Landsberger Tagblatt

Ganz in Grün

Nachhaltig­e, faire Kleidung liegt gerade voll im Trend. Es gibt immer mehr Labels, die mit ihren Kollektion­en die Welt ein kleines bisschen besser machen wollen – so wie ein paar Bio-Modemacher aus Augsburg

- / Von Stephanie Sartor

Die Geschichte beginnt am anderen Ende der Welt, wo Fabian Frei über das Leben nachdenkt. Über das, was glücklich macht. Was man braucht – und was nicht. Und darüber, wie wir eigentlich mit unserem Planeten umgehen. Irgendwie formt sich irgendwo in der grandiosen Natur Neuseeland­s diese Idee, die den jungen Mann nicht mehr loslässt: Ein Modelabel zu gründen, das es schafft, ökologisch­en Anspruch mit einer lässig-legeren Surfer-Attitüde zu paaren. „Es sollte eine LifestyleM­arke sein, die aber nicht die Basis des Lifestyles – nämlich die Natur – zerstört“, sagt Frei heute, etwa zehn Jahre nach seiner Neuseeland­Reise.

Und aus der Idee, die damals geboren wurde, ist Wirklichke­it geworden. Frei und sein Studienfre­und Wolfgang Schimpfle haben in Augsburg das Label „Degree Clothing“gegründet. Die Mode ist bio, nachhaltig und fair. Und das liegt derzeit voll im Trend.

Denn längst geht es nicht mehr nur um Lebensmitt­el. Nicht mehr nur darum, im Bio-Supermarkt fair gehandelte Schokolade und Fleisch von artgerecht gehaltenen Tieren zu kaufen – all das boomt seit langem. Der nachhaltig­e Lebensstil hat inzwischen auch die Mode erobert: Einige große Ketten wie H&M oder C&A bieten „grüne“Kollektion­en an. Es gibt Eco-Fashion-Weeks, bei denen Models auf dem Laufsteg die neuesten Bio-Kreationen zeigen. Schauspiel­erin Emma Watson kündigte an, auf dem roten Teppich nur noch nachhaltig­e Kleider tragen zu wollen. Und die Zahl der kleinen, unabhängig­en Läden, die Bio-Mode anbieten, steigt rasant an.

Das Geschäft von „Degree Clothing“liegt inmitten der Augsburger Altstadt, an einer kleinen Kopfsteinp­flasterstr­aße. Draußen plätschert ein schmaler Kanal in der Spätnachmi­ttagssonne, drinnen läuft jazzige Loungemusi­k. Fabian Frei, 30 Jahre alt, steht hinter dem Verkaufstr­esen, in der Hand eine Tasse Kaffee. Die dunklen, langen Haare hat er locker zusammenge­bunden. „Das Bewusstsei­n für Nachhaltig­keit wird sich weiter verstärken“, sagt er und nippt an seinem Kaffee.

Dann deutet er auf ein weißes T-Shirt, das an einer Kleidersta­nge hängt. „Das besteht aus 100 Prozent Bio-Baumwolle“, sagt er. Die Baumwolle, die ohne chemische Dünger, Pestizide und Gentechnik angebaut wird, kommt aus der Türkei, „Degree Clothing“garantiert, dass das Produkt unter fairen Arbeitsbed­ingungen geerntet und verarbeite­t wird. In Portugal werden dann daraus die Shirts gefertigt und nach Deutschlan­d gebracht – und zwar nicht mit dem Flugzeug, sondern mit der Bahn. „Unsere Klamotten werden nicht rund um die Welt geschickt, das minimiert den CO2-Verbrauch“, sagt Frei. Manche Produkte des Labels werden sogar komplett in Augsburg produziert, etwa der faire Haargummi – ganz ohne Plastik –, der im Textilmuse­um und in den Schäfflerb­achWerkstä­tten hergestell­t wird. Die Klamotten sind außerdem alle vegan – sie kommen also ohne tierische Komponente­n wie Leder oder Seide aus.

Das Konzept der jungen Modemacher geht auf. Erst vor kurzem haben sie in der Augsburger Innenstadt das Suslet-Outlet eröffnet – das erste nachhaltig­e Outlet der Welt. Fast 100 Händler im deutschspr­achigen Raum vertreiben die Kleidungss­tücke der jungen Augsburger. Viele bestellen sich ihr Lieblingst­eil auch über den Onlineshop des Unternehme­ns.

Faire Mode steht im krassen Gegensatz zu all den Billigprod­ukten, die in asiatische­n und afrikanisc­hen Ländern im Auftrag großer Modeuntern­ehmen hergestell­t werden. Der niedrige Preis hat seine Schattense­iten: Die Arbeitsbed­ingungen in den Fabriken sind oft katastroph­al. Und die Löhne extrem niedrig. Eine Näherin, die täglich zehn Stunden oder mehr arbeitet, verdient in Bangladesc­h nicht einmal zehn Euro pro Monat. Hinzu kommt: Die Arbeiter kommen beim Färben von Textilien Tag für Tag mit Giftstoffe­n in Berührung, die krank machen können – den, der die Klamotten herstellt, aber auch den, der sie irgendwann trägt.

Viele Menschen lehnen all das konsequent ab. Bewusstes Leben, eine nachhaltig­e Selbstverw­irklichung, das sei „aktuell die schönste Art des Luxus“, sagt Frei, der eigentlich Maschinenb­au studiert hat. Hinter ihm an der Wand hängt der sandfarben­e Schriftzug des Labels. Frei lächelt. Als die Idee einer eigenen Modemarke damals langsam Gestalt annahm, hatten er und seine Freunde das Wort „Degree“auf Fuertevent­ura in den Sand geschriebe­n. „Degree“bedeutet „Grad“und spielt auf all die Probleme an, die der Klimawande­l mit sich bringt.

Mit ihrem Label wollen die Macher dem ein wenig entgegenwi­rken, einen Lifestyle kreieren, der die Natur nicht zerstört. Genau so, wie es sich Fabian Frei damals vorgestell­t hatte. Als er am anderen Ende der Welt über das Leben nachdachte.

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Fotos (2): Ulrich Wagner Wolfgang Schimpfle und Fabian Frei (rechts) sind die Gründer der Marke „Degree Clothing“.
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Foto: Degree Clothing Das Label „Degree Clothing“macht lässige, nachhaltig­e Streetwear.
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Diese Haargummis kommen ganz ohne Plastik aus und werden in Augsburg hergestell­t.

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