Landsberger Tagblatt

Ein Mann kämpft für billigeren Strom

Hartmut Wurster warnt, dass Deutschlan­d Wohlstand verspielen könnte, wenn Energie zu teuer wird. Seine Amtszeit in der Industrie- und Handelskam­mer endet zwar bald. Die Sorgen um den Standort treiben ihn aber weiter um

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Im Augsburger Raum kennen viele Hartmut Wurster als den Mann, der lange Zeit an der Spitze der UPM-Papierfabr­iken stand. Angefangen hatte er, als das Augsburger Werk noch der Familie Haindl gehörte. Ganze 26 Jahre lang hat Wurster die Geschicke der Papier-Welt gelenkt, bis ins Jahr 2014 führte er die deutschen Standorte des finnischen Papierkonz­erns UPM, im Konzernvor­stand in Helsinki war er zunächst für das weltweite Zeitungsdr­uckpapierg­eschäft verantwort­lich, dann Entwicklun­gsvorstand. Das Schicksal der Industrie treibt den 63-Jährigen auch danach um. Ein Thema beschäftig­t ihn besonders: die Energie. Denn Hartmut Wurster befürchtet, dass vieles in der Energiewen­de falsch läuft.

Der langjährig­e Firmenlenk­er ist bekannt für seine eigene, unverkennb­are Position in Energiefra­gen. Statt Euphorie steht er für Realismus: „Wir müssen aufpassen, dass wir durch die Art, wie Deutschlan­d auf erneuerbar­e Energien umstellt, die Wettbewerb­sfähigkeit unserer Wirtschaft nicht massiv belasten“, warnt Hartmut Wurster. „Mit dem Kohleausst­ieg werden Energiepre­i- se nochmals massiv nach oben gehen.“

Unterhält man sich mit ihm, trifft man einen Mann, der die Bedürfniss­e der Industrie gut kennt und für sie eintreten will. Er befürchtet, dass die Wirtschaft ungewollt unter die Räder kommen könnte. „Deutschlan­d verdankt seinen Wohlstand und seine Beschäftig­ung einer wohllaufen­den Wirtschaft“, ist er überzeugt. Deshalb tritt er für realistisc­he, pragmatisc­he Lösungen ein. Traumtänze­rei ist seine Sache nicht. In seiner ehrenamtli­chen Ar- beit bei der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben hat sich Hartmut Wurster in 14 Jahren einen Ruf als konstrukti­ver Mahner erarbeitet.

„Rund um die Energiewen­de und den Systemwech­sel der Energieerz­eugung sind viele Emotionen im Spiel. Mit mehr Realismus käme man häufig besser ans Ziel“, kritisiert Wurster. „Ich hätte mir mehr Gedanken über den Tellerrand hinaus in Richtung Technologi­e-Offenheit gewünscht.“Als stellvertr­etender Präsident der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben will Wurster bei der anstehende­n Neubesetzu­ng des IHK-Präsidiums zwar nicht mehr antreten. Seine Sorgen um die Wirtschaft treiben ihn aber weiter um.

Wurster kämpfte dafür, dass auf dem Weg zu einer grünen Stromverso­rgung die Elektrizit­ät bezahlbar bleibt und die Versorgung­ssicherhei­t gewährleis­tet ist. „Die Deutschen wollen in der Energiefra­ge mit nationalen Alleingäng­en Musterschü­ler sein. Manchmal sägen wir aber an dem Ast, auf dem wir sitzen“, mahnt er und nennt zwei Punkte, an denen die Energiewen­de in seinen Augen derzeit krankt.

Ein Punkt ist der Ausstieg aus Kernkraft und Kohle – mit all den Folgen: „Was passiert, wenn das Kernkraftw­erk Gundremmin­gen Ende 2021 abgeschalt­et wird?“, fragt er und liefert die für ihn besorgnise­rregende Antwort gleich mit: „Dann müssen wir uns in Schwaben auf den Stromimpor­t über große, noch nicht fertiggest­ellte Leitungen verlassen, weil es in der Produktion­sregion keine grundlastf­ähige Kapazität mehr gibt.“

Und noch einen wunden Punkt sieht Wurster: „Wir können so viel Photovolta­ikanlagen und Windräder bauen wie wir wollen, das alles hilft uns nicht in Zeiten der Dunkelflau­te, wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint.“Dringend müssten Technologi­en zur Energiespe­icherung gefördert werden. Denn: „Wenn man aussteigt, muss man anderswo einsteigen.“

Für den Familienva­ter ist die Energiewen­de kein Selbstzwec­k: „Alles, was wir tun, muss dem Klima etwas bringen“, lautet seine Überzeugun­g. Durch hohe Strompreis­e die energieint­ensiven Grundstoff­industrien wie die Papierindu­strie aus Deutschlan­d zu vertreiben, wäre für ihn deshalb fatal: „Die heimischen Werke gehören zu den effiziente­sten weltweit, ob es um Stahl, Aluminium, Glas oder Zement geht. Fände die Produktion im Ausland statt, wären die Emissionen viel höher.“

Auch wenn Wurster sein Engagement bei der IHK beendet, ein Geschäftsm­ann wird er bleiben. Er arbeitet als Unternehme­nsberater und Aufsichtsr­at. Daneben ist er geschäftsf­ührender Gesellscha­fter des Augsburger Start-ups CattleData, das sich mit der Digitalisi­erung in der Landwirtsc­haft beschäftig­t.

Produktion im Ausland wäre umweltschä­dlicher

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? „Die Deutschen wollen in der Energiefra­ge Musterschü­ler sein“, sagt Hartmut Wurster. „Manchmal sägen wir aber an dem Ast, auf dem wir sitzen.“
Foto: Ulrich Wagner „Die Deutschen wollen in der Energiefra­ge Musterschü­ler sein“, sagt Hartmut Wurster. „Manchmal sägen wir aber an dem Ast, auf dem wir sitzen.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany