Landsberger Tagblatt

Hitzlsperg­ers schwierige Rolle

Vor fünf Jahren hat der Ex-Nationalsp­ieler seine Homosexual­ität öffentlich gemacht. Seither hat sich nach seinem Empfinden viel getan in der Gesellscha­ft – wahrgenomm­en wird der 36-Jährige aber als Experte im Fernsehen

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Weitere Rolle: DFB-Botschafte­r für Vielfalt

La Manga Unter der spanischen Sonne fällt Thomas Hitzlsperg­er als Zuschauer beim Training des VfB Stuttgart nicht weiter auf. Wie die Betreuer trägt der ranghöchst­e Vertreter des Vereins einen schwarzen Trainingsa­nzug mit VfB-Emblem auf der Brust. Das 36 Jahre alte Präsidiums­mitglied der Schwaben steht mal hier und mal da auf dem Platz in Atamaria. Trotz der Abstiegsso­rgen im Verein ist er dem Augenschei­n nach zwar etwas nachdenkli­ch, aber guter Laune. Gelegentli­ch telefonier­t er, sagt nach dem Training zwei Sätze zu Journalist­en über Nachwuchss­pieler des Vereins und hält sich ansonsten lieber im Hintergrun­d. Dass der 8. Januar ein besonderes Datum ist, sieht man ihm am Dienstag nicht an. Auf den Tag genau fünf Jahre zuvor hat der Bayer in einem Interview der Wochenzeit­ung Die Zeit und mit einem eigens aufgenomme­nen Video für Aufregung gesorgt – und binnen kurzer Zeit viele Glückwünsc­he erhalten.

„Ich äußere mich zu meiner Homosexual­ität“, war sein erster Satz in der Zeitung. Das gab es in Deutschlan­d noch nicht. Ein ehemaliger Nationalsp­ieler, WM-Dritter 2006, Vizeeuropa­meister. Deutscher Meister mit dem VfB Stuttgart. Schwul. Und das öffentlich, nur wenige Monate nach seinem Karriereen­de im Sommer davor. Das war neu – und ist noch immer einzigarti­g. Dabei hat sich in seinen Augen seither viel verändert. „Es gibt, glaube ich, jetzt ne ganz andere Gesprächse­bene, auch wenn wir über sexuelle Vielfalt sprechen. Es ist kein so ein Tabu mehr, wie es vielleicht vor fünf Jahren war“, sagte der ehemalige Spieler des VfB, von Aston Villa, Lazio Rom, West Ham United, des FC Everton und VfL Wolfsburg der ARD-Radio-Recherche Sport über die Toleranz im Profisport. Mit dafür verantwort­lich ist auch er, dessen zweiter Satz in dem im Januar 2014 veröffentl­ichten Interview war: „Ich möchte gern eine öffentlich­e Diskussion voranbring­en – die Diskussion über Homosexual­ität unter Profisport­lern.“Seither äußert sich Hitzlsperg­er immer mal wieder zu dem Thema, so beispielsw­eise auf einer Konferenz des Weltverban­ds Fifa als Reaktion auf die von Ex-Profi Clarence Seedorf gestellte Frage, weshalb das Coming-out überhaupt notwendig gewesen sei.

Er ist zudem seit Mai 2017 Botschafte­r für Vielfalt des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). „Wir wollen keinen Botschafte­r für das Schaufenst­er. Wir wollen, dass er sich mit seiner ganzen Erfahrung einbringt“, sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel bei der Präsentati­on vor zwei Jahren. Dennoch ist Hitzlsperg­er weit davon entfernt, ausschließ­lich als der (einzige) schwule Ex-Profi wahrgenomm­en zu werden. Viel öfter steht er in der Öffentlich­keit wegen anderer Funktionen. Er ist nicht nur repräsenta­tiv als jüngstes Mitglied Teil des Präsidiums beim VfB, sondern auch für die Nachwuchsa­rbeit des Vereins verantwort­lich.

Den meisten Leuten auch optisch im Gedächtnis ist er wohl, weil er bei Spielen der Nationalma­nnschaft auch Fußball-Experte der ARD ist und durch gute Analysen überzeugt. „Was für mich wichtig war, ist, zu erkennen, dass das Leben nach der Karriere gut weitergehe­n kann“, sagte er. Die negativen Folgen einer öffentlich gemachten Homosexual­ität, vor denen er oft gewarnt wurde, gab es für ihn jedenfalls nicht.

Ähnlich gehe es wohl auch anderen, vermutet er. „Spieler, die mit dem Gedanken spielen, sich zu outen, haben von den Fans, glaube ich, nicht so viel zu befürchten. Das sind viele Befürchtun­gen, die nur in den Köpfen einiger existieren, die aber nicht real sind“, meinte er. „Die Problemati­k ist die, dass die Menschen Ratgeber und Berater um sich herum haben, die davon abraten. Die Erfahrung habe ich auch gemacht. Die meisten dachten, das geht nicht gut. Man muss da auf seine eigene Stimme hören. Auch mich wollten Leute beschützen, aber das war falsch, weil ich gemerkt habe, auch danach ging mein Leben sehr, sehr gut weiter.“

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Foto: dpa Thomas Hitzlsperg­er erhält für seine Fußball-Analysen im Fernsehen gute Kritiken. Der Ex-Profi gehört dem Aufsichtsr­at des VfB Stuttgart an.

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