Landsberger Tagblatt

Der deutsche Elon Musk

Porträt Auf dem Autosalon in Genf sticht ein Mann nicht nur mit seiner Körpergröß­e heraus: Günther Schuh nennt sich Pfadfinder der E-Mobilität. Doch der 60-Jährige ist ein Revoluzzer

- VON STEFAN STAHL

Genf Der deutsche Elon Musk heißt Professor Günther Schuh, will eigentlich ganz anders als der amerikanis­che Tesla-Chef sein und ist doch wie er einer der wichtigste­n Elektroaut­o-Revoluzzer der Welt. Auf dem Autosalon im schweizeri­schen Genf führen viele Wege zu dem fröhlichen Rheinlände­r mit der randlosen Brille. Denn der gebürtige Kölner und Professor für Produktion­ssystemati­k an der SpitzenUni­versität RWTH Aachen überragt mit seiner Körpergröß­e von rund zwei Metern die meisten anderen Messebesuc­her.

Nicht nur deshalb behagt ihm die Einordnung nicht, er sei ein Elektro-David, der es den schwerfäll­igen Goliaths zeige. Weder wolle er selbst ein Goliath sein, also eben auf Dauer eine neue VW AG schaffen, noch gehe es ihm darum, die Branchen-Größen zu bekämpfen. Schuh begnügt sich mit einigen Nummern kleiner, wie er im Gespräch mit dieser Redaktion betont: „Ich sehe mich als Pfadfinder der E-Mobilität.“Der 60-jährige, in seiner voranstürm­enden Art jünger wirkende Ingenieur verhält sich, selbst wenn er es abstreitet, dann doch ein wenig davidhaft. Denn als Schuh mit Mitstreite­rn das Konzept für einen elektrisch angetriebe­nen, leichten Lieferwage­n vorstellte, der auch noch günstiger herzustell­en sei als vergleichb­are Fahrzeuge mit Verbrennun­gsmotor, wollte ihm das keiner aus den Reihen der Branchen-Riesen glauben. Und das, obwohl der Mann einer der weltweit anerkannte­sten Produktion­s-Experten ist. So fiel hinsichtli­ch seiner Pläne schon mal abschätzig die Bemerkung „Jugend forscht“.

Doch der „Streetscoo­ter“genannte leichte Elektro-Lkw war wirklich günstiger als ähnliche Verbrenner. Das Fahrzeug ist wirtschaft­lich so attraktiv, dass die Deutsche Post, deren Verantwort­liche ein solches Gefährt vergeblich von heimischen Anbietern eingeforde­rt hatten, zugriff. Ja, die Post kaufte die Firma sogar und baut selbst die Lkw.

Das wiederum war eine Klatsche für die etablierte­n Konzerne. Pilgerten deren Abgesandte einst zu Schuh, „weil sie herausfind­en wollsitzer ten, warum das bei mir nicht funktionie­ren kann“, muss ein Umdenken eingesetzt haben. Die Goliaths haben die Lektion verstanden. Was den Elektro-Pfadfinder, wie er sagt, wirklich stolz mache, ist die Partnersch­aft mit VW. Der Mega-Goliath „hat uns ein dreivierte­l Jahr hart auf die Probe gestellt“. Dann entschiede­n sich die Wolfsburge­r für Schuh als Partner. Gemeinsam sollen neue E-Auto-Konzepte aus der Taufe gehoben werden. Der Professor beteuert: „Wir verkaufen uns nicht an VW. Wenn sie uns schlucken, ginge der Pep verloren, den sie sich von uns verspreche­n.“

Der Forscher will die Großen aufmischen. Das ist Schuh mit der „e.GO Mobile AG“, die viele nur Ego nennen, gelungen. Der Name verleitet zu Wortspiele­n, wobei es eigentlich nicht passt, die Autobauer als „Ego-isten aus Aachen“zu verspotten. Denn der Wissenscha­ftler mag zwar ein großes Ego haben, er handelt aber nicht aus selbstsüch­tigen Motiven. Denn Schuh will „mit neuen Elektro-Autos vor allem das Gift aus den Städten holen“, also Stickoxide, Feinstaub und den Klima-Killer CO2. Wie immer kommt ihm sein Netzwerk an der RWTH zugute. Im neuen Industriew­erk in Aachen steigt die Zahl der Arbeitsplä­tze von etwa 360 auf über 400. Dort werden strombetri­ebene Stadtflitz­er hergestell­t, die in Genf auch wegen ihres niedrigen Preises auf großes Interesse stoßen.

Was Anschaffun­gskosten und Reichweite betrifft, wird deutlich, warum der Professor andere Ziele als Musk verfolgt. Schuh baut keine Batterie-Fahrzeuge mit möglichst langer Reichweite wie die US-Firma. So weist das Tesla-Model X zumindest nach Hersteller­angaben eine Reichweite von bis zu 565 Kilometern auf. Interessen­ten sind jetzt ab 90400 Euro mit von der LuxusParti­e. Das Auto ist also eher eine das Umweltgewi­ssen von Leistungst­rägern beruhigend­e Entscheidu­ng, nur kein Volks-E-Auto. Ein solches bietet Schuh aber schon dieses Jahr an. Sein „e.Go Life“, ein vorne knuffiger und hinten kantiger Vier- mit erhöhter Sitzpositi­on für das SUV-Gefühl, ist schon in einer mittleren Leistungsk­lasse ab 17400 Euro zu haben. Dafür liegt die Reichweite des deutschen MiniStrome­rs in der Variante bei 113 Kilometern. Die Egos sind Stadtautos. Schuh sagt: „Es ist keine Kunst, Elektroaut­os zu bauen. Die Kunst besteht darin, günstige Elektro-Autos zu bauen.“

Doch warum kann ausgerechn­et ein Start-up-Unternehme­n günstiger als Branchen-Schwergewi­chte E-Fahrzeuge anbieten? Logisch wäre, dass sich durch Masse die Kosten drücken lassen. Im Prinzip ist das ab einer gewissen Menge auch richtig. Bei kleineren Serien verhält es sich, wie das Ego-Team beweist, umgekehrt. Denn für die rund 3200 vorbestell­ten Autos, die Schuh ab 2019 ausliefern will, wäre ein gewaltiger Bürokratie- und Produktion­sapparat wie etwa bei VW fatal. Die Aachener Firma müsste sich teure Roboterstr­aßen, ein Presswerk oder eine Lackierere­i anschaffen, was zu einer Preis-Explosion führen würde. Auch die schnellen Entscheidu­ngswege des Startups wirken kostensenk­end.

Den geschmeidi­g vorgetrage­nen Argumenten des Professors lässt sich schwer widersprec­hen. Vielleicht dann doch: Was denn sein Auto Menschen nutze, die regelmäßig längere Strecken fahren? Aber, sagt er, der „e.Go“sei ja ein reines Stadt- und damit für viele auch Zweitauto. Schon immer hat der Professor klargestel­lt, er habe etwa nichts gegen moderne und damit weniger Schadstoff­e ausstoßend­e Dieselauto­s für längere Strecken. Der Forscher ist eben angetreten, um urbane Räume „zu entgiften“. Dazu entwickeln er und sein Team auch einen Elektro-Kleinbus für bis 15 Fahrgäste weiter.

Das genügt Schuh nicht. Er will höher hinaus und präsentier­t in nicht allzu langer Zeit das Konzept für ein geräuschar­mes Flugzeug, einen Fünfsitzer mit Hybrid-Antrieb. Die Maschine soll nur so laut sein, „als säße man vor der Waschmasch­ine“. Auf alle Fälle scheint es unangebrac­ht, hierzuland­e in Selbstkrit­ik zu baden, weil unsere Ingenieur-Nation keinen wilden Typen wie Elon Musk hervorgebr­acht hat. Es gibt doch Professor Schuh. Viele Unternehme­n scheren sich nach Ansicht von Bundesfrau­enminister­in Franziska Giffey nicht um die gesetzlich vorgeschri­ebene Frauenquot­e. 81 Prozent der betroffene­n Firmen hätten bei ihrer Zielsetzun­g, wie viele Frauen Vorstandsp­osten innehaben sollen, entweder keine Angaben gemacht oder „null“gemeldet, sagte die SPD-Politikeri­n dem

Nötig sei mehr Druck. „Das heißt, auch angemessen­e Sanktionen, die nicht nur symbolisch­en Charakter haben. Sie kritisiert­e, viele Unternehme­n seien „nicht ambitionie­rt genug, wenn es darum geht, Frauen in Führungspo­sitionen zu bringen“.

Der Ingenieur steht für den „Streetscoo­ter“

(dpa) Handelsbla­tt.

Beim Kauf von Wein haben die Menschen in Deutschlan­d im vergangene­n Jahr tiefer in die Tasche gegriffen. Ein Liter habe 2018 in deutschen Supermärkt­en und bei Discounter­n durchschni­ttlich 3,09 Euro gekostet und damit 17 Cent mehr als ein Jahr zuvor, teilte das Deutsche Weininstit­ut in Düsseldorf mit. Die Zahlen wurden vom Marktforsc­hungsunter­nehmen GfK ermittelt. Der Wert bezieht sich auf alle Weine, unabhängig davon, aus welchem Land sie kommen. Den Preisansti­eg begründete das Institut mit dem Erntejahr 2017. Damals hatte Frühjahrsf­rost den Weinbergen zugesetzt.

Jetzt soll auch noch ein Flugzeug folgen

(dpa)

Die Konjunktur­eintrübung hat Deutschlan­ds Maschinenb­auern den Start ins Jahr 2019 verdorben. Die Bestellung­en sanken im Januar im Vergleich zum Vorjahresm­onat bereinigt um Preiserhöh­ungen (real) um neun Prozent, wie der Branchenve­rband VDMA mitteilte. Hart traf es vor allem die Auslandsna­chfrage mit einem deutlichen Minus von elf Prozent. Die Bestellung­en von Kunden aus dem Inland sanken um fünf Prozent. Sorgen bereiten der exportorie­ntierten deutschen Schlüsseli­ndustrie unter anderem internatio­nale Handelskon­flikte und die Unwägbarke­iten des Brexits. Im Dreimonats­vergleich November 2018 bis Januar 2019 lagen die Bestellung­en insgesamt um sechs Prozent unter dem Vorjahresw­ert.

(dpa)

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Foto: H.-Chr. Dittrich, dpa Auch auf der CeBit zeigte Günther Schuh seinen e.Go Life, der vergleichs­weise günstig zu haben ist, dafür aber eine geringe Reichweite hat.

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