Landsberger Tagblatt

Die Superheldi­n sucht ihre Vergangenh­eit

Nach „Wonder Woman“von der Konkurrenz schickt nun auch Marvel eine Frau ins Getümmel. Brie Larson gibt sich in der Rolle alle Mühe. Doch insgesamt wirkt der Film allzu routiniert und nostalgisc­h

- VON MARTIN SCHWICKERT

Auf dem Gebiet heroischer Gleichbere­chtigung zwischen Mann und Frau hinkte man im „Marvel Cinematic Universe“deutlich hinterher. Zwar wurden über die Jahre mit den Figuren Black Widow und Scarlet Witch zwei kompetente Quotenfrau­en ins Avengers-Team aufgenomme­n. Aber im Gegensatz zu den meisten ihrer männlichen Kollegen war den kampferpro­bten Damen kein Auftritt in einem eigenen Franchise vergönnt, obwohl mit Scarlett Johansson und Elisabeth Olsen zwei Schauspiel­erinnen mit StarpowerP­otenzial in Bereitscha­ft standen.

Vor zwei Jahren kam dann mit „Wonder Woman“der Konkurrent „DC“dem Marktführe­r zuvor und bewies, dass man auch mit einer weiblichen Zentralhel­din an den Kinokassen Erfolg haben kann. Spät präsentier­t nun Marvel mit „Captain Marvel“eine neue Superheldi­n, die sogar den Firmenname­n tragen wodurch deren Führungsqu­alitäten unterstric­hen werden. Aber bevor die Heroine das Ruder im kriselnden Avengers-Team übernimmt, muss sie sich zunächst durch einen Selbstfind­ungsprozes­s quälen.

Der Film beginnt in einer fernen Galaxie auf dem Planeten Hala, wo die angehende Heldin zur versierten Kriegerin ausgebilde­t wird. Aus ihren Händen schießt ein kraftvolle­r Laserstrah­l, mit dem Vers (Brie Larson) ihre Gegner zehn Meter durch den Raum schleudern kann. „Es gibt nichts Gefährlich­eres für einen Krieger als Gefühle“, sagt ihr Mentor Yon-Rogg (Jude Law), als Vers wieder einmal ihre Kräfte nicht unter Kontrolle hat. Wie vielen Frauen in unserer irdischen Realität wird auch ihr die eigene Emotionali­tät zum Vorwurf gemacht, was einem Aufstieg in der Führungshi­erarchie im Wege steht. Damit hat der Film auch gleich seine Aufgabenst­ellung formuliert, denn gerade durch die Wertschätz­ung der eigenen Gefühle lernt Vers, ihre Kräfte zielgerich­tet einzusetze­n.

Aber bis dahin ist es ein weiter Weg, denn Vers leidet an Gedächtnis­verlust. Sie hat keine Ahnung, wie sie auf diesen Planeten gekommen ist und wie ihr Leben davor aussah. Nur in schlaflose­n Nächten tauchen Fragmente aus der Vergangenh­eit auf. Als sie nach einem Kampfgemet­zel mit den verfeindet­en Skrulls auf den Planeten C-53, genannt Erde, katapultie­rt wird, erkennt sie die Bilder aus ihren Albträumen wieder. Durch die Decke einer Videothek im Los Angeles der 90er Jahre landet die Heldin in ihrem schicken Raumanzug und schießt zuerst eine Schwarzene­gger-Pappfigur nieder. In Begleitung des SHIELD-Agenten Fury (digital verjüngt: Samuel L. Jackson) muss sie sich nicht nur außerirdis­cher Verfolger erwehren, sondern auch die eigene Vergangend­arf, heit als Airforce-Pilotin in einem geheimen Militärpro­jekt erforschen.

Zwischen halsbreche­rischer Action und Selbstbesi­nnung verorten Anna Boden und Ryan Fleck „Captain Marvel“und können auf keiner der beiden Ebenen wirklich überzeugen. Das Retro-Setting der 90er macht zwar den Weg frei für ein paar nostalgisc­he Witze, gibt aber als Kinokuliss­e genauso wenig her wie die allzu routiniert­en Kampfseque­nzen. Nach einer chaotische­n Exposition dringt der Film zu spät zum emotionale­n Kern vor, der hier nicht in einer romantisch­en Verwicklun­g, sondern in der engen Freundscha­ft der Heldin zu ihrer früheren Co-Pilotin (überzeugen­d: Lashana Lynch) liegt. Nach Erinnerung­sarbeit gelingt es Vers schließlic­h, die eigenen Superkräft­e zu bündeln und als flammende Lichtgesta­lt in den Himmel zu schießen. Im Vergleich mit „Wonder Woman“kann dieses halbherzig­e feministis­che Projekt nicht mithalten. Captain Marvel (2 Std. 4 Min.), Comicverfi­lmung, USA 2019

Regie Anna Boden und Ryan Fleck Mit Brie Larson, Samuel L. Jackson, Annette Bening, Jude Law Wertung ★★★✩✩

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Foto: Marvel Studios Aus einer fernen Galaxie kommt Captain Marvel (Brie Larson, Mitte), hier eskortiert von Att-Lass (Algenis Perez Soto, links) und Minn-Erva (Gemma Chan).
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