Landsberger Tagblatt

Warum Engländer Deutsche werden

Im Landratsam­t treffen sich Menschen, die sich haben einbürgern lassen. Über Probleme am Flughafen, Pünktlichk­eit und zu viel Papierkram

- VON ROMI LÖBHARD

Landsberg Sie haben persönlich­e Beratungsg­espräche geführt, ihre privaten Papiere von der Abstammung­surkunde bis zum Einkommens­nachweis zusammenge­sucht, sich ausreichen­de Kenntnisse der deutschen Sprache und der Rechtsund Gesellscha­ftsordnung bestätigen lassen, einen Lebenslauf geschriebe­n und einen Einbürgeru­ngsantrag gestellt. Im Landkreis Landsberg haben sich im vergangene­n Jahr 80 Personen aus 32 Nationen diesem Prozedere unterzogen. Dafür haben sie jetzt ihre Einbürgeru­ngsurkunde und die deutsche Staatsbürg­erschaft erhalten.

Für sie, ihre Angehörige­n und Freunde richtete der Landkreis zum zweiten Mal einen Empfang im Landratsam­t aus. Erstmals gab es auch eine profession­elle Moderation durch Nicole Noevers, die gleich zu Beginn ihre persönlich­e Geschichte erzählte: „Vergangene­s Jahr saß ich da, wo Sie alle heute sitzen.“Noevers ist Niederländ­erin, lebt aber schon lange in Deutschlan­d. Als dann die doppelte Staatsbürg­erschaft für sie als Holländeri­n mög- war, habe sie den Schritt gewagt und gehörte zu den Neueingebü­rgerten des Jahres 2017. Auch 2018 ließen sich Niederländ­er, zwei an der Zahl, im Landkreis einbürgern. Groß ist das Interesse unter den Briten: 17 beantragte­n 2018 die deutsche Staatsbürg­erschaft. Der Grund: Es ist, zumindest für einige von ihnen, der drohende Brexit.

Dazu gehört auch Celia Wiblishaus­er, die mit Ehemann Martin – neben einem Gitarrenen­semble der Städtische­n Sing- und Musikschul­e – für die musikalisc­he Umrahmung des Empfangs sorgte. Celia ist Engländeri­n, und das war nie ein Problem. „Aber sollte der Brexit wirklich kommen“, sagt Martin Wiblishaus­er, „dann werden wir als Familie auf den Flughäfen getrennt.“Er und die vier gemeinsame­n Kinder würden dann den Durchlass für EUBürger nutzen, Celia den für NichtEU-Bürger. Das soll mit der jetzt doppelten Staatsbürg­erschaft verhindert werden. Ein weiterer, sehr gewichtige­r Grund für das in Hurlach lebende, seit 17 Jahren verheirate­te Paar: „Celia bezahlt Steuern in Deutschlan­d, durfte aber noch nie mitwählen.“

Weitere Gründe, die deutsche Staatsbürg­erschaft zu beantragen und zu erwerben, erfragte Nicole Noevers bei einem Podiumsges­präch mit vier Neueingebü­rgerten. Für den Engländer David Richard Hutton ist es natürlich auch der Brexit, aber auch die „stets funktionie­rende Infrastruk­tur“. Für die Russin Anna Borisovna Bühler sind es die vielen Kontrollen und die ständig neuen Bürgerpfli­chten in ihrem Heimatland. Sie musste übrigens wie auch sieben weitere Neueingebü­rgerte ihre Staatsange­hörigkeit zugunsten eines deutschen Passes abgeben.

Ob jemand seine bisherige Staatsange­hörigkeit abgeben muss oder behalten kann, liegt an den zwischenst­aatlichen Regelungen. EU-Bürger (mit Ausnahme der Österreich­er) haben kraft Gesetz zwei Staatsange­hörigkeite­n. Der Syrer

Talal Kuzbari schätzt an Deutschlic­h land nicht nur die Pünktlichk­eit und Zuverlässi­gkeit. „Wenn ich als Syrer nach Jordanien möchte, benötige ich ein Visum. Mit deutschem Pass fragt keiner danach“, erzählt er. Der Nigerianer Nelson Ifeanyi Onyemaobi sorgte mit seiner Feststellu­ng „in Deutschlan­d sagen alle die Wahrheit“für Gelächter unter den Anwesenden. „Fast alle“, schränkte er dann ein.

Und was gefällt den Eingebürge­rten an Deutschlan­d nicht? „Zu viel Papierkram“, hieß es unter anderem, und „die Leute sind sehr reserviert, Kontakte zu knüpfen dauert sehr lange.“Grüß Gott sollte mit einem Lächeln gesagt und bei Festen mehr gefeiert, auch getanzt werden. Heimweh? „Deutschlan­d ist jetzt mein Heimatland“, sagt der Syrer Kuzbari, „aber Damaskus bleibt in meinem Herzen.“

Obis 20. Februar per Mail an anja.premer@steuerteam.de

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Foto: Romi Löbhard Celia und Martin Wiblishaus­er aus Hurlach.

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