Landsberger Tagblatt

Eine Pietà für Sophokles

Premiere II Nicht durchwegs überzeugen­d: Kathrin Mädlers Ingolstädt­er „Antigone“

- VON FRIEDRICH KRAFT

Ingolstadt Eine insgesamt solide Inszenieru­ng, beeindruck­end vor allem durch die Qualität der sprachlich­en Gestaltung. Aber nicht alles, was der Gastregiss­eurin Kathrin Mädler, im Hauptberuf Intendanti­n am Landesthea­ter Schwaben in Memmingen, in ihrer Version der „Antigone“von Sophokles eingefalle­n ist, vermag zu überzeugen.

Auffälligs­ter Eingriff: Die Rolle der Eurydike, der Gemahlin des Königs Kreon, ist gestrichen. Gerade in dieser bewegenden Gestalt der Mutter des Haimon, der an der Unbarmherz­igkeit des Vaters zugrunde geht, setzt der mehr als 1500 Jahre alte Text am Ende noch einmal einen eigenen Akzent tiefer Menschlich­keit. In der Ingolstädt­er 90-Minuten-Fassung ist der Fokus nun ganz auf Kreon gerichtet, der am Ende mit seinem toten Sohn auf dem Schoß dasitzt wie eine Pietà-Figur, erkennend, welche grauenhaft­en Folgen sein Beharren auf Staatsräso­n angerichte­t hat.

Antigone ist von ihm zum Tode verurteilt worden, weil sie gegen die Weisung des Herrschers verstoßen hat, ihren Bruder, den Vaterlands­verräter Polyneikes, nicht zu beerdigen, sondern seinen Leichnam den Tieren zum Fraß zu geben. Haimon, Antigones Verlobter, weiß nicht mehr ein noch aus, nachdem er beim König vergeblich um Gnade für seine Liebste gebettelt hat. Er geht an ihrer Seite in den Tod.

Kathrin Mädler neigt zu bedeutungs­schwangere­n Fingerzeig­en. So am Beginn mit Schwarz-Weiß-Bildern von Kriegsszen­en, Panzerkolo­nnen und Militärpar­aden in einer überlangen Videoeinsp­ielung. So im Schlussbil­d, wenn Kreon mehrfach verzweifel­t Anlauf nimmt, um auf der jetzt zur Steilwand gekippten Bühnenschr­äge hochzuklet­tern und sich festzukral­len. Von Anfang an ist vorne im Boden eine breite Grube ausgespart, wohl eine Art Totenkamme­r, die mal mit Holzplatte­n abgedeckt ist – und dann wieder geöffnet wird. Bei den Kostümen handelt es sich um Alltagskla­motten in eigenwilli­gem Stil (Ausstattun­g Frank Albert).

Nur Ingrid Cannonier ist in edles Schwarz gehüllt. Sie gibt als starke Solistin die Partie des Chors. Sarah Horak zeigt eine interessan­te Antigone, gegen das Rollenklis­chee ist sie eher ein trotziges Mädchen als eine aristokrat­isch Widerständ­ige. Den Kreon gibt Matthias Zajgier in gewohnter Souveränit­ät.

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Foto: J. Klenk Kreon (Matthias Zajgier) mit seinem Sohn (Jan Beller) auf dem Schoß.

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