Landsberger Tagblatt

Für Schwaben darf der Zug nicht abfahren

Warum es bei der Bahnstreck­e Augsburg–Ulm so wichtig ist, dass die Verantwort­lichen in der Region an einem Strang ziehen

- VON JOSEF KARG jok@augsburger-allgemeine.de

Bahnprojek­te zu realisiere­n, geht nicht mit Hochgeschw­indigkeit. Und dabei muss gar nicht einmal so viel Sand im Getriebe sein wie bei Stuttgart 21, wo es zu zähen und heftigen Auseinande­rsetzungen mit Polizei, Wasserwerf­ern und Verletzten kam. Darum spricht man bei diesen Vorhaben im wahrsten Sinne des Wortes von Jahrhunder­tprojekten. Jetzt nimmt auch in BayerischS­chwaben nach dem Beginn der Elektrifiz­ierung der Strecke München–Lindau wieder so ein Projekt Fahrt auf.

Richtig Dampf hat die Bahn in den vergangene­n Jahrzehnte­n nicht gemacht – inzwischen haben es der Aus- und/oder Neubau der Bahnstreck­e München–Ulm im Bundesverk­ehrswegepl­an ganz nach vorne in den vordringli­chen Bedarf geschafft. Doch lange bevor der erste Bagger anrollt, spaltet das Projekt bereits vorab die Interessen in Schwaben.

Da sind zum Beispiel die Landräte und Bürgermeis­ter entlang der 86 Kilometer langen Strecke. Sie bewegt vor allem, dass ihre Landkreise und Städte durch einen Neubau der Trasse nicht plötzlich vom Schienenve­rkehr abgehängt werden. Außerdem spielt in ihren Überlegung­en der Ausbau des Regionalve­rkehrs eine wichtige Rolle, der durch den Bau eines dritten Gleises zwischen Augsburg und Dinkelsche­rben einen wichtigen Anschub bekommen würde.

Das sind alles berechtigt­e Anliegen, die beim Projekt Augsburg– Ulm berücksich­tigt werden müssen. Doch man muss auch feststelle­n: Die Bahn wird nicht zwei Milliarden Euro in die Hand nehmen, allein um den regionalen Schienenve­rkehr rund um Augsburg zu fördern, einige Bahnhöfe zu sanieren und die Strecke nach Ulm ein wenig zu beschleuni­gen.

Die zugrunde liegende Absicht des Projekts ist zumindest theoretisc­h leicht beschriebe­n: Die Fahrtzeit zwischen Augsburg und Ulm soll von heute knapp 45 auf unter 30 Minuten verkürzt werden. Mit dem Ausbau von Stuttgart her, der voraussich­tlich 2022 fertig wird, wird der Fernverkeh­r auf der Strecke zunehmen.

Eine Frage wird auch sein, in welchem Zeitraum sich ein Ausbau der Bestandsst­recke, gepaart mit einem möglichen Neubau zum Beispiel entlang der Autobahn A8, verwirklic­hen ließe. Der im Augenblick vorgesehen­e Trassenkor­ridor sieht auf der Karte aus wie eine überdimens­ionierte Weißwurst. Wo genau künftig die Strecke innerhalb dieser Wurst verlaufen wird, das muss nun so zügig wie möglich beantworte­t werden. Gegen eine Neubautras­se spricht, dass deren Bau sich hinziehen könnte und so lange auch die regionale Komponente auf der Strecke bleibt.

Letztendli­ch wollen die Industrieu­nd Handelskam­mer für Schwaben, die Augsburger Politiker, die Bürgermeis­ter und Landräte im Prinzip alle dasselbe: eine spürbare Beschleuni­gung des Fernverkeh­rs und eine bessere regionale Infrastruk­tur des schwäbisch­en Schienenne­tzes. Realisiert wird das Projekt schneller, wenn alle am gleichen Strang ziehen und sich nicht gegenseiti­g das Vorhaben zerreden. Schließlic­h hat man bei den Nord-Süd-Verbindung­en aus anderen Gründen schon einmal schlechte Erfahrunge­n gemacht, als die CSU eine Neubautras­se über Ingolstadt dem Ausbau der Trasse Augsburg–Nürnberg vorzog.

Vorbild für die Region könnte die Region sein. Beim Autobahnau­sbau der A8 traten alle politische­n und gesellscha­ftlichen Kräfte gebündelt auf – und am Ende entstand trotz scheinbar aussichtsl­oser Lage eine privat finanziert­e sechsspuri­ge Straße. Für die Bahn heißt das, schnell die Signale für eine Trasse zu stellen, um zu verhindern, dass für Schwaben in Europa der Zug abfährt.

Schon einmal lief die Sache an uns vorbei

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