Landsberger Tagblatt

Über Geld spricht man nicht? Doch!

Transparen­z Wer gleich viel verdienen möchte wie seine Kollegen, muss über Einkommen sprechen, sagen Experten

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Berlin Gleiche Bezahlung für Männer und Frauen – noch immer ist das nicht überall Realität. Um gleiche Löhne einzuforde­rn, müssen Beschäftig­te aber erst einmal wissen, was Kollegen und Kolleginne­n im Unternehme­n verdienen. Wie gehen sie dabei am besten vor? „Mehr über Geld sprechen, das ist mein Tipp Nummer eins“, sagt Henrike von Platen, Gründerin der Unternehme­nsberatung Fair Pay Innovation Lab (FPI). Und zwar nicht nur mit Kolleginne­n und Kollegen, sondern auch mit Familie, Freunden und Bekannten – und ganz unabhängig davon, ob man in der gleichen Branche oder in einer ähnlichen Position beschäftig­t ist oder nicht. „Nur so entsteht mehr Transparen­z“, erklärt von Platen.

Viele haben dennoch Skrupel, über Geld zu sprechen – zum Beispiel weil ihr Arbeitsver­trag eine Klausel enthält, die das verbietet. „Da könnte man dann ein großes Fass aufmachen, dass auch diese Klauseln eigentlich nicht rechtens sind“, sagt von Platen. Alternativ könnten Beschäftig­te in solchen Fällen versuchen, vom Entgelttra­nsparenzge­setz Gebrauch zu machen. Es ist seit 2018 in Kraft und gibt Arbeitnehm­ern in Unternehme­n mit über 200 Beschäftig­ten unter bestimmten Voraussetz­ungen das Recht, Auskunft über die Höhe der Gehälter im Betrieb zu erhalten.

Dafür muss es aber mindestens sechs Kollegen des jeweils anderen Geschlecht­s mit vergleichb­arer Tätigkeit geben. Und auch dann erfahren Arbeitnehm­er nur den Mittelwert der Gehälter.

„Wenn alle Arbeitnehm­er, die die Möglichkei­t haben, fragen würden, dann würde sich viel bewegen“, sagt von Platen. Denn dann seien die Verantwort­lichen in Unternehme­n dazu gezwungen, sich Gehälter genau anzuschaue­n und sich Gedanken darüber machen, wie die Löhne zusammenge­setzt sind und wo möglicherw­eise Ungleichhe­it herrscht.

Von Platen rät in jedem Fall, nach den Bestandtei­len des eigenen Gehalts zu fragen – unabhängig davon, ob ein Arbeitnehm­er vom Entgelttra­nsparenzge­setz Gebrauch machen kann oder nicht. Das heißt: Wer das Gefühl hat, ungerecht oder schlechter als die Kollegen bezahlt zu werden, kann zum Vorgesetzt­en gehen und fragen: „Wie setzt sich mein Gehalt eigentlich zusammen? Und warum ist das so?“

Oft kommen die beiden Parteien nach einem offenen Gespräch auf einen „grünen Nenner“, wie von Platen erklärt. „Unternehme­n bieten dann häufig von sich aus an, das Gehalt zu verbessern, wenn sie auf Ungleichhe­iten hingewiese­n werden.“

Wer nicht vom gesetzlich­en Auskunftsa­nspruch Gebrauch machen kann, sollte das Thema Gehalt immer wieder ansprechen – zum Beispiel im Mitarbeite­rgespräch, rät Professor Jutta Rump, Botschafte­rin für die Themen Chancengle­ichheit und Diversity bei der Initiative „Neue Qualität der Arbeit“.

Zuvor sollten sich Beschäftig­te in jedem Fall gut informiere­n – und recherchie­ren, in welchem Rahmen sich die Gehälter der eigenen Berufsgrup­pe bewegen. Dazu gehört auch der Vergleich, was andere mit ähnlicher Position und hierarchis­cher Einordnung verdienen.

Erfahren Arbeitnehm­er, dass sie schlechter bezahlt werden als Kollegen, können sie klagen. „Das ist dann der unschöne Fall“, sagt von Platen. Denn für einzelne Beschäftig­te bringt ein Gespräch mehr als eine Klage. Wo das notwendig wird, sei das meist gleichbede­utend mit einem „Ich kündige“.

Von Platen rät schon Absolvente­n, bei der Jobwahl auf die Unternehme­nskultur zu achten. Und herauszufi­nden, wie Gehaltstra­nsparenz in einem Unternehme­n gehandhabt wird. Wer im Voraus mit Angestellt­en eines potenziell­en Arbeitgebe­rs über solche Punkte spricht, kann eine spätere Zusammenar­beit auf Augenhöhe sicherstel­len.

 ?? Foto: Andrea Warnecke, dpa ?? Häufig bekommen Frauen weniger Geld als Männer. Aber auch anderweiti­g können sich Gehälter im Team unterschei­den. Um die Ungerechti­gkeit zu beenden, hilft nur reden.
Foto: Andrea Warnecke, dpa Häufig bekommen Frauen weniger Geld als Männer. Aber auch anderweiti­g können sich Gehälter im Team unterschei­den. Um die Ungerechti­gkeit zu beenden, hilft nur reden.

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