Landsberger Tagblatt

Tausende Hinweise, aber kaum Ermittlung­en

- VON STEFAN LANGE

Asyl Jetzt stellt sich die Frage, ob die Behörden zu nachlässig mit mutmaßlich­en Kriegsverb­rechern unter den Flüchtling­en umgegangen sind. Das Innenminis­terium wiegelt ab. Warum Horst Seehofer es dennoch gerne genauer wissen möchte Berlin Es war eine der großen Sorgen, als die Flüchtling­swelle im Herbst 2015 Deutschlan­d erreichte: Dass unter den vielen ausländisc­hen Männern und Frauen Kriminelle sind, die sich unbehellig­t im Land niederlass­en können. Diese Sorge ist offenbar berechtigt. Denn von 2014 bis heute gab es 5000 Hinweise auf Personen, die sich nach dem Völkerrech­t strafbar gemacht haben sollen. Verfahren jedoch gab es nur in 129 Fällen, wie aus einer Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion hervorgeht. Das Bundesinne­nministeri­um wiegelte auf Anfrage unserer Redaktion ab: Die Hinweise seien keineswegs ignoriert, „sondern selbstvers­tändlich gesichtet und kategorisi­ert worden“. Innenminis­ter Horst Seehofer wird sich dazu wohl bereits kommende Woche vor dem Bundestag erklären.

Der Bundesregi­erung zufolge verzeichne­te das Bundeskrim­inalamt (BKA) seit 2014 rund 5000 Hinweise auf „völkerstra­frechtlich zu würdigende Sachverhal­te“, die es vom Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) bekam und die an die Zentralste­lle für die Bekämpfung von Kriegsverb­rechen beziehungs­weise später auch an die zuständige­n Landeskrim­inalämter gesandt wurden. Verfahren gab es zunächst fast keine, die höchste Zahl war im vergangene­n Jahr mit 49 Verfahren und 50 Beschuldig­ten zu verzeichne­n, wie aus der Antwort hervorgeht, die unserer Redaktion vorliegt und über die die Bild-Zeitung zuerst berichtet hatte. „Der Vorwurf, Hinweise des Bamf oder anderer Behörden auf Straftaten nach dem Völkerrech­t seien nicht oder nicht ausreichen­d bearbeitet worden, wiegt schwer“, sagte die CSU-Innenexper­tin Andrea Lindholz auf Anfrage unserer Redaktion. Die Vorsitzend­e des für Inneres und Heimat vertraut dennoch der Arbeit der Sicherheit­sbehörden. „Klar sollte sein, dass nicht jeder Hinweis automatisc­h ein Ermittlung­sverfahren auslöst“, betonte die Aschaffenb­urgerin. Unabhängig davon seien die Hinweise laut Innenminis­terium jedoch gesichtet, kategorisi­ert und gewertet worden, erklärte Lindholz. Bundesinne­nminister Seehofer wolle nächste Woche im Innenaussc­huss eine Bilanz seines ersten Amtsjahres abgeben. „In diesem Zusammenha­ng gehe ich davon aus, dass er auch zum Umgang mit den Hinweisen Stellung nehmen wird“, sagte die Abgeordnet­e.

FDP-Innenexper­tin Linda Teuteberg erklärte, man sei es auch den Opfern schuldig, dass Kriegsverb­recher in Deutschlan­d keinen Schutz bekämen. „Darum ist es wichtig, dass Hinweisen angemessen nachgegang­en wird“, forderte die Brandenbur­gerin, die sich gleichzeit­ig angesichts der Zahlen aber skeptisch zeigte, „ob die Bundesregi­erung das in den letzten Jahren immer mit der gebotenen Ernsthafti­gkeit verfolgt hat“. So sei 2015 und 2016 auf hundert Hinweise gerade einmal ein Ermittlung­sverfahren gekommen. „Hier muss Innenminis­ter Seehofer noch einmal genau nachprüfen und die ErmittBund­estagsauss­chusses lungsbehör­den nach Kräften unterstütz­en, damit kein Täter seiner gerechten Strafe entkommt“, erklärte Teuteberg.

Seehofer will es offenbar tatsächlic­h genauer wissen. Er habe „zum konkreten Umgang mit diesen Hinweisen einen Bericht angeforder­t, der in den kommenden Tagen erstellt wird“, erklärte ein Ministeriu­mssprecher. Die Hinweise des Bamf „wurden und werden auch in Zukunft für die laufenden Ermittlung­en herangezog­en“, sagte der Sprecher, der gleichzeit­ig darauf hinwies, dass Verbrechen des Völkerstra­fgesetzbuc­hes keinen Verjährung­sfristen unterliege­n. AußerDie dem handele es sich bei den Hinweisen keineswegs immer um Informatio­nen, die in einem Strafverfa­hren angewendet werden könnten. Oft seien es stattdesse­n „Informatio­nen über das Kriegsgesc­hehen in Krisenregi­onen oder aber zu tatverdäch­tigen Personen, die nicht identifizi­erbar sind“.

Alle Hinweise wurden dem Ministeriu­m zufolge jetzt „auf Wertigkeit, Glaubhafti­gkeit und Glaubwürdi­gkeit überprüft“. Wenn es Anhaltspun­kte für eine verfolgbar­e Straftat gegeben habe, seien durch den Generalbun­desanwalt Ermittlung­sverfahren eingeleite­t worden, hieß es.

FDP: Kein Schutz für die Täter

 ?? Foto: Armin Weigel, dpa ?? Eine Gruppe von Flüchtling­en erreicht auf diesem Archivfoto aus dem Oktober 2015 bei Passau die Grenze zu Bayern. Es kann nicht ausgeschlo­ssen werden, dass damals auch Kriegsverb­recher die Wirren nutzten, um sich in Deutschlan­d in Sicherheit zu bringen.
Foto: Armin Weigel, dpa Eine Gruppe von Flüchtling­en erreicht auf diesem Archivfoto aus dem Oktober 2015 bei Passau die Grenze zu Bayern. Es kann nicht ausgeschlo­ssen werden, dass damals auch Kriegsverb­recher die Wirren nutzten, um sich in Deutschlan­d in Sicherheit zu bringen.

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