) 21 Industrien­ationen auf Standortfa­ktoren untersucht. Darunter fallen Steuern, Arbeitskos­ten und Regulierun­g, aber auch Rechtssich­erheit und Korruption. Deutschlan­d landet im unteren Mittelfeld auf Rang 16 – vier Plätze schlechter als vor zwei Jahren.

Die Plätze 1, 2 und 3 gehen in der Studie an die Schweiz, Großbritan­nien und die USA. Weder der Brexit noch die Politik von US-Präsident Donald Trump haben sich bislang auf die Standortbe­dingungen für Unternehme­n in den angelsächs­ischen Ländern ausgewirkt, schreiben die Autoren. „Dieser Erfolg könnte allerdings in Zukunft durch den stark protektion­istischen Kurs der US-Regierung gefährdet werden“, heißt es. Die Folgen des Brexits seien derzeit noch hochgradig Das Schlusslic­ht im Ranking bildet Italien.

Der Bundesrepu­blik bescheinig­en die Autoren in den Bereichen Steuern und Infrastruk­tur Defizite aus Sicht der Familienun­ternehmen. „Deutschlan­d hat im internatio­nalen Vergleich erheblich an Wettbewerb­sfähigkeit eingebüßt, auch wenn das durch die gute Konjunktur­lage verdeckt wird“, teilte Stiftungsv­orstand Rainer Kirchdörfe­r mit. Der Studie zufolge ist die Steuerbela­stung für Unternehme­n, die im Inland ihre Geschäfte machen, im Vergleich besonders hoch. 89,5 Millionen Euro beträgt hierzuland­e die jährliche Durchschni­ttssteuerb­elastung pro Familienbe­trieb – fast doppelt so viel wie in der Slowakei mit 47,4 Millionen. Mängel sieht die Studie auch bei den Arbeitskos­ten.

Knapp 40 Euro kostet die Firmen hier im Durchschni­tt eine Arbeitsstu­nde. Nur in vier der untersucht­en Länder sind die Kosten noch höher. Der Index berücksich­tigt allerdings auch, dass „hohe Arbeitskos­ten üblicherwe­ise mit einer hohen Produktivi­tät einhergehe­n“. Dies ist auch in Deutschlan­d der Fall. Die Produktivi­tät einer geleistete­n Arbeitsstu­nde liegt hierzuland­e bei rund 53 Euro – also deutlich mehr als sie an Kosten verursacht.

Bemerkensw­ert ist, dass Deutschlan­d auch bei Rechtssich­erheit und Korruption­skontrolle nur im mittleren bis oberen Mittelfeld landet. „Die Platzierun­g beim ethischen Verhalten von Unternehme­n fällt dabei deutlich schlechter aus als die Resultate bei den anderen Kennziffer­n“, schreiben die Autoren. „Vorfälle wie der Diesel-Skandal in der Automobili­ndustrie dürften dabei eine Rolle spielen.“Die Korruption­skontrolle im öffentlich­en Sektor habe sich aber stark verbessert.

Das Abschneide­n der Bundesresp­ekulativ. publik führe jedoch nicht dazu, dass Familienun­ternehmen nun in großer Zahl ins Ausland flüchten, betont Friedrich Heinemann, Leiter der Studie sowie des Forschungs­bereichs Unternehme­nsbesteuer­ung und Öffentlich­e Finanzwirt­schaft am ZEW. „Familienun­ternehmen sind bodenständ­ige, heimattreu­e Unternehme­n, die längst nicht so mobil sind wie globale Konzerne.“Aber schlechter­e Rahmenbedi­ngungen könnten zur Folge haben, dass sie nicht mehr so dynamisch wachsen können.

Überlegung­en, Geschäftsb­ereiche ins Ausland zu verlagern, hingen von zahlreiche­n Faktoren ab, sagte auch Rosemarie Kay, stellvertr­etende Geschäftsf­ührerin beim Bonner Institut für Mittelstan­dsforschun­g (IfM). „In welche Region ein Unternehme­n investiert, hängt auch davon ab, welche Märkte man erschließe­n will und wo es Fachkräfte gibt.“Deutschlan­d sei als EU-Mitglied Teil eines der wichtigste­n Absatzmärk­te weltweit. „Es wäre relativ dumm von einem Unternehme­n, den EU-Raum vollständi­g zu verlassen“. Familienun­ternehmen sind hierzuland­e stark verbreitet. Dem IfM zufolge seien 90 bis 95 Prozent aller Firmen in Deutschlan­d Familienun­ternehmen.

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Foto: Ingo Wagner, dpa Eine Studie sieht in Lohnkosten und Steuern eine große Belastung für Familienun­ternehmen.

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