Landsberger Tagblatt

Was von der Party übrig bleibt

Hinter Markus Eisenbichl­er liegen die besten zwei Wochen seiner Karriere. Bei der Vierschanz­entournee wurde er überrasche­nd Zweiter. 2012 wäre er beinahe im Rollstuhl gelandet

- VON FLORIAN EISELE

Siegsdorf Der Tag nach dem größten Erfolg seiner Karriere begann für Markus Eisenbichl­er so, wie es ihm am liebsten ist: gemütlich auf Balkon in Siegsdorf. Der 27-Jährige postete auf Instagram ein Bild, zu sehen ist eine verschneit­e Dorfidylle des 8000 Einwohner großen Ortes im Landkreis Traunstein. „Zu Hause ist es am schönsten“, schrieb Eisenbichl­er darunter. Die Ruhe seiner oberbayeri­schen Heimat steht im krassen Gegensatz zu dem, was dem Skispringe­r in den vergangene­n knapp zwei Wochen widerfahre­n ist. Bei der Vierschanz­entournee flog Eisenbichl­er so stark von den Schanzen, dass es am Ende zum zweiten Platz reichte und er nur dem japanische­n Überfliege­r Ryoyu Kobayashi den Vortritt lassen musste. Dafür erhielt der leidenscha­ftliche Schafkopf-Spieler sogar eine Einladung von Nationalsp­ieler Thomas Müller zum Karteln.

Das Märchen um Eisenbichl­er ist umso erstaunlic­her, weil vor dem Beginn der Tournee kaum etwas auf diese Leistungse­xplosion hingedeute­t hatte. Eisenbichl­er landete in dieser Wintersais­on auf den Rängen 15, 15, 23, 32, 10, 48 und 6, bevor in Oberstdorf das erste Springen anstand. Im Weltcup liegt er auf Rang 9. Als mögliche Siegspring­er aus dem DSV-Lager galten Karl Geiger, Stephan Leyhe, Andreas Wellinger und mit Abstrichen Richard Freitag – aber Eisenbichl­er? Der war 2016 mal ein Hoffnungst­räger, kam damals insgesamt aber nur auf den siebten Rang.

Doch die Eisenbichl­er-Party startete gleich zu Beginn der Tournee: In Oberstdorf hätte der 27-Jährige Kobayashi beinahe geschlagen, nur 0,4 Punkte fehlten ihm zum Sieg. In Garmisch hatte der Japaner, der den Weltcup nach Belieben dominiert, nur einen Meter Vorsprung vor „Eisei“, wie der neue DSV-Star gerufen wird. Richtig spannend wurde es wegen der Extraklass­e des Asiaten zum Ende hin zwar nicht mehr, doch auch so ist das Ergebnis aus deutscher Sicht so gut wie lange nicht mehr: Neben Eisenbichl­er auf Rang zwei landete sein Teamkolleg­e Stephan Leyhe auf Rang drei. Damit sind erstmals seit 1991, als Jens Weißflog und Dieter Thoma auf Rang eins und drei landeten, wieder zwei Deutsche auf dem Podest.

Aus Eisenbichl­er brachen deshalb auch alle Emotionen heraus. Immer wieder schrie er aus Freude über seine Leistung. Auf die Frage nach seinem Befinden antwortete er gleich fünf Mal mit dem Wort „geil“und schob hinterher, einfach nur glücklich zu sein. Als die deutsche Nationalhy­mne nach dem Springen ertönte, kämpfte er mit den Tränen.

Vielleicht spielt es eine Rolle, dass Eisenbichl­er weiß, wie fragil das Glück ist. Im Jahr 2012 wäre er nach einem Trainingss­turz in Oberstdorf beinahe im Rollstuhl gelandet. Damals war der dritte Brustwirbe­l gebrochen, mühevoll kämpfte sich der Sportler wieder zurück. Eisenbichl­er sagte einmal, dass ihn gerade dieses Erlebnis geprägt habe. „Ich weiß jetzt, wie schnell alles vorbei sein kann.“Dass ausgerechn­et in Oberstdorf sein Aufstieg zur neuen DSV-Hoffnung begann, ist deswegen mehr als nur eine Randnotiz. Seine bisherigen Titel – das Gold im Mixed-Team bei der Ski-WM 2017 und Bronze von der Einzelscha­nze – würde er deshalb auch in einem anderen Licht sehen.

Mit dem Trubel um seine Person kann Eisenbichl­er ohnehin nur wenig anfangen. Am liebsten, sagte er, sei er ohnehin zu Hause in Siegsdorf. Dort wohnen auch seinen Eltern Christine und August sowie Bruder Martin und seine Freundin Andrea. Dort stieß er am späten Sonntagabe­nd auch mit seinen Freunden und seiner Familie an. Eisenbichl­er sehne sich nur nach Ruhe: „Ich will mal relaxen und einen Gemütliche­n machen – mal in die Sauna gehen.“

Bis zum Saisonende am 23. März ist der Sprungkale­nder vollgepack­t. Spätestens seit den starken Leistungen bei der Tournee können sich „Eisei“und Stephan Leyhe nicht mehr hinter den großen Namen Andreas Wellinger oder Richard Freitag verstecken. Die Beiden sind plötzlich selbst die Hoffnungst­räger im DSV-Team, in dem sich die Kräfteverh­ältnisse in diesem Winter umgekehrt haben. Auch das bleibt von der großen Eisenbichl­er-Party.

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Foto: Harald Steiner, Witters „Es ist einfach nur mega“: Markus Eisenbichl­er konnte seine Freude über den zweiten Platz bei der Vierschanz­entournee selbst kaum fassen.

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