Das Lachen und der Tod
Gardi Hutter und ihre poetische Vorstellung
Landsberg Eine gute Clownvorstellung ist nicht nur Klamauk und Kapriolen. Sie ist voller Weisheit, Philosophie und Poesie. Eine solche anrührende und tiefgehende Vorstellung konnte man mit Gardi Hutter und ihrem Programm „Gaia Gaudi“im Landsberger Stadttheater erleben. Sie war Teil einer derzeit laufenden Reihe von Veranstaltungen anlässlich des Welthospiztages, organisiert vom Landsberger Hospizund Palliativverein, die noch bis 20. Oktober läuft.
Sterben und Humor, geht das? Die Antwort liefert die Schweizer Clownin Gardi Hutter mit ihrem Familien-Team, ihrer Tochter Beatriz Navarro (Tanz), ihrem Sohn Juri Cainero (Percussion, Obertongesang) und ihrer Schwiegertochter Neda Cainero (Gesang). Hutter lässt ihre erfolgreichste Bühnenfigur, die Putzfrau Hanna, sterben.
Tot sieht man sie im Sarg liegen, und gleichzeitig steht sie trotzig daneben und will nicht einsehen, dass sie gehen muss. Es treten unheimliche Rabenfiguren mit schwarzen Flügeln und weißen Knochenköpfen auf, wie aus einem Bild von Hieronymus Bosch entsprungen. Es gibt surreale, verblüffende Effekte. Hanna steht vierfach auf der Bühne, es lösen sich Körperteile, mal der Kopf, mal die Gliedmaßen. Juri Cainero beeindruckt als Tod, mystisch verhüllt, durch mongolischen Obertongesang, metallisch flirrend und vieltönig. Neda Cainero stimmt dazu einen überirdisch erscheinenden Klagegesang an, der osteuropäische Anklänge hat. Tänzerin Beatriz Navarro bringt die mexikanische wilde, ausgelassene Fröhlichkeit ein, die dem Thema Sterben in dem südamerikanischen Land entgegengebracht wird.
Hanna durchläuft im Stück einen Prozess: Erst will sie ihren Tod nicht wahrhaben. Dann wehrt sie sich, indem sie ihren Platz auf der Welt verteidigt, als Königin wird sie überheblich und überschätzt sich selbst. Sie gebiert ihre Kinder und findet zu ihrer Urmutter zurück, dargestellt in der steinernen Venus von Willendorf. Doch ihr Körper wird von kleinen Lebewesen zerlegt und die junge Generation drängt ins Leben, beansprucht ihren Platz: Juri Cainero lässt am Ende einen jungen Breakdancer als Handpuppe aus dem Kinderwagen springen und auf dem Tamburin tanzen, und er produziert selbst den BeatboxSound dazu. So steigt Hanna am Ende doch in den Koffer, aus dem das Licht flutet. Alles wird eins in den Tänzen und Liedern, die dann folgen: Mexikanischer Tanz und Schweizer Jodler, Glocken und Cajon, sterben und geboren werden.
Das hört sich alles sehr tragisch an, ist es auch phasenweise, doch die Komik der Hauptfigur Hanna mit ihrem Gebrabbel, ihrem ausgestopften Busen und Hintern und ihrer lustigen Gestik führt immer wieder ins Heitere, das Lachen wirkt entlastend und befreiend. Am Ende verschmilzt alles, das Düstere der Rabenfiguren und des gruseligen Todes, Hannas lustiges Wesen und die Fröhlichkeit der Musiker und Tänzer der nachdrängenden Generation. Alles erscheint als Tanz der Generationen, und es erscheint gut so, wie es ist. Auf meisterhafte Weise verbindet Gardi Hutter hier ihren clownesken Humor mit unserem größten Angstthema, dem Tod. Sie schafft durch ihre heitere Betrachtung eine Annäherung und nimmt dem Thema Sterben damit einen Teil seines Schreckens.