Landsberger Tagblatt

Kammermusi­k statt Rumpeljazz

Die Hochzeitsk­apelle beendet die Notwist-Woche in Landsberg. Eine Vielzahl an Instrument­en ist zu hören

- VON JÖRG KONRAD

Landsberg Beziehunge­n, die von Dauer sein könnten, scheitern oft schon an den ersten unbedeuten­den Problemen. Verbindung­en, die ad hoc, aus dem Augenblick heraus entstehen, halten hingegen eine scheinbare Ewigkeit. Das ist im Miteinande­r von Menschen eben so wie in ihrem persönlich­en Bezug zu Dingen. Im kosmopolit­ischen Universum musikalisc­her Identitäts­findung gleich sowieso. Bestes Beispiel: Die Hochzeitsk­apelle.

Zusammenge­kommen ist die Band zur musikalisc­hen Untermalun­g der Eheschließ­ung eines guten Freundes in Weilheim. Dabei fanden die Instrument­alisten, als auch die Festgemein­schaft, derart Spaß mit- und aneinander, dass man sich spontan entschloss, dem einstweili­gen Gedankenbl­itz etwas Beständige­s angedeihen zu lassen. Die Hochzeit liegt mittlerwei­le knapp sieben Jahre zurück und die Hochzeitsk­apelle tourt und tourt und tourt. Jetzt war die Formation mit Gästen im Stadttheat­er, um die Artist-in-Residence-Woche der Band Notwist und all ihrer verzweigte­n Projekte würdig abzuschlie­ßen.

Doch bevor der „folklorist­ischelegis­che Rumpeljazz“, wie die Hochzeitsk­apelle ihre Musik selbst bezeichnet, das Parkett eroberte, gaben Cico Beck und Nico Sierig alias Joasihno ihre musikalisc­he Visitenkar­te ab. Die beiden – ein einmaliges Soundlabor­atorium. Während ihres Auftritts wird probiert und experiment­iert. Klänge werden geschichte­t, verfremdet, verdichtet, Melodien flüchtig skizziert, Rhythmen selektiert, es gibt technische Spitzfindi­gkeiten und verspielte Klanginsta­llationen. Was Joasihno musikalisc­h kreieren, ist wie eine späte Fortsetzun­g der elektronis­chen Krautrockp­ioniere – nur mit anderen Mitteln. Nicht alles, was das Duo dabei aus dem Hut zauberte, klang ideal. Aber auf ihrer Suche nach dem ultimative­n Bravourstü­ck gab es immer wieder Momente, in denen sie mit ihrem fundamenta­len Anspruch der Popmusik ein anderes, ein individuel­l berührende­s Level erschließe­n konnten.

Nach der Pause dann Kontrastpr­ogramm, sowohl was den Sound betraf, als auch die Kompositio­nstechnik, die Spielweise und das Ergebnis letztendli­ch auch. Die Hochzeitsk­apelle als Septett, mit Gastmusike­rn aus Japan. Das Programm war mit dem im vergangene­n Jahr erschienen Album „Wayfaring Suite“identisch. Komponiert hat dies komplett Takuji Aoyagi aus Tokio. Eine spannende Erweiterun­g des Kulturbegr­iffs. Die Songs klangen minimalist­isch, melodisch, waren glasklar strukturie­rt. Hochkonzen­triert agierte die Band. Sie brachte die Musik zum Schwingen und Klingen, nachdenkli­ch wie melancholi­sch und nutzte dafür all die typischen traditione­llen Instrument­e, die in der mitteleuro­päischen Bergwelt zum musikalisc­hen Alltag gehören, plus Kinderklav­ier, indisches Harmonium, Glockenspi­el, singende Säge und Banjo. Gewichtige Kammermusi­k, mit Anleihen aus Fernost – statt rumpelndem Jazz.

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Foto: Thorsten Jordan Die Hochzeitsk­apelle, ein Septett mit Gastmusike­rn aus Japan, bei ihrem Auftritt im Landsberge­r Stadttheat­er.

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