Freie Fahrt für E-Roller?
Elektrische Tretroller gelten als ein Baustein für die Mobilität der Zukunft. Im Frühjahr sollen sie auch in Deutschland zugelassen werden. In anderen Ländern gibt es Unfälle mit Fußgängern. Welche Erfahrungen es bisher gibt
Wien/Augsburg Das Tempo ist nicht ohne. Mit flatterndem Schal saust Elisa auf ihrem Elektro-Tretroller über den Zebrastreifen an der Wiener Ringstraße. Auf der anderen Straßenseite stellt sie den Flitzer ab, fotografiert ihn mit dem Handy und eilt davon. Später wird sie mit einer App auf ihrem Smartphone einen anderen Roller auf der virtuellen Karte orten, kontrollieren, wie weit sein Akku reicht, einen Code am Lenker scannen und losfahren.
Seit die ersten Stromroller im September 2018 in Wien auftauchten, hat sich ihre Zahl verachtfacht. Fast 4000 Leihroller stehen inzwischen zur Verfügung. Tagsüber dort, wo die Kunden sie gerade abgestellt haben. In der Nacht im Depot, wo sie aufgeladen, poliert und repariert werden. Vier etablierte Anbieter gibt es mittlerweile, ein weiterer ist gerade im Probebetrieb.
Ein ähnliches Angebot für die Bürger soll im fränkischen Bamberg entstehen. Als erste Stadt Deutschlands will Bamberg ein Verleihsystem für E-Scooter testen. Seit Dezember läuft ein Versuch der Stadtwerke mit 15 Rollern, die allerdings nur auf Privatgrund fahren dürfen. Der Sprecher der Stadtwerke Bamberg, Jan Giersberg, erklärt: „Wir warten noch auf eine Sondergenehmigung, da die Scooter in der Straßenverkehrsordnung noch nicht vorgesehen sind. Wenn wir die haben, können wir mit der Pilotphase starten.“Dann sollen 100 E-Scooter vom amerikanischen Start-up Bird im Stadtgebiet verteilt stehen. Über eine App können die Kunden ein Fahrzeug buchen, pro Minute müssen sie 15 Cent zahlen, dazu kommt ein Euro Fixpreis pro Fahrt. „Die Menschen sind heiß auf die Roller“, sagt Stadtwerke-Sprecher Giers- berg. „Denn die Scooter sind flexibel, machen Spaß und man ist mit bis zu 20 Kilometer pro Stunde zackig unterwegs.“
Doch das flotte Tempo hat auch seinen Preis. Wie gefährlich die Roller sein können, zeigen die Unfallzahlen in den USA, wo es bereits in vielen Städten Roller-Verleihanbieter gibt. Nach Angaben des Verbrauchermagazins Consumer Reports wurden dort seit Ende 2017 mehr als 1500 Menschen wegen Verletzungen nach einem E-Scooter-Unfall behandelt. Die Verunglückten erlitten vor allem Prellungen, Nasenbrüche und Unterarmbrüche. Auch Todesfälle soll es laut Medienberichten gegeben haben.
In Wien gibt es noch keine Zahlen über Unfälle. Ein Mann fuhr mit seinem Roller in den Wien-Fluss, weil die Bremsen nicht funktionierten. Ein Kind wurde angefahren. Denn Geschwindigkeit und die leise Fahrweise bergen Gefahren für Passanten. Wer regelwidrig auf dem Bürgersteig unterwegs ist, bringt ahnungslose Fußgänger in Gefahr. „E-Scooter haben ein anderes Bremsverhalten“, sagt Markus Gansterer vom Verkehrsklub Österreich. „Auf holprigem Untergrund unterscheidet sich auch ihre Stabilität vom Fahrrad. Daran muss man sich erst gewöhnen.“
Die Probleme mit der Fahrweise der E-Scooter haben auch die Autoren einer Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen erkannt, die die Fahreigenschaften von E-Rollern untersucht haben. Julia Fohmann, Sprecherin des Deutschen Verkehrssicherheitsrats, erklärt die wichtigsten Punkte: „Nach Angaben der Studie ist das Bremsen auf dem E-Scooter schwierig, weil die Technik noch nicht ausgereift ist. Auch das Kurvenfahren ist problematisch, besonders wenn es auf der Straße Unebenheiten gibt.“
Doch nicht nur die Fahrweise ist gefährlich. Anika Meenken, Referentin für Radverkehr und Mobilitätsbildung beim Verkehrsclub Deutschland, sieht noch ein anderes Problem: „Grundsätzlich begrüßen wir E-Scooter als weiteren Baustein für eine nachhaltige Verkehrswende. Doch für uns gibt es noch eine weitere Komplikation.“Mit dem E-Scooter kommen laut Verkehrsexpertin Meenken immer mehr Verkehrsmittel auf die Geh- und Radwege, Fahrräder haben weniger Platz, für Fußgänger wird es zu eng und gefährlich. „Wir fordern, dem Auto Platz zu nehmen und mehr Raum für Fahrräder, E-Scooter und Fußgänger zu schaffen.“
In Wien besteht dieses Problem bisher nicht. Da elektrische Roller dort nur auf Radwegen fahren dürfen, gelten Fußgänger nicht als gefährdet. Die Polizei kontrolliert zudem Bremsen, Klingeln und die Beleuchtung. Vorne, hinten und an den Seiten sind Scheinwerfer, rotes Rücklicht und Reflektoren vorgeschrieben. Wenn sie fehlen, müssen die Kunden eine Strafe zahlen.
Ähnlich ausgestattet müssen auch die E-Scooter in Deutschland sein, sobald sie im Straßenverkehr erlaubt sind. Das ist vermutlich im Frühjahr so weit. Das Bundesverkehrsministerium hat eine Verordnung auf den Weg gebracht, die die Straßenverkehrsordnung für „elektrische Kleinstfahrzeuge“erweitern soll. „Wir wollen neue Wege moderner, umweltfreundlicher und sauberer Mobilität in unseren Städten“, sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. E-Scooter hätten ein enormes Zukunftspotenzial und seien eine Alternative zum Auto, ideal etwa für die letzte Meile von der U-, S-Bahn oder Bushaltestelle nach Hause oder zur Arbeit. Den Entwurf dieser Verordnung hat das Bundesverkehrsministerium bereits an die Europäische Kommission weitergeleitet, in Kürze wird er dem Bundesrat vorgelegt.
In der Verordnung soll zum Beispiel geregelt werden, dass E-Scooter in Deutschland zwischen sechs und zwölf Kilometer pro Stunde auf Gehwegen fahren dürfen, bis 20 Kilometer pro Stunde sollen sie auf Fahrradwegen und -streifen und auf der Straße erlaubt sein. Eine Helmpflicht ist nicht vorgesehen, dafür müssen die Elektroroller versichert sein. Außerdem sollen die Nutzer ihre Scooter auch in öffentlichen Verkehrsmitteln transportieren dürfen.
In Österreich gibt es bereits solche Vorschriften. Dort sollen Scooter bis zu einer Leistung von 600 Watt auf Radwegen fahren. Fehlt ein Radweg, müssen die Fahrer der Roller die Straße oder im Schritttempo den Gehweg benutzen. Nicht motorbetriebene Roller gelten als Kinderspielzeug, mit denen man auf Gehwegen und in Fußgängerzonen fahren darf. Roller mit mehr als 600 Watt gelten als Mopeds. Man braucht Helm und Führerschein.
Doch bei mehr als 4000 Tretrollern im Stadtgebiet Wien sind längst nicht alle von den elektrischen Scootern begeistert. „Das ist momentan ein heikles Thema“, erzählt ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung hinter vorgehaltener Hand. Denn wild auf den Bürgersteigen abgestellte Roller sind ein Problem in der Stadt. Ein Anbieter für Mietroller hat sich jetzt mit der Stadt darauf geeinigt, sogenannte Parkverbotszonen in der App zu markieren. Fährt der Kunde mit seinem Roller in eine dieser Zonen, wird der Fahrer in der App über das Parkverbot informiert. Wenn er dagegen verstößt und den Scooter trotzdem dort abstellt, wird ihm eine Zusatzgebühr von 25 Euro verrechnet.
In den USA gabe es mehr als 1500 Verletzte
Das Bremsen ist gewöhnungsbedürftig