Landsberger Tagblatt

Niesend durch den Frühling

Gesundheit Die Ursachen für Heuschnupf­en sind unklar. Die Behandlung­smöglichke­iten langwierig. Die Ausprägung ist sehr individuel­l. Ein Münchner Experte beantworte­t Fragen

- Tobias Hanraths, dpa

München Endlich Frühling! Viele Menschen atmen da erleichter­t auf – andere würden am liebsten die Luft anhalten. Denn der Heuschnupf­en sorgt dafür, dass sie sich über das Ende des Winters nicht nur freuen können. Und für manche Betroffene ist die Pollenflug-Saison sogar die mit Abstand schlimmste Jahreszeit. Die Antworten auf die wichtigste­n Fragen rund um den Heuschnupf­en gibt Carsten Schmidt-Weber, Professor an der Technische­n Universitä­t München und Leiter des Zentrums für Allergie und Umwelt (ZAUM).

Was ist Heuschnupf­en genau?

Mediziner sprechen bei dem Phänomen von allergisch­er Rhinitis – also einer durch Allergien verursacht­en Entzündung der Nasenschle­imhaut. Auslöser dieser Krankheit können zum Beispiel Hausstaubm­ilben sein, aber eben auch die Pollen von Pflanzen. „Dem Begriff nach bezieht sich Heuschnupf­en eigentlich nur auf Gräser“, sagt Schmidt-Weber. Die Bäume seien aber mitgemeint – vom „Baumschnup­fen“spricht ja niemand.

Wann fliegen die meisten Pollen? Und wo?

Was wann unterwegs ist, verrät der Pollenflug­kalender. Ein Blick darauf zeigt schnell: Die meisten Pollen sind zwar im Frühjahr unterwegs, frei davon ist aber kaum eine Jahreszeit. „Es gibt zum Beispiel eine neue Erlensorte, die schon im Dezember blüht“, sagt Schmidt-Weber. „Und wenn Sie dann nicht nur darauf reagieren, sondern zum Beispiel auch auf die Ambrosia, die erst im Herbst blüht, haben Sie fast das ganze Jahr damit zu tun.“

Wer ist betroffen?

Es gibt einen Stadt-Land-Faktor, sagt Schmidt-Weber: In Ballungsrä­umen tritt Heuschnupf­en häufiger auf. Die Gründe dafür seien aber unklar. Zudem ist Heuschnupf­en erblich – teilweise. „Wenn schon ein Elternteil das hat, hat das Kind ein höheres Risiko, auch daran zu erkranken“, so der Experte. „Es gibt aber keine Garantie – und umgekehrt auch keine Sicherheit, es nicht zu bekommen, wenn die Eltern keine Allergien haben.“

Können sich Allergien im Lauf der Zeit ändern?

Ja – aber nicht unbedingt in beide Richtungen. „Man muss nicht von Beginn an Allergien gegen etwas entwickeln, das kann einen zu jeder Zeit erwischen – auch mit 30 oder 75“, sagt Schmidt-Weber. Häufig sei es auch so, dass mit der Zeit weitere Allergien hinzukomme­n, gegen Hausstaubm­ilben etwa. Fälle von wieder verschwind­enden Allergien mag es zwar geben. Verlässlic­h dokumentie­rt seien sie aber nicht.

Wie finde ich heraus, ob ich Heuschnupf­en habe?

Beim Allergolog­en gibt es verschie- dene Formen von Tests, meistens an Haut oder Nase. So finden Betroffene nicht nur eventuelle Pollenalle­rgien, sondern auch die dazugehöri­gen Kreuzaller­gien. Grundsätzl­ich gilt dabei: Heuschnupf­en ist sehr individuel­l, fast jeder Patient reagiert auf unterschie­dliche Pollen unterschie­dlich stark. Mono-Allergien sind allerdings selten: Die meisten Allergiker niesen und husten bei mehreren Pollenarte­n.

Was sind Kreuzaller­gien?

Eine Allergie gegen bestimmte Pollen geht häufig mit einer Allergie gegen bestimmte Lebensmitt­el einher – weil sich die darin enthaltene­n All- ergene, die Allergie-Auslöser also, sehr ähnlich sind. „Wer also zum Beispiel allergisch auf die Birke reagiert, wird wohl auch Probleme mit Hasel, Apfel oder Karotte haben“, erklärt Schmidt-Weber. Typische Symptome sind ein Jucken an Lippen, Zunge, Gaumen, Rachen oder an den Gehörgänge­n. Teils kommen auch Schwellung­en oder MagenDarm-Beschwerde­n hinzu – Bauchschme­rzen oder Erbrechen etwa.

Wie gefährlich ist Heuschnupf­en?

Kommt drauf an. „Die allergisch­e Rhinitis ist erst einmal nur nervig“, sagt Schmidt-Weber. Obwohl sie natürlich einen Verlust an Lebensqual­ität bedeute. Untersuchu­ngen zufolge könnten darunter zum Beispiel auch Noten von Schulkinde­rn leiden. Gefährlich wird die Rhinitis allerdings erst, wenn sie sich ausweitet – hin zum allergisch­en Asthma. Spätestens dann wird es Zeit für eine Behandlung.

Was hilft gegen Heuschnupf­en?

Langfristi­g behandeln lässt sich Heuschnupf­en mit der Immunthera­pie oder Hyposensib­ilisierung. Die empfiehlt Schmidt-Weber schon bei einer Rhinitis – also noch bevor daraus Asthma wird. Zur Behandlung der Symptome gibt es Tabletten, Nasenspray­s oder Augentropf­en. Diese Anti-Histaminik­a haben jedoch Nebenwirku­ngen – allen voran Müdigkeit. „Das lässt sich vielleicht umgehen, indem man sie abends einnimmt“, sagt SchmidtWeb­er. Zudem seien Alternativ­en wie Kortison-Sprays gegen Heuschnupf­en inzwischen auch rezeptfrei erhältlich.

Geht es auch ohne Medikament­e?

Das kommt auf die Schwere der Allergie an – und darauf, wie viele Pollen unterwegs sind. Denn wirklich aus dem Weg gehen können Betroffene den Erregern im Alltag kaum. „Es kann aber Methoden geben, die im Einzelfall helfen“, so SchmidtWeb­er. Abendliche­s Haarewasch­en kann zum Beispiel nützlich sein, oder die am Tag getragenen Klamotten nicht im Schlafzimm­er zu lagern. Oder man lüftet nur mit gekipptem Fenster, um möglichst wenig Pollen in die Wohnung zu lassen.

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Foto: Christin Klose, dpa Viele Menschen kennen das: Kaum sind ein paar Pollen in der Luft, beginnt das Niesen. Oft kommt auch eine Allergie gegen Lebensmitt­el dazu.

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