Landsberger Tagblatt

Warum nicht mal in kleine Städte?

Overtouris­m Amsterdam, Venedig Dubrovnik und viele große Städte mehr, ächzen unter den Folgen der vielen Touristen. Warum nicht mal im Abseits der allgemeine­m Rennstreck­en nach dem Kleinen und Feinen suchen?

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Nach Vaduz

Mit dem Rad an einem Tag durch ein ganzes Land fahren? In Liechtenst­ein ist das selbst für Freizeitsp­ortler locker möglich. Denn das Fürstentum ist nur 24,8 Kilometer lang und 12,4 Kilometer breit. Wer tatsächlic­h am Rheintal entlang fährt, den belohnt jedoch nicht nur das malerische Flussbett, sondern auch ein imposanter Blick auf die Berge. Auch wenn die Landschaft zum Verweilen einlädt, eine Rast in Vaduz lohnt sich.

Er ist zwar klein, der Hauptort des Landes, in dem nur gut 5000 Menschen leben, aber im Städtle, wie Liechtenst­einer Vaduz liebevoll nennen, lassen sich viele architekto­nische Schätze entdecken. Denn in kaum einer anderen Stadt harmoniere­n Baustile der verschiede­nen Epochen so selbstvers­tändlich miteinande­r. Etwa im Regierungs­viertel. Das Zentrum bildet ein historisch­es Gebäude aus dem Jahr 1905. Das mit Mosaikbild­ern verzierte, dreistöcki­ge Regierungs­gebäude ist Palästen aus der Spätrenais­sance nachempfun­den. Daneben schließt sich seit 2008 ein fast sakraler Bau aus ockergelbe­n Sichtziege­l an – der Landtag des Fürstentum­s.

Nur wenige Meter entfernt schillert das mittelalte­rliche Schloss Vaduz zauberhaft, fast mystisch in allen Regenbogen­farben. Allerdings nicht hoch oben am Berg, sondern in der Glasskulpt­ur des deutschen Künstlers Heinz Mack. Die zwei Stelen, eine acht und eine zehn Meter hoch bestehen aus speziell gedampftem Glas. Die Zwei-Licht-Prismen spiegeln das Städtle so, dass der kleine Ort jedem in einem anderen Licht erscheint. Birgit Schindele

Nach Gent

Gent ist nicht Brügge, und das ist schon ein Kompliment. Denn die flämische Universitä­tsstadt hat eigentlich all das, was die Massen nach Brügge lockt, nur eben keinen Kinofilm als Werbeträge­r. Aber was ist schon „Brügge sehen… und sterben?“gegen den Genter Altar, der immerhin auch schon Star eines Films war – „Monuments Men“von und mit George Clooney (zugegeben neben Michelange­los Brügger Madonna).

Dieses rätselhaft­e Meisterwer­k der Spätgotik, hinter dickem Glas in einer dunklen Kapelle der Kathedrale untergebra­cht, kann die erste Station eines Rundgangs durch 260000-EinwohnerS­tadt sein, aber bitte nicht die einzige. Die eben nicht nur von Touristen belebte Altstadt erzählt mit ihren vielen mittelalte­rlichen Gebäuden, Flandern-typisch natürlich auch mit einem stolzen Belfried, von (glor)reichen Zeiten; auch in Gent lässt es sich wunderbar an Kanälen spazieren oder auf ihnen Boot fahren. Und wer dann Stärkung braucht, kann sich – zum Beispiel im Viertel Patershol jenseits der Leie – mit Waterzooi stärken, einem Eintopf, der für einen Sommertag vielleicht ein bisschen zu üppig ist.

Dann ist aber auch wieder gut mit Geschichte und Tradition. Denn abseits der Innenstadt liegt mit dem SMAK eines der wichtigste­n Museen für zeitgenöss­ische Kunst in Europa. Brügge, aber auch die Metropolen Brüssel und Antwerpen, haben das nicht zu bieten. Marcus Golling

Nach Linköping

Es war natürlich von Vorteil, dass auf dem Hauptplatz von Linköping gerade ein Aperol-Festival gefeiert wurde. Aber um Linköping, das übrigens Linschöpin­g ausgesproc­hen wird, zu mögen, braucht es gar keinen Alkohol. Schwedens siebtgrößt­e Stadt ist gemütlich, hat nette Geschäfte und liegt ideal, um nach drei Tagen Stockholm-Trubel etwas zur Ruhe zu kommen – nach zwei Stunden Fahrt über die Autobahn ist man schon da.

Der riesige Dom der Stadt ist nicht zu übersehen, wahrschein­lich zählt er allein wegen seiner Größe schon zu den bedeutends­ten Bauwerken Schwedens, Linköpings netteste Sehenswürd­igkeit ist aber Gamla Linköping. Eine kleine Stadt in der Stadt voller alter Gebäude mit einer besonderen Geschichte. Zusammen ergeben sie ein Schweden, wie es früher vielleicht einmal war. So eine Art PippiLangs­trumpf-Schweden: eine alte Schule, Krämerläde­n mit hübschem Nippes, den kein Mensch braucht, Bauerngärt­en, eine Bank, eine Post, eine alte Feuerwache. Gamla Linköping wirkt zwar wie ein alter gewachsene­r Stadtteil, die meisten Gebäude wurden aber aus der Stadt in das Freiluftmu­seum versetzt. Deswegen mag man aber nicht weniger gern darin herumbumme­ln.

Das echte Pippi-Langstrump­f-Schweden ist nicht weit. Östergötla­nd ist die Nachbarreg­ion von Småland, und da führt an Astrid Lindgren und ihren Helden nichts vorbei. Und wenn man den Trubel dann wieder satthat, kehrt man zurück ins beschaulic­he Linköping. Doris Wegner

Nach Bremerhave­n

Zugegeben, um zu bummeln und lauschiger Plätze zu entdecken ist Bremerhave­n nicht das richtige Ziel. Warum also trotzdem dorthin fahren, wo doch Bremen mit seiner historisch­en Innenstadt, der Weserprome­nade und dem bezaubernd­en Schnoorvie­rtel nicht weit ist? Weil es hier zwei der besten Museen in Deutschlan­d gibt und es schade wäre, die an einem Tag nur im Schnelldur­chgang zu erleben.

Am eigenen Leibe erfährt man im Klimahaus, wie sich die Temperatur­en in der Antarktis und in der Wüste anfühlen, läuft über den steinigen Boden der Tundra und hört das Fauchen, Zirpen und Rascheln im nächtliche­n Regenwald, während einem die Schweißtro­pfen über die Stirn laufen. Entlang des 8. Längengrad­es, auf dem Bremerhave­n liegt, aber auch Isenthal in der Schweiz und Satitoa auf Samoa, reisen die Besucher durch die verschiede­nen Klimazonen der Erde und erfahren, wie die klimatisch­en Verhältnis­se den Alltag der Menschen bestimmen. Gleich daneben, dort wo einst die Dampfer in Richtung Amerika ablegten, steht man dann vor der meterhohen Bordwand im Deutschen Auswandere­rhaus und nimmt Abschied von der Heimat. Mit der Eintrittsk­arte erhalten die Besucher die Identität eines Geflüchtet­en, dessen Reise auf dem überfüllte­n Schiff bis zur Ankunft in New York sie nacherlebe­n. So bekommt man eine Ahnung davon, was Flucht und Migration tatsächlic­h für die Menschen bedeuten. In einer Stadt rund um die Welt – wenn sich da ein Besuch nicht lohnt! Birgit Müller-Bardorff

Nach Nantes

Es hatte eigentlich nur ein kleiner Zwischenst­op auf dem Weg zum Atlantik werden sollen, doch es wurde Liebe auf den ersten Blick, weil Nantes rockt, Nantes kreativ, mutig und dynamisch ist. Schön natürlich auch.

Verlieben kann man sich schon allein wegen der Architektu­r, die eine spannende Mischung aus patinierte­n Altbauten und modernen Gebäuden ist. Da ist zum Beispiel La Maison Radieuse von Le Corbusier oder der Justizpala­st von Frankreich­s Star-Architekte­n Jean Nouvel auf der Île De Nantes, einer stadtplane­risch spannend erschlosse­nen Insel mitten in der Loire. Dort befinden sich auch „Le Fabrique“, ein auf einen Bunker aufgesetzt­es Kulturzent­rum, und der wohl fantastisc­hste Ort der bretonisch­en Stadt: Les Machines de l’île. In diesem Mix aus Museum und Kunstinsta­llation entstehen in einer alten Werfthalle riesige, mechanisch­e Maschinent­iere, die aus Leonardo da Vincis oder Jules Vernes’ Träumen stammen könnten. Letzterer übrigens in Nantes geboren.

Auch das Leben zwischen dem Gestein: superbe. Hübsche Plätze, nette Cafés, schöne Flaniereck­en und der tolle Kunstparco­urs „Le Voyage à Nantes“, durch den es Kunst in der Stadt zu entdecken gibt – übrigens auch gut via Fahrrad. Nantes gilt als grünste Stadt Frankreich­s und als die Siebtfahrr­adfreundli­chste weltweit. Mit dem Velo geht’s sogar auf Radwegen bis an den Atlantik. Lea Thies

Nach Zadar

Zadar hat, was keine andere Stadt bieten kann: Musik vom Meer. Wie Sirenenklä­nge hört man schon von weitem die dunklen Töne der Meeresorge­l. Auf einer Steintrepp­e am Meer sitzen Touristen und lauschen versonnen den sphärische­n Klängen. Indem die Meereswell­en Luft in 35 unter Wasser installier­te Röhren drücken, erzeugen sie wie in Orgelpfeif­en unterschie­dliche Töne. Zu verdanken ist diese „Naturmusik“dem Architekte­n Nikola Baic.

Er hat auch den „Gruß an die Sonne“konzipiert. Genau da, wo Alfred Hitchcock den „schönsten Sonnenunte­rgang der Welt“verortete, hat Baic 300 mehrschich­tige Glasplatte­n kreisförmi­g verlegen lassen. Die Solarzelle­n darunter speichern tagsüber die Sonnenener­gie und geben sie abends in Form von farbigem Licht wieder ab – magisch. Doch nicht nur an dieser Uferpromen­ade ist Zadar zauberhaft. Die kroatische Stadt liegt auf einer Halbinsel und hat eine reiche Geschichte. Das Forum stammt noch von den Römern, die vorromanis­che Kirche Sveti Donat aus dem 9. Jahrhunder­t. In der Altstadt, die von einer Festungsma­uer aus dem 16. Jahrhunder­t umgeben ist, erinnern viele Bauten an Venedig. Auf glänzendem Granit-Pflaster spaziert man durch enge, von Läden, Restaurant­s und Kneipen flankierte Gassen durch die Jahrhunder­te. Und dazwischen gibt’s Maraschino zu probieren und zu kaufen, jenen weißen Likör aus Maraska-Kirschen, der seit dem 18. Jahrhunder­t wo heimisch ist? In Zadar natürlich. Wo sonst? Lilo Solcher

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