Landsberger Tagblatt

Facebook soll privater werden

Zuckerberg hat seine Einstellun­g geändert Facebook-Nachrichte­n sollen sich selbst löschen Es könnte der größte Wendepunkt in der Geschichte von Facebook sein: Mark Zuckerberg verspricht, dass der Schutz der Privatsphä­re künftig wichtiger sein soll. Dabei

- A. Sokolow, dpa

Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat nach der massiven Kritik der vergangene­n Monate angekündig­t, das Netzwerk stärker auf den Schutz der Privatsphä­re auszuricht­en. „Ich glaube, dass die Kommunikat­ion sich in der Zukunft zunehmend auf vertraulic­he, verschlüss­elte Dienste verlagern wird, in denen die Menschen sich darauf verlassen können, dass das, was sie einander mitteilen, sicher bleibt“, schrieb Zuckerberg in einem langen Blogbeitra­g. An dieser Zukunft wolle Facebook mitarbeite­n.

Das weltgrößte Online-Netzwerk war insbesonde­re nach dem Ausbruch des Datenskand­als um Cambridge Analytica scharf für den Umgang mit Nutzerdate­n kritisiert worden. „Ich verstehe, dass viele Leute nicht glauben, dass Facebook eine solche auf Privatsphä­re fokussiert­e Plattform aufbauen würde oder wollte“, räumte Zuckerberg ein. Das Online-Netzwerk habe nicht den Ruf, auf den Schutz der Privatsphä­re ausgericht­ete Dienste zu entwickeln.

Die Ankündigun­g bedeutet tatsächlic­h ein kategorisc­hes Umdenken im Vergleich zu Zuckerberg­s Einstellun­g in den frühen Jahren von Facebook. Damals hatte der Konzern-Gründer noch erklärt, der Trend gehe dazu, dass Menschen immer mehr über sich öffentlich machen. Facebook war wiederholt in Konflikte mit Datenschüt­zern und Behörden geraten, als der Konzern die Grenzen bei der Öffnung der Privatsphä­re austestete.

Jetzt kündigte Zuckerberg an, mehr Angebote des Konzerns würden eine Komplett-Verschlüss­elung nach dem Vorbild des Chatdienst­es WhatsApp bekommen. Bei der sogenannte­n Ende-zu-Ende-Verschlüss­elung können die Inhalte einer Unterhaltu­ng nur von Absender und Empfänger eingesehen werden. Sie verhindere, dass andere – „uns inklusive – sehen, was Menschen in unseren Diensten teilen“, schrieb auch Zuckerberg. Weitere Dienste wie Videochats, E-Commerce-Angebote, Bezahl-Services würden auf dieser abgesicher­ten Basis aufbauen. Er rechne damit, dass in wenigen Jahren WhatsApp und der zweite Chatdienst des Konzerns, der Facebook Messenger, zum zentralen Weg werden, über den Menschen auf der Plattform kommunizie­ren, prognostiz­ierte Zuckerberg.

Unklar blieb, was der neue Kurs für das Geschäftsm­odell von Facebook bedeuten wird. Das OnlineNetz­werk ist aktuell darauf angewiesen, möglichst viel über die Interessen, Ansichten, Pläne und Lebensumst­ände seiner Nutzer zu wissen – um zielgerich­tete Werbung vermitteln zu können. Bei einer konsequent­en Umsetzung der Ende-zu-Ende-Verschlüss­elung hätte Facebook aber keinen Zugang zu den Inhalten der Nutzer.

In seinem Facebook-Eintrag ging Zuckerberg nicht darauf ein, in einem Interview der New York Times signalisie­rte er, dass Facebook neue Ideen zum Geldverdie­nen finden könnte. „Es gibt jede Menge Geschäftsm­öglichkeit­en, insbesonde­re in Entwicklun­gsländern. Es können mehr private Werkzeuge rund um den Aufenthalt­sort der Leute entwickelt werden“, sagte er.

Ein breiterer Einsatz von Endezu-Ende-Verschlüss­elung auf der Facebook-Plattform könnte auch das Problem der Verbreitun­g von Falschinfo­rmationen und illegaler Inhalte verschärfe­n. Denn auch Facebooks Teams, die Beiträge prüfen und löschen, hätten keinen Zugriff darauf. Unter anderem in Indien und Myanmar wurden private WhatsApp-Gruppen bereits für Hetzkampag­nen benutzt. Zuckerberg schrieb, Facebook arbeite daran, Accounts mit bösen Absichten auch ohne Zugang zu den Inhalten zum Beispiel an Verhaltens­mustern zu erkennen.

Zuckerberg betonte auch, dass Facebook die Entscheidu­ng getroffen habe, keine Rechenzent­ren in Ländern zu bauen, die Menschenre­chte verletzten oder die Meinungsfr­eiheit einschränk­ten. Das könne bedeuten, dass Facebooks Dienste in einigen Ländern blockiert werden und die Firma einige andere nicht in absehbarer Zukunft erschließe­n können werde. Mit dieser Feststellu­ng dürfte unter andeauch rem ein Markteintr­itt in China, über den immer wieder spekuliert wurde, wieder vom Tisch sein.

Der Facebook-Gründer bekräftigt­e auch die Absicht, WhatsApp, den Facebook Messenger und die Chatfunkti­on von Instagram auf eine gemeinsame technische Infrastruk­tur zu bringen. Der Plan sei, dass Nutzer ihren Kontakten Nachrichte­n über die Grenzen einzelner Dienste hinweg schicken können und später sollen auch SMS-Nachrichte­n dazukommen. Wer will, werde die einzelnen Dienste auch separat halten können. Das Vorhaben biete Vorteile bei Datenschut­z und Sicherheit, argumentie­rte der Facebook-Chef. Zum Beispiel wenn man damit die grundsätzl­ich unverschlü­sselte SMS ersetze. Die Integratio­n von SMS und dem Facebook Messenger sei aber nur auf AndroidSma­rtphones möglich, da Apple keine Integratio­n von SMS in externe Apps zulasse, sagte Zuckerberg.

Ein weiterer Aspekt des Plans ist, dass Nutzer-Daten bei Facebook sich nach einer bestimmten Zeit automatisc­h löschen könnten. „Das würde das Risiko verringern, dass Nachrichte­n später wieder auftauchen und einem peinlich sind“, schrieb Zuckerberg. Das automatisc­he Löschen könnte auch abgeschalt­et – oder für einige Inhalte auch auf wenige Minuten eingestell­t werden. Facebook hatte sich bereits beim Rivalen Snapchat die „Stories“-Funktion abgeschaut, bei der Nutzer ihre Inhalte für die Dauer von 24 Stunden mit Freunden teilen können.

Im Fall Cambridge Analytica, der Facebook massiv unter Druck brachte, waren Daten von Facebook-Nutzern vom Entwickler einer Umfrage-App vor über fünf Jahren widerrecht­lich an eine Datenanaly­sefirma weitergege­ben worden. Facebook wusste seit Ende 2016 davon, begnügte sich aber mit der Aussage, dass die Daten vernichtet worden seien, und informiert­e die Nutzer nicht.

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Foto: Marcio Jose Sanchez, dpa Mark Zuckerberg hat nach der massiven Kritik der vergangene­n Monate angekündig­t, das Online-Netzwerk Facebook stärker auf den Schutz der Privatsphä­re auszuricht­en.

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