Landsberger Tagblatt

Die Augsburger Panther gewinnen in Düsseldorf – Serie wieder ausgeglich­en

Bundesliga Erwin und Helmut Kremers sorgten in den 70er Jahren für Schlagzeil­en – nicht nur auf dem Fußballpla­tz. Am Sonntag feiern sie ihren 70. Geburtstag

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Düsseldorf Sie galten als Popstars des Fußballs, als unzertrenn­lich und – zum Leidwesen einiger Trainer – als unzähmbar. Erwin und Helmut Kremers waren die ersten Zwillinge in der Bundesliga. In den 70er Jahren stiegen sie beim FC Schalke 04 zu Kultfigure­n auf. Am Sonntag wird das Duo 70 Jahre alt. Trotz des runden Geburtstag­s ist kein großer Bahnhof geplant. „Wie immer machen wir das im kleinen Familienkr­eis. Ich bin nicht fürs Feiern gemacht“, sagte Erwin Kremers. Die in Mönchengla­dbach geborenen Zwillinge stehen für eine Zeit, als der Fußball noch ohne Laptops und Medienbera­ter auskam.

In einer Kolumne für die Funke Mediengrup­pe machte sich Erwin Kremers unlängst über diverse Tendenzen im modernen Profigesch­äft lustig: „Wir hatten keine falsche Neun, keine hängende Spitze und keinen Box-to-Box-Spieler, sondern einfach eine schöne Zeit.“Tiki-Taka bezeichnet­e er als „buddhistis­ches Ballgeschi­ebe“und spottete über den inflationä­ren Gebrauch

Helmut büxte aus der Sportschul­e Malente aus

neuer Begriffe: „Wenn der Trainer eine falsche Raute sehen wollte, brachte ihm jemand Salmiakpas­tillen.“Oder: „Wir hatten auch eine abkippende Sechs, allerdings erst nach dem zwölften Pils.“Als wehmütige Huldigung der guten alten Zeit wollte der einstige Linksaußen diesen Beitrag – bei aller Freude über „die sensatione­lle Resonanz“– jedoch nicht verstanden wissen: „Früher war alles schlechter“, kommentier­te er. Gleichwohl pflegte der Europameis­ter von 1972 mit der ironischen Kolumne das Image der Zwillinge.

Denn schon zu ihrer aktiven Zeit sorgten sie für zahlreiche Anekdoten. Abwehrspie­ler Helmut büxte vor dem Start der Heim-WM 1974 im Dunkeln aus der Sportschul­e Malente aus und wurde bei seiner morgendlic­hen Rückkehr vom damaligen Co-Trainer Jupp Derwall erwischt.

Offensivkr­aft Erwin, der beim EM-Triumph zwei Jahre zuvor im Endspiel gegen Russland noch in der Startelf gestanden hatte, brachte sich um eine WM-Nominierun­g, weil er am letzten Spieltag der Sai- son 1973/74 den Schiedsric­hter als „blöde Sau“tituliert und sich deshalb einen Platzverwe­is eingehande­lt hatte. „So etwas wäre mir im normalen Leben nie passiert“, sagte er rückblicke­nd.

Selbst die Jugendzeit­schrift Bravo widmete dem Duo Titelseite­n. Mit dem Song „Das Mädchen meiner Träume“eroberten „Die Kremers“1974 immerhin Rang 44 der deutschen Musikchart­s – und nebenher die Herzen vieler weiblicher Fans. „Der Vater von Vicky Leandros hat das Lied produziert“, verriet Helmut Kremers, der eigentlich Fan der Rolling Stones war und Schnulzen hasste. Die Erinnerung an ihre Zeit als Sänger bringt Bruder Erwin noch heute zum Schmunzeln: „Irgendjema­nd hat mir damals erzählt, dass wir sogar vor Elvis Presley und Udo Jürgens liegen.“Die Zwillinge gab es zu dieser Zeit nur im Doppelpack – auch im sportliche­n Bereich. Nach ihren ersten zwei Profijahre­n in Mönchengla­dbach und zwei weiteren bei den Kickers Offenbach wechselten sie kurz nach dem Bundesliga-Skandal 1971 zum FC Schalke 04. Dort erlebten sie gemeinsam bis 1979 ihre erfolgreic­hste Zeit als Fußballer und schafften den Sprung in die Nationalma­nnschaft. Auf Schalke gehörten sie zu jenem Team, von dem viele Fans noch heute schwärmen.

Doch bei allen Erfolgen blieb ein Makel: Der königsblau­e Talentschu­ppen gewann 1972 zwar den DFB-Pokal, musste sich aber im Kampf um die Meistersch­ale mit Rang zwei hinter dem FC Bayern begnügen. „Das ist die größte Enttäuschu­ng meines Lebens“, gestand Erwin Kremers, der sich heute sozialen Projekten widmet. Während sich der Flügelflit­zer 1979 zurückzog, blieb sein Bruder dem Profifußba­ll treu.

Unter Schalke-Präsident Günter Eichberg war er Manager, half in einem Zweitligas­piel 1989 zusammen mit Klaus Fischer als Trainer aus und wurde 1994 sogar Präsident. Seine überrasche­nde Wahl in das Amt verdankte er einer von den Mitglieder­n stürmisch gefeierten Rede. Die entscheide­nde Botschaft schrieb Erwin ins Redemanusk­ript: „Für Dortmund haben wir uns zu meiner Zeit nicht umgezogen.“Nicht zuletzt auf brüderlich­en Rat warf Helmut nach nur drei Monaten das Handtuch. „Ich habe ihm gesagt, dass ich kein Wort mehr mit ihm rede, wenn er weitermach­t. Er hat auf mich gehört“, erinnert sich Erwin.

Immerhin kann der heute im Immobilien­geschäft tätige Helmut für sich in Anspruch nehmen, der letzte Präsident des Revierklub­s gewesen zu sein. Durch eine Satzungsän­derung wurde das Amt durch einen vom Aufsichtsr­at bestellten Vorstand ersetzt. Beim Blick zurück auf die Karriere überwiegt bei Erwin Kremers Zufriedenh­eit. Nur eine Sache bereut er bis heute: „Ich hätte nach meiner aktiven Laufbahn in die Politik gehen sollen und mich für die Umwelt einsetzen sollen. Ich sorge mich um sie.“

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Foto: dpa Die Standfeste­n: Helmut (links) und Erwin Kremers feiern ihren runden Geburtstag.
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Foto: Sven Simon Die Überfliege­r: Helmut (links) und Erwin Kremers im SchalkeTra­iningsanzu­g zu Beginn der 70er Jahre.

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