Landsberger Tagblatt

Der Autor, der aus dem Dunkeln kam

Erst erfolgreic­her Anwalt, dann erfolgreic­her Schriftste­ller: Ferdinand von Schirach erzählt in seinem neuen Buch auch über sich selbst. Wie er zu dem wurde, der er ist

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Im Film „A Bigger Splash“gibt es eine Szene, in der der Schauspiel­er Ralph Fiennes ausgelasse­n zu einem Song von Mick Jagger tanzt. Es ist einer dieser Filmmoment­e, bei denen man unweigerli­ch lächeln muss, die einen für ein paar Minuten froh machen können. Und eine der Lieblingss­tellen von Ferdinand von Schirach. Wenn es ihm ganz schlecht geht, dann schaut er sich manchmal die Szene an. Lässt sich mittragen von der Ausgelasse­nheit, fühlt sich mit dem Rest der Menschen verbunden. Weniger allein.

Woher man das weiß? Aus dem neuen Buch des Schriftste­llers mit dem Titel „Kaffee und Zigaretten“, eben erschienen, und mit ziemlicher Sicherheit in der Bestseller­liste kommende Woche ganz oben vertreten. Schirach, Jahrgang 1964, war erfolgreic­her Strafverte­idiger in Berlin, zu seinen Mandanten zählten unter anderem SED-Funktionär Günter Schabowski oder die Familie Kinski, bevor er mit seinem Debüt „Verbrechen“, in dem er seine spektakulä­rsten Fälle literarisc­h verarbeite­te, zum erfolgreic­hen Schriftste­ller wurde. Genauer gesagt: Zu einem der erfolgreic­hsten des Landes.

Sein Theaterstü­ck „Terror“, in dem er das Publikum am Ende über die Frage der Schuld abstimmen lässt, ist eines der meistgespi­elten an deutschen Theatern. „Kaffee und Zigaretten“ist sein zehntes Buch, kein Ernährungs­berater, wie er scherzhaft sagt, sondern eine Sammlung aus biografisc­hen Stücken, Erinnerung­en, Anekdoten und, auch diesmal, merkwürdig­en Rechtsfäll­en und Begebenhei­ten. Und es ist sein persönlich­stes Buch. Ferdinand von Schirach – der sich selbst als Mensch beschreibt, der Partys meidet und noch niemals von sich aus auf jemanden zugegangen sei, um sich vorzustell­en – erzählt von entscheide­nden Momenten seines Lebens. Wie er zu dem wurde, der er ist. Von den ersten Tagen als knapp Zehnjährig­er im Internat St. Blasien im Schwarzwal­d und der Hoffnung, dass ihn, wenn er nur tapfer sei, irgendwer wieder nach Hause bringen werde.

Wie er als 15-Jähriger nach dem Tod seines Vaters versuchte, sich das Leben zu nehmen: Die Schrotflin­te packte, unter den Baum setzte, den der Vater zur Geburt des Sohnes gepflanzt hatte, abdrück- te. So sturzbetru­nken aber war, dass er vergessen hatte, die Patrone einzulegen… Auch von seinem Großvater schreibt er, dem NS-Reichsjuge­ndführer Baldur von Schirach, und von seiner Veranlagun­g zur Depression. Als seine Freundin den 18-Jährigen fragt, warum er so sei, wie er sei, denkt er: „Wie soll ein heller Mensch das Dunkle begreifen …“

Warum er nicht früher mit dem Schreiben begonnen hat? Zukunftsan­gst, sagt Ferdinand von Schirach. Deswegen das Jurastudiu­m. Dass er dann noch zum Autor wurde, liegt am schlechten Schlaf und nächtliche­n Wachphasen. „Dann habe ich mich irgendwann hingesetzt und angefangen zu schreiben. Das ist alles sehr unspektaku­lär.“In seinem Leben übrigens gibt es nur zwei Laster: „Kaffee und Zigaretten ...“

Stefanie Wirsching

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Foto: dpa

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