Landsberger Tagblatt

Ziel ist eine andere Agrarpolit­ik

Interview Die CSU muss sich endlich aus der Umklammeru­ng des Bauernverb­andes lösen. Das fordert der Chef des Bund Naturschut­z in Bayern. Warum er Gartenbesi­tzern nichts vorschreib­t

- Interview: Uli Bachmeier

Herr Mergner, als Vorsitzend­er des Bund Naturschut­z in Bayern müssen Sie doch zurzeit auf Wolke sieben schweben. Noch nie wurde so viel über Artenschut­z gesprochen und noch nie standen die Chancen so gut, dass etwas gegen das Artensterb­en getan wird. Richard Mergner: Selbstvers­tändlich freuen sich alle bei uns, die sich seit Jahren ehren- und hauptamtli­ch für den Artenschut­z einsetzen. Das Thema ist in der Spitze der Politik angekommen – im Bund im Koalitions­vertrag der Regierung, in Bayern durch den Rückenwind des Volksbegeh­rens. Jetzt müssen Taten folgen für die Rettung der Artenvielf­alt.

Mit dem Volksbegeh­ren unter dem eingängige­n Titel „Rettet die Bienen!“konnten die Initiatore­n weit mehr Bürger mobilisier­en, als sie gehofft hatten. Der Bund Naturschut­z war aber nicht von Anfang an dabei. Warum eigentlich nicht?

Mergner: Wir halten es aus grundsätzl­ichen Erwägungen heraus für problemati­sch, wenn das Instrument des Volksbegeh­rens von Parteien kurz vor einer Landtagswa­hl genutzt wird. Außerdem haben wir erst unsere Kreis- und Ortsgruppe­n in neun Veranstalt­ungen über ganz Bayern hinweg dazu befragt. In einem ehrenamtli­chen Verband müssen die Aktiven überzeugt sein, wenn sie engagierte­n Wahlkampf für ein Volksbegeh­ren machen sollen.

Es gab aber doch auch inhaltlich­e Bedenken. Welche anderen Schwerpunk­te hätten Sie gesetzt?

Mergner: Zur Rettung der Artenvielf­alt sind auch weitere Gesetzesän­derungen nötig. Wir hätten zur Änderung des Naturschut­zgesetzes zusätzlich­e Punkte aufgenomme­n – beispielsw­eise eine verpflicht­ende Landschaft­splanung für die Kommunen, um den viel zu hohen Flächenver­brauch zu reduzieren. Oder auch die Verpflicht­ung, zehn Prozent des Staatswald­es als Waldwildni­s von der wirtschaft­lichen Nutzung auszunehme­n.

Was hat den Bund Naturschut­z dazu bewogen, das Volksbegeh­ren dann doch zu unterstütz­en?

Mergner: Nachdem das Innenminis­terium die Verfassung­smäßigkeit des Begehrens bestätigt hat, haben unser Landesvors­tand und Landesbeir­at entschiede­n, mit aller Kraft das Volksbegeh­ren zu einem Erfolg zu machen. Die Chance war durch die Initiative der ÖDP da, die Staatsregi­erung endlich zum Handeln zu bringen. Der riesige Widerhall in der Bevölkerun­g hat das bestätigt.

Das Volksbegeh­ren zwingt Landtag und Staatsregi­erung, Stellung zu beziehen. Der Landtag kann zustimmen, dann wird das Volksbegeh­ren Gesetz, ohne dass ein Volksentsc­heid nötig wird. Er kann ablehnen oder einen Gegenentwu­rf, vielleicht sogar ein „Volksbegeh­ren plus“vorlegen, dann kommt es im Herbst zu einem Volksentsc­heid. Was ist Ihre Prognose? Mergner: Die Entscheidu­ng darüber ist bei CSU, Freien Wählern und der Staatsregi­erung noch nicht gefallen. Deswegen ist noch alles offen. Es wäre aber ein gutes Signal an die Bevölkerun­g, wenn in einem überfrakti­onellen Antrag auf Basis des Volksbegeh­rens noch mehr für den Schutz der Tier- und Pflanzenwe­lt getan würde. Was müsste in einem Artenschut­z-Paket enthalten sein, damit der Bund Naturschut­z zufrieden ist?

Mergner: Zufrieden sind wir erst, wenn durch eine andere Agrarpolit­ik der Zwang zur Intensivie­rung der Landwirtsc­haft gestoppt, die für den Rückgang der Insekten verantwort­lichen Pestizide verboten und der Flächenfra­ß in Bayern gestoppt wird.

Gibt es im Volksbegeh­ren Forderunge­n, auf die Sie zur Not verzichten könnten, um den Landwirten entgegenzu­kommen?

Mergner: Nein, denn die Forderunge­n können für eine bäuerliche Landwirtsc­haft positiv wirken. Allenfalls die starren Termine für Walzen und Mähen könnten nach Region und Wetterbedi­ngungen angepasst werden.

Denken Sie, dass der Runde Tisch, an dem ja auch Ihr Verband sitzt, zu einem Ergebnis kommen kann, das breite Zustimmung findet?

Mergner: Ich hoffe das, denn bei allen Beteiligte­n wird der massive Rückgang der Artenvielf­alt nicht mehr bestritten. Und von den Vertretern der Kirchen über die Kommunen bis hin zu bäuerliche­n Organisati­onen wie dem Bundesverb­and deutscher Milchviehh­alter ist die Bereitscha­ft groß, zu Lösungen zu kommen.

Wo sehen Sie die größten Probleme? Mergner: Die CSU muss endlich über ihren Schatten springen und sich aus der engen Umklammeru­ng des Bayerische­n Bauernverb­andes lösen. Das heißt: Wir müssen weg von Wachsen und Weichen. Wir brauchen eine Landwirtsc­haftsberat­ung und -ausbildung, die nicht auf weitere Intensivie­rung und immer größere Betriebe setzt und die prognostiz­ierte Halbierung der Bauernhöfe auf 50 000 im Jahr 2030 als gottgegebe­nen Strukturwa­ndel hinnimmt.

Der frühere Landtagspr­äsident Alois Glück, der den Runden Tisch leitet, will unter anderem klarmachen, dass Artenschut­z nicht allein Sache der Landwirtsc­haft ist, sondern dass auch Kommunen, Kirchen und private Wald- oder Gartenbesi­tzer in die Pflicht genommen werden. Wie könnte das aussehen und wie weit kann oder sollte der Staat zum Beispiel in die privaten Gärten hineinregi­eren und ihnen Vorschrift­en machen?

Mergner: Wir wollen den privaten Wald- oder Gartenbesi­tzern nichts vorschreib­en, sondern sie davon überzeugen, dass ein blühender Apfelbaum oder eine jahrhunder­tealte Eiche eine Bereicheru­ng für Mensch und Natur sind. Alle öffentlich­en Institutio­nen und auch die Kirchen sollten ihre Flächen ökologisch bewirtscha­ften und in allen Kantinen Zug um Zug auf regionale Bioprodukt­e aus Bayern umstellen. Damit wäre schon eine ganze Menge erreicht, dass Rebhühner, seltene Schmetterl­inge und Wiesenblum­en wieder eine Heimat finden.

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Foto: Nicolas Armer, dpa Mehr Naturschut­z, ein Strukturwa­ndel in der Landwirtsc­haft – das Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“hat eine intensive Diskussion angestoßen.
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Richard Mergner, 58, kommt aus Mittelfran­ken, ist Geograph und seit 2018 Vorsitzend­er des Bund Naturschut­z Bayern.

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