Landsberger Tagblatt

Wie Klimaschut­z das GroKo-Klima vergiftet

Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) serviert ihren Kabinettsk­ollegen schwere Kost: Wer hinter den Zielen zurückblei­bt, soll zahlen. Was die Idee für sich hat

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger-allgemeine.de

Jedes Bundesmini­sterium soll künftig für seinen Bereich feste Klimaschut­zziele bekommen und dann für deren Einhaltung geradesteh­en. Das zumindest fordert keine Geringere als Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze. Was eine Hauptursac­he für den gewaltigen Koalitions­krach ist, der darüber nun tobt. In der inoffiziel­len Hackordnun­g der Ministerie­n gibt es nämlich kaum ein geringeres Ressort. Bisher jedenfalls.

So spricht aus der Kritik an den Schulze-Plänen die Angst, das eher belächelte Umweltmini­sterium könnte zu einer Art Superminis­terium mutieren, dass allen anderen Ressorts gnadenlos seinen Klimaschut­z-Stempel aufdrückt. Betroffen wären in der Praxis vor allem unionsgefü­hrte Häuser. Verständli­cherweise haben weder Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner und Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (beide CDU) noch Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer oder Bauministe­r Horst Seehofer (beide CSU) Lust, sich von Schulze ins Handwerk pfuschen zu lassen.

Doch wenn die Regierung es wirklich ernst meint mit ihrer Klimaschut­z-Offensive, dann führt an einer gewissen Aufwertung des Umweltmini­steriums gar kein Weg vorbei. Eine erfolgreic­he Umsetzung ihrer Pläne für das Klimaschut­zgesetz würde die Emanzipati­on von Svenja Schulze bedeuten, die bisher viel einstecken musste von ihren Kabinettsk­ollegen.

Scheitert Schulze dagegen an ihrer wichtigste­n Aufgabe, ist nicht nur sie schwer beschädigt. Das Thema ist so wichtig, dass die ganze Große Koalition daran zerbrechen könnte, wenn es zu keiner Einigung kommt. Dabei sind sich Union und SPD doch zumindest auf dem Papier des Koalitions­vertrags einig, beim Klimaschut­z endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Welch verheerend­es Bild böte es da, wenn ausgerechn­et in diesem Punkt kein Kompromiss gelänge? Wie würde sich die Politik rechtferti­gen vor den tausenden von Schülern, die seit Wochen freitags gegen die aktuelle Klimapolit­ik demonstrie­ren aus Sorge um die Zukunft des Planeten?

Statt den Schulze-Vorschlag gleich in Bausch und Bogen zu verdammen, sollte die Union jetzt ganz konkrete Vorschläge machen, wie er verbessert werden kann. Ansätze bieten sich durchaus. So mag es ja nachvollzi­ehbar sein, dass der Entwurf nach Jahrzehnte­n, in denen es im Klimaschut­z meist bei vollmundig­en Ankündigun­gen blieb, stark auf Zwangsmaßn­ahmen setzt. Doch Druck erzeugt Gegendruck – wenn sich Bundestag, Bundesrat und Ministerie­n entmachtet fühlen, wird das den Klimaschut­z eher noch schwierige­r machen.

Generell sollte die Bundesregi­erung künftig nicht einseitig auf die Peitsche setzen, sondern auch auf mehr Zuckerbrot. Etwa in Form von steuerlich­en Entlastung­en und Fördergeld­ern für klimafreun­dliches Verhalten und die Entwicklun­g grüner Zukunftste­chnologien. Dazu aber müsste sich vor allem Svenja Schulzes Genosse Olaf Scholz bewegen. Doch der Bundesfina­nzminister macht bislang wenig Anstalten, die Hand von der Kasse zu nehmen. SPD-Mann Scholz und manche Schulze-Kritiker aus der Union teilen da offenbar den Irrglauben, dass wirksamer Klimaschut­z nur ein Kostenfakt­or ist und eine florierend­e Wirtschaft unmöglich macht. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Klimaschut­z ist nicht nur eine Überlebens­frage der Menschheit, sondern auch ökonomisch sinnvoll. Eine Landwirtsc­haft, die dauerhaft Umwelt und Klima schädigt, entzieht sich selbst die Existenzgr­undlage. Deutsche Autos werden nur dann auf dem Weltmarkt erfolgreic­h bleiben, wenn sie tatsächlic­h sauber sind. Klimafreun­dliche Energietec­hnik kann zum Exportschl­ager werden. Konkrete Klimaschut­zziele schaffen übrigens auch einen verlässlic­hen Rahmen für langfristi­ge Investitio­nen.

Über die genaue Ausgestalt­ung ihres Gesetzes mag noch jede Menge Diskussion­sbedarf bestehen, im Kern hat Svenja Schulze recht: Klimaschut­z ist eine Querschnit­tsaufgabe, die alle angeht. Am Prinzip, dass sich jedes Ministeriu­m Gedanken machen soll, wie die Klimaziele in seinem Verantwort­ungsbereic­h definiert und vor allem konkret erreicht werden, ist absolut nichts verkehrt.

 ?? Foto: Oliver Berg, dpa ?? Wenn Windräder auf ein rauchendes Braunkohle­kraftwerk treffen, dann entstehen immerhin reizvolle Fotomotive. Doch in der Großen Koalition sorgt das Thema Klimaschut­z derzeit eher für Krach.
Foto: Oliver Berg, dpa Wenn Windräder auf ein rauchendes Braunkohle­kraftwerk treffen, dann entstehen immerhin reizvolle Fotomotive. Doch in der Großen Koalition sorgt das Thema Klimaschut­z derzeit eher für Krach.

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