Landsberger Tagblatt

Die beste deutsche Snowboarde­rin

Selina Jörg aus Sonthofen hat bereits eine Olympia-Medaille und einen WM-Titel geholt. Nun steuert die 31-Jährige ein neues großes Ziel an

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Mit einer Pferdekuts­che haben die Sonthofene­r im Februar dieses Jahres Selina Jörg ins Stadtzentr­um gefahren. So wie es sich für eine Weltmeiste­rin gebührt. Die Allgäuer verstehen es, ihre Winter-Helden zu feiern. Der Snowboard-Titel im Parallel-Riesenslal­om, den sich die 31-Jährige geholt hat, ist der Lohn für den enormen Aufwand, den sie Jahr für Jahr betreibt. Bei der Feier in ihrer Heimatstad­t Sonthofen wusste sie allerdings noch nicht, ob sie ihre großartige Karriere fortsetzt. Jetzt rauscht Jörg weiter auf dem Brett die Hänge hinunter. Am Samstag um 9 Uhr startet im russischen Bannoye im Süd-Ural der Weltcup.

„Ich freue mich, dass es eine Zwischensa­ison ist, in der der GesamtWelt­cup im Fokus steht und jedes Rennen zählt“, sagt die Sportsolda­tin. Überrasche­nd: Sie spricht hochdeutsc­h, am Dialekt ist nicht herauszuhö­ren, dass die beste deutsche Snowboarde­rin tief aus dem Süden stammt. Selina Jörg gilt als eine der großen Technikeri­nnen im Weltcup. Ein wenig Hokuspokus kann allerdings nicht schaden. Im Olympia-Rennen von Pyeongchan­g 2018 trug sie einen Talisman bei sich, den ihr ihre Cousine Angelika geschenkt hatte. Das goldene Hufeisen brachte ihr Glück und die Silbermeda­ille.

In den WM-Läufen von 2019 in Park City wählte Jörg stets die blaue Piste und landete ganz oben auf der Siegertrep­pe. Nach der Olympia-Medaille und dem WM-Titel hat sich die Allgäuerin in dieser Saison den Gesamt-Weltcup als Ziel ausgesucht. Im März verpasste sie beim Saisonfina­le in Winterberg um eine Hundertste­lsekunde den Sieg. Dadurch fehlten ihr jene Punkte in der Weltcup-Wertung, die den Gewinn der kleinen Kristallku­gel im Parallel-Slalom bedeutet hätten.

Im Jahr zuvor war es ihr ähnlich ergangen. „Das treibt mich jetzt an“, erzählt die Sportsolda­tin. „Vielleicht war es gar nicht schlecht, nicht gewonnen zu haben.“Sonst hätte Jörg vielleicht nicht gewusst, wo sie sportlich noch langwill. „Aber jetzt weiß ich es definitiv: Die Kugel soll es sein!“Seit 2005 ist die Allgäuerin im Weltcup unterwegs und hat inzwischen den Fluch der ewigen Vierten abgelegt. Bei den Olympische­n Spielen

2010 in Vancouver oder fünf Jahre später bei den Weltmeiste­rschaften musste sie jeweils als Vierte zuschauen, wie ihre Konkurrent­innen die Medaillen um den Hals gehängt bekamen. Mit den jüngsten Erfolgen hat sich auch ihre Sponsorens­ituation verbessert, „aber Fußballer würden sich für das Geld kein Schuhbände­l zubinden“, sagt die Snowboarde­rin, die weiß, dass sie in Zukunft für sich wird sorgen müssen. Sie hat ihren Master in Wirtschaft­spsycholog­ie gemacht und „im Sommer in den Wirtschaft­sbereich geschnuppe­rt“. Noch aber steht für Jörg, die in ihrer Freizeit mit ihrem Freund gerne Mountainbi­ke-Touren unternimmt, der Sport im Vordergrun­d. Sollte sie ihr Ziel erreichen und eine Kristallku­gel im Weltcup holen, werden sich gewiss auch die Sonthofene­r wieder etwas einfallen lassen. Milan Sako

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Foto: dpa

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