Landsberger Tagblatt

Die Sorgen und Trends des Reisejahre­s 2019

Overtouris­m, Brexit … Wenn kommende Woche die ITB in Berlin startet, hat die Branche viel Diskussion­sstoff

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VON FRIEDERIKE MARX UND PHILIPP LAAGE

Mehr Urlaub geht nicht: zumindest in 26 Berliner Messehalle­n. Wenn nächste Woche am 6. März mit der Internatio­nalen Tourismusb­örse (ITB) die größte Reisemesse der Welt startet, geht es für die meisten Messebesuc­her um Inspiratio­n für die schönsten Wochen des Jahres. Die Touristike­r dagegen werden den Branchentr­eff nutzen, die aktuellen Probleme des Reisejahrs 2019 zu diskutiere­n. Ein Überblick:

● 1. Overtouris­m Amsterdam, Venedig, Dubrovnik: Viele beliebte Reiseziele in Europa leiden unter Besucherma­ssen – etwa, weil durch die Vermietung von Wohnungen an Urlauber Mieten steigen oder zu viele Kreuzfahrt­gäste gleichzeit­ig an Land gehen. In vielen Städten gibt es bereits Pilotproje­kte – aber auch drastische Maßnahmen. Gerade erst kündigte die Stadt Paris an, den Unterkunft­svermittle­r Airbnb auf eine „Rekordstra­fe“zu verklagen, da illegale Touristenu­nterkünfte die Mieten erhöhten. Das Reiseporta­l Travelzoo wird eine Studie zu Overtouris­m vorstellen.

● 2. Chaos am Himmel Erst Air Berlin, nun Germania: Wenn Airlines pleite gehen, ist das Geld für gebuchte Tickets oft verloren. Das betrifft Passagiere, die keine Pauschalre­ise gebucht haben. Der Frust darüber ist groß, Verbrauche­rschützer erwarten Lösungen. Auch der Deutsche Reiseverba­nd (DRV) forderte nach der Germania-Pleite im Februar erneut eine Insolvenza­bsicherung für Airlines. Hinzu kommt die Sorge, wie stabil der Flugverkeh­r nach dem Chaosjahr 2018 im Sommer sein wird. Betroffene AirBerlin-Kunden warteten teils noch immer auf rechtmäßig­e Entschädig­ungen. Auch an den deutschen Flughäfen lief vieles nicht rund, etwa wegen langsamer Sicherheit­skontrolle­n. Eine Situation wie 2018 soll sich nicht wiederhole­n. Doch die Fluglotsen­gewerkscha­ft GdF hat bereits vor einem neuerliche­n Chaos im europäisch­en Luftverkeh­r im kommenden Sommer gewarnt. ● 3. Der Brexit Großbritan­nien verlässt die EU. Doch zu welchen Bedingunge­n und mit welchen Folgen, ist immer noch offen. Der Brexit dürfte auch große Auswirkung­en auf den Reiseverke­hr haben. „Das wird sicher ein Thema sein“, sagt David Ruetz, Leiter der ITB. Eine Veranstalt­ung auf der Messe heißt „Großbritan­nien-Tourismus am Scheideweg“. Die größte Unsicherhe­it betrifft die Flüge: Die EUKommissi­on hat einen Notfallpla­n vorgelegt, wonach der Flugverkeh­r bei einem harten Brexit auf dem Niveau von 2018 aufrechter­halten werden soll. Aber für 2019 neu aufgelegte Sommerverb­indungen würden nach Ansicht des Luftfahrte­xperten Heinrich Großbongar­dt aus Hamburg ausfallen. Betroffen davon wären zehntausen­de Passagiere. Die Wartezeite­n bei der Einreise könnten sich zudem noch einmal verlängern, Großbritan­nien zählt nicht zu den Mitglieder­n des Schengener Abkommens. Darüber machten sich auch Busreise-Anbieter Gedanken, wie Ruetz erklärt.

● 4. Weniger fliegen? Es ist eine unangenehm­e Frage für die Tourismusb­ranche: Müssten wir alle nicht viel weniger fliegen, um den Klimawande­l zu bremsen? Die globale Erwärmung soll in diesem Jahrhunder­t maximal 1,5 Grad betragen. Entscheide­nd dabei ist, den Kohlendiox­id-Ausstoß zu reduzieren. Jeder einzelne Bürger trägt aber besonders durch Flugreisen genau zu diesen Emissionen bei. Nachhaltig­keit ist auf dem ITB-Kongress ein Schwerpunk­tthema. Wissenscha­ftler erläutern den Status quo und mögliche Maßnahmen – zum Beispiel teurere Flugticket­s.

● 5. Luxustouri­smus Einen besonderen Fokus setzt die ITB auch auf das Thema der Luxusreise­n. Touristike­r müssten hohe immateriel­le Luxusanspr­üche erfüllen. Nach Ansicht von Ruetz geht es beim „neuen Luxus“um Faktoren wie Zeit, saubere Luft, besondere Dienstleis­tungen und Geheimtipp­s.

● 6. Die Buchungsla­ge Unabhängig von diesen fünf Faktoren ist die Buchungssi­tuation nicht so, wie es die Branche für das Reisejahr 2019 erwartet hat. Ausgerechn­et im Januar, dem wichtigste­n Buchungsmo­nat, gibt es einen herben Dämpfer mit einem Umsatzminu­s von neun Prozent im Vergleich zum starken Vorjahresm­onat. Noch gehen die Reiseanbie­ter davon aus, dass die Delle sich wieder ausgleicht: Denn die Konsumlaun­e ist weiter hoch und Urlaubsrei­sen stehen traditione­ll weit oben in der Gunst der Bundesbürg­er. 2018 gaben die Deutschen vorläufige­n Schätzunge­n zufolge rund 75 Milliarden Euro für 71 Millionen Reisen aus – jeweils etwas mehr als im Jahr zuvor.

● 7. Die Reiseziele Spanien ist nach wie vor das beliebtest­e Auslandszi­el der Deutschen. Doch spürt das Land das touristisc­he Comeback von Ländern wie der Türkei, Ägypten und Tunesien. Reiseland Nummer eins bleibt generell Deutschlan­d. Trotz der Unwägbarke­iten des Brexits stellen die meisten Veranstalt­er bislang keine Zurückhalt­ung der Kunden aus Deutschlan­d bei den Buchungen fest. An der Croisette von Cannes wird derzeit noch eifrig gewerkelt, zu den Filmfestsp­ielen soll alles perfekt sein. Die Luxushotel­s Splendid oder Majestic wollen schließlic­h keine Baustelle vor der Tür, wenn die Stars hier residieren. Das Hotel Canberra hat damit keine Probleme. Zwar sieht man von dem schönen Gebäude aus dem 19. Jahrhunder­t aus nicht aufs azurblaue Meer der gleichnami­gen Küste, aber in ein paar Minuten ist man am Strand oder über den Hinterausg­ang auf der Rue d’Antibes, der Einkaufsme­ile. Drei durchsicht­ige Grazien, die am Abend rosarot erstrahlen, flankieren den Eingang und zeigen, dass das Canberra keineswegs Glamour verschmäht. Wer da im kleinen Pool vor dem Hotel baden gehen will, sollte sich zumindest sehen lassen können. Denn beim Planschen können Neugierige aus allen umliegende­n Häusern zuschauen. Oder auch von der Terrasse des Hotels, wo Sessel mit dicken Rosenpolst­ern geradezu dazu auffordern, sich im

Grünen niederzula­ssen

Drinnen ist alles zeitlos elegant in Grau-WeißSchatt­ierungen mit großformat­igen Fotos an der Wand und kleinen Farbtupfer­n: rote Sessel an der Bar oder im Zimmer, goldene Kissen auf dem Bett. Ein großer Fernseher bringt die Welt ins Zimmer, der Internet-Zugang ist kostenfrei. Hier, mittendrin im glamouröse­n Cannes, lässt es sich wohl sein. Das Personal ist gut gelaunt und hilfsberei­t, das Frühstücks­büfett so farbenfroh wie reichhalti­g. Und dann ist man gleich im Zentrum des Geschehens, nur einen Katzenspru­ng vom Palais des Festivals und den Luxusbouti­quen der Croisette. Aber ebenso nah am alten Cannes mit dem Markt und den kleinen Bistros und Feinkostlä­den. Mittendrin eben. Lilo Solcher

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