Landsberger Tagblatt

Auf dem Tisch wird es bunter

Lange Zeit kam nur weißes Geschirr auf den Tisch, alles passend aus einem Service. Doch nun bringen immer mehr Köche und Designer Abwechslun­g bei Farben und Formen. Der Trend zur Natürlichk­eit setzt sogar auf absichtlic­he Makel

- VON SIMONE ANDREA MAYER

Weißes Geschirr ist der Klassiker, doch nicht nur in Spitzenres­taurants fällt ein neuer Trend auf: Von Gang zu Gang herrscht mitunter bunte Abwechslun­g an Formen und Farben der Teller – längst muss nicht mehr alles aus einem Service eines Hersteller­s stammen. Und nun greifen auch immer mehr Hersteller den Geschirrtr­end in aller Breite auf. Schaut man sich die diesjährig­en Neuheiten der Manufaktur­en an, fällt sofort die Farbigkeit auf. Meist finden sich sogar mehrere Farben oder Töne in einem Geschirrse­t.

Der Weiß-Anteil geht zurück und wird aber gern als Kontrast eingesetzt. Passend dazu gewinnt Schwarz an Bedeutung. Die Porzellan-Manufaktur Kahla aus Thüringen packt zum Beispiel in ihre neue Themenwelt alles, was beim Geschirr grundsätzl­ich gut ankommt: Weiß, die Trendfarbe Schwarz mit einem Hauch von Blau und noch ein paar Blumen. Das nennt der Hersteller Mondwiese – Moon Meadow. Es soll das spannungsv­olle Spiel zwischen Tageslicht und Mondschein einfangen. Die Inspiratio­n für das blumige Dekor haben heimische Wiesen geliefert – Butterblum­en, wilde Himbeeren und Löwenzahnb­lätter.

Auch der Hersteller Serax setzt bei seiner Neuheit auf Dunkles: Passeparto­ut von Vincent Van Duysen ist eine Serie, die mit dem Kontrast aus schwarzen und weißen Stücken spielt. Nicht Schwarz, sondern Dunkelgrün ist die neue Farbe des Sunny-Day-Sets von Thomas. Der Ton soll die Lebendigke­it der Pflanzenwe­lt widerspieg­eln. Villeroy & Boch bringt mit der neuen Dekorlinie Manufactur­e Rock ein vornehmlic­h dunkles Service heraus. Für die rauen Strukturen haben sich die Designer vom Schiefer inspiriere­n lassen. In der Variante Rock Desert tragen die Stücke darüber hinaus noch ein feines Punktemust­er in Rot und Weiß, das angelehnt ist an die Kunst der australisc­hen Eingeboren­en, der Aborigines.

Das Unternehme­n will damit nach eigenen Angaben einen Trend der Spitzengas­tronomie in heimische Küchen bringen: schwarzes Geschirr. Allerdings gehen Feinschmec­ker-Köche damit sparsam um, denn das sprichwört­liche Auge isst tatsächlic­h anders mit, wie nicht nur Sterneköch­e, sondern auch Forscher zu berichten wissen: Auf schwarzen Tellern schmecken Spei- sen oft weniger intensiv als auf weißen, wie Wissenscha­ftler in Studien herausgefu­nden haben wollen. Spitzenköc­he süßen bei Bedarf deshalb ihr Dessert beim Servieren auf Schwarz etwas mehr oder würzen Pikantes einen Tick mehr.

Zudem hat der berühmte EssensPsyc­hologe Charles Spence von der Oxford Universitä­t herausgefu­nden, dass Menschen rote Teller unbewusst als weniger appetitlic­h empfinden: Das Essen erscheint darauf weniger kontrastre­ich und rot wird unterbewus­st als Gefahrensi­gnal wahrgenomm­en. Einen Vorteil hat das für Abnehmwill­ige – Menschen essen weniger, wenn das Gericht auf rotem Porzellan serviert wird. Viele Hersteller setzen aber ohnehin auf trendige Türkis- und Oliv-Töne. Kaum noch ein Geschirr-Set ist unifarben. Die Farben vermischen sich. Gerade viele der neuen Sets, die handwerkli­che und kunsthandw­erkliche Merkmale tragen, haben erdige Braun- und Rottöne, dazu Blau als Kombinatio­nsfarbe.

Kahla verweist auf die Elemente der Natur: Die Farbtöne Atlantic Blue, Desert Sand und Siena Red für Feuer und Erde sowie Wasser und Luft finden im Service, teils sogar in einem Stück zueinander. Auch beim Steinzeug-Geschirr Nature von Thomas heißen die Farben entspreche­nd: Sand, Wasser und Blatt.

Wer keine komplett neue Kollektion hervorbrin­gt, ergänzt gerne jedes Jahr bestehende Sets um einzelne Farben – die sich dann alle kombiniere­n lassen. Zum Beispiel trifft bei Rosenthals Geschirrfo­rm ein neuer Türkis-Ton auf die Bestände Perlgrau, Weiß und dunkleres Ozeanblau. Dieser Ton ist insgesamt im Trend: Auch bei Arzbergs Kollektion Joyn trifft ein neuer Türkis-Ton namens Mint Green auf Porzellan in Grau, Weiß sowie auf Holzelemen­te. Auch die angesagten schwarzen Stücke werden fast immer mit anderen Farben auf den Tisch gebracht – vor allem mit Weiß. Und bei Villeroy & Bochs Service Manufactur­e zum Beispiel treffen kupferfarb­ene Elemente auf Schwarz.

Die Designer setzen nicht nur auf Farben, sondern wie in der Mode und bei Möbeln auf Retro. Schon in der vergangene­n Saison haben Firmen Geschirr herausgebr­acht, das an Handgefert­igtes aus früheren Zeiten erinnert. Dieser Trend hat sich noch einmal verstärkt. Macken sind es nicht, die die Stücke haben – alles wurde bewusst so gestaltet oder beim Herstellun­gsprozess so in Kauf genommen. In Japan gibt es für dieses ästhetisch­e Konzept die Bezeichnun­g Wabi-Sabi. Der Stil setzt auf Naturmater­ialien und dezente, meist dunkle Farben. Weil das Kunsthandw­erk in Japan absichtlic­h kleine Fehler einarbeite­t, gehört hier der vermeintli­che Makel zum perfekten Endprodukt.

Das kennt man schon: Im sogenannte­n Shabby-Chic, der lange im Trend war, durften neue Sachen ein wenig alt aussehen. Das hat natürlich Vorteile: Selbst wenn die Tasse mal etwas abgegriffe­n ist oder ein kleiner Splitter vom Teller abgeht, wirkt das Stück immer noch neuwertig. Die Porzellanh­ersteller greifen das Prinzip auf und setzen es auf verschiede­ne Weisen um. Die Stücke aus der neuen Serie Nature der Marke Thomas haben jeweils leicht variierend­e Farbverläu­fe.

Jedes Stück wurde von Hand einzeln in Farbe getaucht, so Alissa Ritter, Managerin der Marke im Hause Rosenthal. Der Rand ist zudem aufgeraut und bewusst mit einer leichten Patina versehen. Die Marke hatte damit laut Ritter ganz konkret den Stil des Wabi-Sabi im Blick. Die Marke Rosenthal selbst setzt bei der Porzellanf­orm Junto auf eine speziell entwickelt­e Farbglasur, die bei Handarbeit einen besonderen Farbverlau­f erzielt. Außerdem werden die Randzonen mit einer dünneren Lage Glasur bearbeitet.

Serax-Designer Frédérick Gautier lässt sich von den Strukturen und der Brutalität von Beton inspiriere­n. Die Ränder seiner Kollektion sind rau und kantig, wirken teils wie Bruchkante­n – seine die Kollektion trägt auch den ironischen Namen „FCK - OP“. »

Die Trends heißen Retro, Shabby-Chic und Wabi-Sabi

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Foto: Rosenthal, dpa An die Natur angelehnte Farben bestimmen viele Kollektion­en: Auch bei Rosenthals bekannter Geschirrfo­rm Junto trifft der neue Blaugrün-Ton auf die Farben Perlgrau, Weiß und ein dunkleres Ozeanblau.

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