Ganz in Grün
Nachhaltige, faire Kleidung liegt gerade voll im Trend. Es gibt immer mehr Labels, die mit ihren Kollektionen die Welt ein kleines bisschen besser machen wollen – so wie ein paar Bio-Modemacher aus Augsburg
Die Geschichte beginnt am anderen Ende der Welt, wo Fabian Frei über das Leben nachdenkt. Über das, was glücklich macht. Was man braucht – und was nicht. Und darüber, wie wir eigentlich mit unserem Planeten umgehen. Irgendwie formt sich irgendwo in der grandiosen Natur Neuseelands diese Idee, die den jungen Mann nicht mehr loslässt: Ein Modelabel zu gründen, das es schafft, ökologischen Anspruch mit einer lässig-legeren Surfer-Attitüde zu paaren. „Es sollte eine LifestyleMarke sein, die aber nicht die Basis des Lifestyles – nämlich die Natur – zerstört“, sagt Frei heute, etwa zehn Jahre nach seiner NeuseelandReise.
Und aus der Idee, die damals geboren wurde, ist Wirklichkeit geworden. Frei und sein Studienfreund Wolfgang Schimpfle haben in Augsburg das Label „Degree Clothing“gegründet. Die Mode ist bio, nachhaltig und fair. Und das liegt derzeit voll im Trend.
Denn längst geht es nicht mehr nur um Lebensmittel. Nicht mehr nur darum, im Bio-Supermarkt fair gehandelte Schokolade und Fleisch von artgerecht gehaltenen Tieren zu kaufen – all das boomt seit langem. Der nachhaltige Lebensstil hat inzwischen auch die Mode erobert: Einige große Ketten wie H&M oder C&A bieten „grüne“Kollektionen an. Es gibt Eco-Fashion-Weeks, bei denen Models auf dem Laufsteg die neuesten Bio-Kreationen zeigen. Schauspielerin Emma Watson kündigte an, auf dem roten Teppich nur noch nachhaltige Kleider tragen zu wollen. Und die Zahl der kleinen, unabhängigen Läden, die Bio-Mode anbieten, steigt rasant an.
Das Geschäft von „Degree Clothing“liegt inmitten der Augsburger Altstadt, an einer kleinen Kopfsteinpflasterstraße. Draußen plätschert ein schmaler Kanal in der Spätnachmittagssonne, drinnen läuft jazzige Loungemusik. Fabian Frei, 30 Jahre alt, steht hinter dem Verkaufstresen, in der Hand eine Tasse Kaffee. Die dunklen, langen Haare hat er locker zusammengebunden. „Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit wird sich weiter verstärken“, sagt er und nippt an seinem Kaffee.
Dann deutet er auf ein weißes T-Shirt, das an einer Kleiderstange hängt. „Das besteht aus 100 Prozent Bio-Baumwolle“, sagt er. Die Baumwolle, die ohne chemische Dünger, Pestizide und Gentechnik angebaut wird, kommt aus der Türkei, „Degree Clothing“garantiert, dass das Produkt unter fairen Arbeitsbedingungen geerntet und verarbeitet wird. In Portugal werden dann daraus die Shirts gefertigt und nach Deutschland gebracht – und zwar nicht mit dem Flugzeug, sondern mit der Bahn. „Unsere Klamotten werden nicht rund um die Welt geschickt, das minimiert den CO2-Verbrauch“, sagt Frei. Manche Produkte des Labels werden sogar komplett in Augsburg produziert, etwa der faire Haargummi – ganz ohne Plastik –, der im Textilmuseum und in den SchäfflerbachWerkstätten hergestellt wird. Die Klamotten sind außerdem alle vegan – sie kommen also ohne tierische Komponenten wie Leder oder Seide aus.
Das Konzept der jungen Modemacher geht auf. Erst vor kurzem haben sie in der Augsburger Innenstadt das Suslet-Outlet eröffnet – das erste nachhaltige Outlet der Welt. Fast 100 Händler im deutschsprachigen Raum vertreiben die Kleidungsstücke der jungen Augsburger. Viele bestellen sich ihr Lieblingsteil auch über den Onlineshop des Unternehmens.
Faire Mode steht im krassen Gegensatz zu all den Billigprodukten, die in asiatischen und afrikanischen Ländern im Auftrag großer Modeunternehmen hergestellt werden. Der niedrige Preis hat seine Schattenseiten: Die Arbeitsbedingungen in den Fabriken sind oft katastrophal. Und die Löhne extrem niedrig. Eine Näherin, die täglich zehn Stunden oder mehr arbeitet, verdient in Bangladesch nicht einmal zehn Euro pro Monat. Hinzu kommt: Die Arbeiter kommen beim Färben von Textilien Tag für Tag mit Giftstoffen in Berührung, die krank machen können – den, der die Klamotten herstellt, aber auch den, der sie irgendwann trägt.
Viele Menschen lehnen all das konsequent ab. Bewusstes Leben, eine nachhaltige Selbstverwirklichung, das sei „aktuell die schönste Art des Luxus“, sagt Frei, der eigentlich Maschinenbau studiert hat. Hinter ihm an der Wand hängt der sandfarbene Schriftzug des Labels. Frei lächelt. Als die Idee einer eigenen Modemarke damals langsam Gestalt annahm, hatten er und seine Freunde das Wort „Degree“auf Fuerteventura in den Sand geschrieben. „Degree“bedeutet „Grad“und spielt auf all die Probleme an, die der Klimawandel mit sich bringt.
Mit ihrem Label wollen die Macher dem ein wenig entgegenwirken, einen Lifestyle kreieren, der die Natur nicht zerstört. Genau so, wie es sich Fabian Frei damals vorgestellt hatte. Als er am anderen Ende der Welt über das Leben nachdachte.