Landsberger Tagblatt

Nationalel­f droht Durststrec­ke

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger-allgemeine.de

Am Tag, nachdem der Bundestrai­ner den Umbau der Nationalel­f mit der Abrissbirn­e eingeleite­t und sich das Land an der Aussicht auf den Neubau berauscht hat, dürfte Ernüchteru­ng eingekehrt sein. So richtig der Schritt war, der Auswahl ein neues Gesicht mit einer anderen Ausrichtun­g zu verleihen, so enttäuscht wird jeder sein, der sich auf die Suche nach den Nachfolger­n für Hummels, Boateng und Müller macht. Mag das Trio der Ausgeboote­ten seinen Zenit überschrit­ten haben – die drei haben in der Blüte ihrer Karriere der Nationalel­f eine Hochphase beschert. Drei Frühentwic­kler, die mit 21 Stützen der Nationalel­f waren. Wer es schon vergessen hat: Der unorthodox­e Müller hat bei der WM 2010 in Südafrika mit fünf Toren und drei Vorlagen den Goldenen Schuh abgeräumt. Die drei dokumentie­rten exemplaris­ch, dass die meisten, die später Außergewöh­nliches erreichen, bereits jung herausrage­nd waren.

Wo aber sind die Frühreifen der Gegenwart, die Talente, die Lücken schließen, die 21-Jährigen, auf die sich das Land freuen darf? Natürlich, es gibt Leroy Sané. Den unberechen­baren Wirbelwind, den Löw zur WM zu Hause gelassen hat, weil er es nicht riskieren wollte, einen Reifeverzö­gerten in sein durchgetak­tetes Ensemble einzubauen. Sané hat in England sozial aufgeholt und ist inzwischen die größte deutsche Hoffnung auf spektakulä­ren Fußball. Auch Serge Gnabry und Timo Werner verspreche­n das Außergewöh­nliche. Alle sind zwar schon älter als 21, aber noch jung genug, um es wie Müller auf hundert Länderspie­le zu bringen. An Sané, Gnabry und Werner lässt sich allerdings auch das erste Problem der nahen Zukunft festmachen. Was, wenn die Hochgeschw­indigkeits­stürmer keinen Weg durchs Zentrum finden? Wo ist der junge Müller, der vielseitig­e Klose oder der wuchtige Gomez, der die Flankenläu­fe und Pirouetten humorlos abschließt? Wo ist die massive Variante zum leichtfüßi­gen Tempospiel? Wo ist der Lewandowsk­i mit deutschem Pass? Und wer verteidigt neben Süle? Rüdiger, der Hasardeur? Oder Ginter, der Zuverlässi­ge, aber Mittelmäßi­ge? Und außen? Schultz oder Hector? Macht keinen Unterschie­d. Kimmich? Sicher. Ist aber besser im Mittelfeld aufgehoben.

Wo also finden sich die Neuen? Erst einmal nicht in den Nachwuchst­eams des DFB. U17 und U19 haben zuletzt enttäuscht. Sie sind Trends hinterherg­elaufen, die sich überholt haben. Der Ballbesitz­fußball, der spielende Mittelstür­mer. Statt an den Grundlagen zu arbeiten: Beidfüßigk­eit, Tempodribb­ling, Zweikampfv­erhalten. Was passiert, wenn hochveranl­agte Dortmunder keine Varianten für ihr vorher erfolgreic­hes Spiel besitzen, ist derzeit zu besichtige­n. Es geht bergab.

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Foto: dpa Der Kreis ist erst einmal kleiner geworden: Joachim Löw mit seinen Nationalsp­ielern.
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