Landsberger Tagblatt

„Wir sind das verkrampft­este Volk“

Bei ihrer ersten Rede in Angela Merkels Arena Demmin verteidigt CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r ihre umstritten­en Äußerungen über Intersexue­lle

- VON STEFAN LANGE

Demmin Es gibt Termine, die man angesichts ihrer Fragwürdig­keit vielleicht besser streichen sollte. Dazu gehören einige Auftritte der Parteien beim Politische­n Aschermitt­woch im Allgemeine­n und der Aschermitt­woch der CDU Mecklenbur­g-Vorpommern in Demmin im Speziellen. Jahrelang trotzte dort Kanzlerin Angela Merkel im Tennisund Squash-Center dem unausrottb­aren Schweißger­uch. Am Mittwoch nun war ihre Nachfolger­in im Amt der CDU-Parteivors­itzenden an der Reihe.

Der Auftritt von Annegret Kramp-Karrenbaue­r war angesichts ihrer heftig kritisiert­en Bemerkunge­n über Intersexue­lle vorbelaste­t. Eine Entschuldi­gung gab es nicht. Putzfrau Gretel ging voll in die Offensive. Die Parteivors­itzende wirkte zunächst etwas unsicher und kam nur schwer in Fluss. Eine Bemerkung über die Bierdusche von Demmin 2012 auf die Kanzlerin versandete fast ohne Lacher. Da gab es schon mehr Beifall für die Bemerkung Kramp-Karrenbaue­rs, sie sol- le ganz herzliche Grüße von Angela ausrichten. Merkel habe ihr nach der Wahl zur Parteivors­itzenden das Verspreche­n abgenommen, nach Demmin zu fahren, erklärte die neue CDU-Vorsitzend­e.

Danach hörte Kramp-Karrenbaue­r auf, um den heißen Brei herumzured­en, wie sie es ausdrückte. Es habe eine echt stürmische Karnevalsz­eit gegeben, resümierte sie. Dies nicht nur wegen des Wetters, sondern auch wegen der Debatte über den ein oder anderen Witz. Wobei sofort klar war, dass die CDU-Chefin, die in Demmin übrigens nicht verkleidet auftrat, ihre eigenen Bemerkunge­n meinte. Von einer Entschuldi­gung war KrampKarre­nbauer allerdings so weit entfernt wie das Saarland von Mecklenbur­g-Vorpommern, nämlich sehr weit.

Über ihren Auftritt beim Stockacher Narrengeri­cht sei ja einiges gesagt worden, begann KrampKarre­nbauer ihre Verteidigu­ngsrede, um dann all denjenigen, die die ganze Fastnacht damit verbracht haben, darüber zu diskutiere­n und sich zu beklagen, zu empfehlen, sich doch lieber mal die ganze Veranstalt­ung anzuschaue­n. Sie sei nämlich vom Narrengeri­cht der Entmannung der CDU angeklagt gewesen, versuchte Kramp-Karrenbaue­r zu erklären. Und das habe sie aufgegriff­en, es sei in ihrem Beitrag um Emanzen und Machos, um das Verhältnis von Männern und Frauen gegangen. „Manchmal muss man auch mal genau hinschauen, bevor man sich über etwas aufregt“, versuchte sich die CDU-Chefin als Unschuldsl­amm, um dann das ganz große Fass aufzumache­n. „Wenn wir so weitermach­en“, erklärte die Parteivors­itzende, „dann laufen wir Gefahr, etwas ganz Wunderbare­s in unserem Land kaputt zu machen.“Das sei die Tradition von Karneval und Fastnacht, dieses Stück Kultur dürfe sich Deutschlan­d nicht kaputt machen lassen, empörte sich Kramp-Karrenbaue­r und spitzte dann zu: „Heute habe ich das Gefühl, wir sind das verkrampft­este Volk, das überhaupt hier irgendwo auf der Welt rumläuft. Das kann doch so nicht weitergehe­n!“

Mit Kramp-Karrenbaue­r ging es weiter, sie pries die CDU als Partei an, in der jeder nach seiner Fasson glücklich werden solle. Glück definierte sie so: Die CDU freue sich über die, die an Silvester ballern würden, beklage sich aber nicht über Feinstaub. Die CDU toleriere Veganer und Vegetarier, mache aber aus Fleischess­ern nicht die größten Verbrecher, die wir in diesem Land haben.

Drei Monate vor der Europawahl am 26. Mai und den gleichzeit­ig stattfinde­nden Kommunalwa­hlen in Mecklenbur­g-Vorpommern ging Kramp-Karrenbaue­r dann auch noch auf die Bundes- und Europapoli­tik ein. Die Zuschauer im Saal erfuhren dabei aber nichts Neues. Themen wie den Schutz der Außengrenz­en, die Vermeidung von Diesel-Fahrverbot­en und die Grundrente spulte sie routiniert herunter. Hängen blieb am Ende vor allem die Verteidigu­ng ihrer umstritten­en Äußerungen.

Zu den Klängen der Barther Blasmusik und der Black Tigers wurde darüber in Demmin viel diskutiert. Die Debatte wird in den nächsten Tagen in ganz Deutschlan­d sicherlich fortgesetz­t werden.

 ?? Foto: Stefan Sauer, dpa ?? Premiere ohne Verkleidun­g beim Politische­n Aschermitt­woch in Mecklenbur­g-Vorpommern: Die neue CDU-Vorsitzend­e Annegret Kramp-Karrenbaue­r spricht in Demmin, wo jahrelang Angela Merkel den Ton angab. Sie pries die CDU als die Partei an, in der jeder nach seiner Fasson glücklich werden solle.
Foto: Stefan Sauer, dpa Premiere ohne Verkleidun­g beim Politische­n Aschermitt­woch in Mecklenbur­g-Vorpommern: Die neue CDU-Vorsitzend­e Annegret Kramp-Karrenbaue­r spricht in Demmin, wo jahrelang Angela Merkel den Ton angab. Sie pries die CDU als die Partei an, in der jeder nach seiner Fasson glücklich werden solle.

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