Damit die Ketten gelöst werden
Randerscheinungen Ausstellung und Performances mahnen ein respektvolles Miteinander an
Landsberg „Weil ich immer noch an das Gute im Menschen glaube“, schrieb Anne Frank am 15. Juli 1944. An ihr kurzes Leben erinnern Fotos, Zeichnungen und Notizen, die zusammen mit Bildern, Installationen und unterschiedlichen Objekten in der Ausstellung „Mensch, du hast Recht(e)“zu finden sind. Trotz Ferienbeginn und Fasching fanden dazu zahlreiche Besucher den Weg in die Säulenhalle. Im nachdenklichen Staunen, Ausprobieren, Anfassen und Mitmachen lässt sich das Gute erspüren, was den Menschen in all seiner Verschiedenheit ausmachen kann. Das Gute ist auch, wenn sich junge Menschen mit dem Projekt „Randerscheinungen“, das 2018 den Ellinor Holland Kunstpreis in der Kategorie Nachwuchs gewann, in einer bewundernswerten Ernsthaftigkeit mit Diskriminierung, Rassismus und Menschenrechten auseinandersetzen, um im Konsens ein respektvolles Miteinander zu finden.
Nicole Broder, Sprecherin der Bildungsstätte Anne Frank, gab einen Einblick in das Gesamtkonzept der in drei Stationen aufgeteilten Schau, die eine stimmige Einheit bildet. Kleine Details gehen genauso unter die Haut wie beeindruckende Performances. In „Silent Bird“thematisierte Souhaila Amade mit einem halb weiß, halb schwarz geschminkten Gesicht, den Körper mit Ketten umschlungen, die Rassendiskriminierung. Später zerschlugen Besucher mit einem Hammer große Eiswürfel, in denen die passenden Schlüssel für sieben Schlösser steckten, um die Ketten zu sprengen.
Angelehnt an die Tötung des 21-jährigen Medizinstudenten Assil Belalta im Februar in Algerien, dem zwei Unbekannte die Kehle durchschnitten und mit seinem Blut „Er ist schwul“an die Wand seines Studierzimmers schrieben, verharrte bei der Performance „Eigenbluttherapie“Emanuel Kasprowicz mit einem Strick um den Hals, der oben an einer langen Leiter befestigt war, stundenlang regungslos auf einem Stuhl stehend. Ein Hinweis darauf, dass in einigen Ländern Homosexualität mit dem Tod bestraft wird.
Wer dachte, bei uns sei das Thema längst durch und jeder Mensch könne sein, wie er will, wurde vom Vorsitzenden des Vereins Projekt Randerscheinungen, Maximilian Huber, eines Besseren belehrt. Er sei auch in Landsberg beschimpft und bespuckt worden, berichtete er. Darüber zeigte sich Landratsstellvertreterin Ulla Kurz bestürzt. Sie wünschte sich mehr Aufmerksamkeit und Zivilcourage.
Verena Neumair, die Integrationsbeauftrage des Landkreises, wies auf die Gemeinsamkeiten und Gleichwertigkeit aller Menschen hin. „Alle haben Menschenrechte, auch die, die keine Bürgerrechte haben.“
Uli Geske, die Frau im beigen Body und ebensolcher Strumpfhose, saß den ganzen Abend mit aufgemaltem zugenähten Mund und einer Maske in der Hand neben nackten Schaufensterpuppen und vielen Zetteln mit Aussagen zu sexuellen Übergriffen.
Ein Blatt mit dem Zitat von Max Mannheimer „Ihr seid nicht schuld an dem, was war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht“, hielt Tine Polzer in der Hand, die als erhöhte Justitia im langen weißen Kleid, das auch beschrieben werden durfte, an den Holocaust erinnerte.
Der syrische Flüchtling Ali Mahmoud verarbeitet in seinen Grafiken kaum auszuhaltendes Leid. Arman Asatryan beschäftigt sich in seinen Bildern mit Identitätsfragen, ein Heimwehbild, auf dem eine junge Frau den Berg Ararat liebevoll umarmt, lässt seine Sehnsucht nach Armenien spüren. Die Show „Gleicher als gleich“, bei der Nadine Sündermann und Miguel Dominguez nach jedem Tango in die Rolle des anderen schlüpfen, stimmte schon sehr nachdenklich.
Mehr Aufmerksamkeit und Zivilcourage
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Öffnungszeiten bis zum 9. März täglich von 10 bis 19 Uhr, am Sonntag, 10. März, von 10 bis 14 Uhr. Am 8. März gibt es ab 19 Uhr noch einmal die Performances „Mensch – Recht – Stigma“: Eintritt frei, um Spenden wird gebeten.