„Ich kann, ich muss nicht mehr“
Das Interview Roland Kaiser war Schlagerstar, geht aber mit der Zeit – und lebt seit Jahren mit Spenderlunge. Er singt über das Leben und spricht über sich
Muss auch eine Koryphäe wie Sie mit jedem neuen Album um die Hörer werben? Kaiser: Ja, selbstverständlich. Natürlich versuchen Sie, eine Mehrheitsfähigkeit zu erreichen und dabei sind Sie immer vom Geschmack des Publikums abhängig. Wenn der Erfolg vorher berechenbar wäre, wäre es ja nicht so interessant. Und logischerweise habe ich lieber viele Hörer als wenige.
Im Lied „Stark“singen Sie über ein Leben ohne Drehbuch und ohne Plan. Mögen Sie Ihr Leben so?
Kaiser: Nein. Der Text hat nichts mit mir zu tun. Ich schreibe meine Lieder nicht mehr selbst. Ich interpretiere sie wie ein Schauspieler. Ich selbst bin ein Mensch, der in seinem Leben versucht, die Dinge zu organisieren und überschaubar zu planen. Wir denken zum Beispiel jetzt bereits über die Tourneen in den Jahren 2021 und 2022 nach. Sie können sowieso nicht alles, was Sie in Ihren Liedern singen, selbst erlebt haben. Dann müsste ich nicht 66, sondern 166 Jahre alt sein (lacht). Würden Sie gerne so alt werden?
Kaiser: Nein. Das möchte ich nicht.
Der Titelsong klingt wie ein JamesBond-Lied. Absicht?
Kaiser: Ja, diese Assoziation hatte ich auch. Ich wollte in dem Stück eine Atmosphäre schaffen wie in „Skyfall“von Adele.
Mögen Sie die Figur James Bond?
Kaiser: Alle Filme, die es mit ihm gibt, habe ich zu Hause. Die kann ich mir jederzeit anschauen, weil das für mich Filme sind, die spannend und sehr unterhaltsam gemacht sind. Und ich mag es, wie er sich selbst auf die Schippe nimmt, wie mit seiner Unbesiegbarkeit gespielt wird.
Gibt es Parallelen zwischen James Bond und Roland Kaiser?
Kaiser: Weder beruflich noch optisch.
Sie kleiden sich beide sehr gut.
Kaiser: Ich ziehe mich einfach gern gepflegt an.
Das Album klingt sehr zeitgemäß, nach 2019. Ist Ihnen das wichtig? Kaiser: Wenn Sie quer durch die Bevölkerung, von Jung bis Alt, die Menschen erreichen wollen, dann muss Ihnen das wichtig sein. Ich habe mit Soundmischern zusammengearbeitet, die etwa Justin Timberlake, Adele, Depeche Mode oder Cat Stevens gemixt haben, auch Herbert Grönemeyer und Johannes Oerding. Soundmischer, die also kei- ne sehr ausgeprägte Schlageraffinität haben. Ich finde, man kann deutsche Musik mit deutschen Texten durchaus so aufnehmen, dass sie international klingt.
Über herkömmlichen Schlager geht Ihr Album aber deutlich hinaus, oder?
Kaiser: Ich möchte das nicht bewerten oder mich über andere erheben. Ich möchte gerne im Mainstream stattfinden. Ob das dann Schlager, Pop oder Popschlager ist, das müssen andere entscheiden. Den jungen Leuten ist diese Definition sowieso nicht wichtig, die hören heute ganz selbstverständlich sowohl Revolverheld als auch Roland Kaiser. Kennen Sie sich aus in den Charts?
Kaiser: Über meine Kinder, speziell meine Tochter, die sehr viel Popmusik hören, bekomme ich viel mit. Ich höre eine Menge Musik, vor allem im Autoradio. Für mich ist immer spannend, welche Sounds und Rhythmen zum Beispiel Adel Tawil oder Mark Forster verwenden. Ich lasse mich gern anregen.
Dass so viele Generationen Ihre Musik hören, ist nicht selbstverständlich.
Wie haben Sie das hinbekommen? Kaiser: Ich habe 45 Jahre lang versucht, mit der Zeit zu gehen, ohne mich dabei zu verlassen. Mich aktuell zu präsentieren, aber trotzdem nicht jeden Trend mitzumachen – um das schöne Wort „Authentizität“mal zu vermeiden. Wenn dieser Spagat gelingt, dann kann man es schaffen, eine Konstante für die Menschen zu sein. Weil sie wissen, wenn sie zu Roland Kaiser gehen, bekommen sie einfach ein gutes Konzert. Ich bin seit 45 Jahren da, und das ist für manche Menschen einfach angenehm. Aber die Zuneigung des Publikums zu erklären, ist immer schwer. Vor allem, wenn es der Betreffende selbst machen soll.
Hatten Sie je den Wunsch, mal auszubrechen?
Kaiser: Nein. Ich bin mit meinem Beruf sehr zufrieden und glücklich. Mein Erfolg wird heute von sehr viel Demut und Dankbarkeit meinerseits begleitet. Wenn man ein gewisses Alter erreicht hat, weiß man, dass es keine Gewähr und keine Garantie gibt. Und auch, wenn der Erfolg groß wird, muss man bemüht sein, die Füße auf dem Boden zu halten. Wenn das alles funktioniert, dann kann so eine Karriere eine Dauerhaftigkeit annehmen.
Fällt Ihnen das mit den Füßen auf dem Boden leichter als in den 80er Jahren, als Sie noch wilder waren?
Kaiser: Ja, heute ist das leichter. Auch, weil ich gesehen habe, was passieren kann im Leben. Womit man fertig werden muss.
Sie litten an der chronischen Lungenkrankheit COPD und erhielten 2010 eine Spenderlunge. Macht so ein Lebensereignis gelassener?
Kaiser: Ja. Wenn man aus einer Situation herauskommt, die wirklich dramatisch war und dann quasi sein zweites Leben beginnt, dann ist man den Kleinigkeiten des Alltags gegenüber deutlich entspannter. Früher hatte ich zum Beispiel auf der Bühne den Wunsch nach fehlerfreier Perfektion. Wenn heute im Konzert etwas schiefgeht, dann tangiert dies mich nicht mehr so. Ich kann, aber ich muss nicht mehr auf die Bühne.
Von Peter Plate und Ulf Leo Sommer stammt das hymnische „Liebe kann uns retten“. Das Lied hat auch eine gewisse gesellschaftliche Botschaft, oder?
Kaiser: Durchaus. Mich hat der Song sofort gepackt. Er weist auf subtile Art darauf hin, dass wir so viele positive Aspekte auf dieser Welt haben, für die es sich lohnt zu leben und auch zu kämpfen – und das in einer leisen Form, ohne erhobenen Zeigefinger …
Ist Ihnen eine solch positive Aussage wichtig in der heutigen Zeit?
Kaiser: Die ist in allen Zeiten wichtig. Wenn wir erreichen, mehr Harmonie und Gefühl füreinander zu entwickeln, haben wir weniger Aggression und weniger Gewalt. Guckt euch doch um, es ist irre schön auf dieser Welt!
Sie selbst haben sich etwa klar gegen Rechtspopulismus ausgesprochen und dafür nicht nur Zustimmung erhalten. Verfolgen Sie, was Leute in den sozialen Medien über Sie schreiben?
Kaiser: Nein. Ich lese das gar nicht.
Sie sind SPD-Mitglied. Zuletzt scheint ein wenig Leben in die Sozialdemokraten zurückgekehrt zu sein.
Kaiser: Ich finde es gut, wenn die Partei Ideen entwickelt, die sie aus der Talsohle herausholen kann. Es wäre ja schlimm, wenn der SPD gar nichts mehr einfiele.
Was halten Sie von Vorschlägen wie der „Respektrente“oder der Erhöhung des Spitzensteuersatzes?
Kaiser: Ob das alles der Weisheit letzter Schluss ist, das vermag ich nicht zu beurteilen. Aber dass etwas getan werden muss, um mehr Gerechtigkeit in die Gesellschaft zu bringen, das sehe ich absolut so.