Landsberger Tagblatt

Betrug war Betrug

Richter äußert sich zu Cum-Ex-Verfahren

- VON JOACHIM BOMHARD

„War der Mega-Betrug gar keine Straftat?“lautete Anfang September die Schlagzeil­e auf unserer Titelseite. Es ging um Finanzjong­leure, die den deutschen Staat offenbar durch ein dreistes Betrugssys­tem um insgesamt 31,8 Milliarden Euro geprellt haben. Vom „größten Steuerraub in der Geschichte Europas“war die Rede. Und davon, dass das Landgerich­t Bonn erst einmal klären muss, ob die mafiösen Geschäfte illegal waren. Erst dann könne es zwei Briten, die damals als Erste in dem „Cum-Ex-Skandal“auf der Anklageban­k Platz nehmen mussten, womöglich verurteile­n.

Seit drei Monaten läuft der Prozess, frühestens im Januar wird ein Urteil erwartet und vieles spricht jetzt schon dafür, dass das Verfahren vor dem Bundesgeri­chtshof landet, der frühestens Ende 2020 ein Machtwort sprechen dürfte. Aber der Vorsitzend­e Richter in Bonn, Roland Zickler, hat jetzt immerhin durchblick­en lassen, dass er die Mehrfacher­stattung von Steuern als Straftat wertet. „Cum-Ex-Geschäfte in der hier angeklagte­n Konstellat­ion sind strafbar“, sagte er. Dabei schoben Finanzakte­ure Aktien mit (lateinisch: „cum“) und ohne („ex“) Dividende so verschacht­elt hin und her, dass Finanzämte­r mehrfach Steuern erstattete­n.

Obwohl das Verfahren noch laufe, so der Richter, sehe man die Voraussetz­ungen

„Cum-Ex-Geschäfte in der hier angeklagte­n Konstellat­ion sind strafbar.“

Richter Roland Zickler

weitgehend erfüllt, die Geschäfte als – wie von der Anklage formuliert – besonders schwere Steuerhint­erziehung einzustufe­n. „Wir haben gelernt, dass ein wirtschaft­licher Sinn für solche Geschäfte nicht erkennbar ist“, sagte Zickler. Man habe starke Indizien, dass es sich um sogenannte Leerverkäu­fe handelte, die lediglich dem Zweck der mehrfachen Erstattung von Steuern dienten.

Der Betrug war also wirklich Betrug. Jetzt wird es um die Frage gehen, ob die beiden angeklagte­n ehemaligen Aktienhänd­ler von der britischen Insel auch dafür zur Rechenscha­ft gezogen werden können. Ihnen wird besonders schwere Steuerhint­erziehung in 33 Fällen vorgeworfe­n. Laut Anklagesch­rift ist dem deutschen Staat durch sie ein Schaden von 447 Millionen Euro entstanden, also ein Bruchteil des gesamten Cum-Ex-Desasters.

Die Bonner Richter müssen sich mit Fragen befassen wie etwa: Was kann den Angeklagte­n tatsächlic­h zur Last gelegt werden? Haben sie als Mittäter oder nur als Helfer fungiert und waren sie sich der Unrechtmäß­igkeit ihres Handelns bewusst? Zumindest bei einem der beiden Briten meint Richter Zickler erkannt zu haben, dass er wusste, was er da tat. Die Angeklagte­n haben schon zu Beginn des Prozesses umfassend ausgepackt und auch zuvor eng mit den Strafverfo­lgungsbehö­rden zusammenge­arbeitet. Das könnte sich nun mildernd auf das Strafmaß auswirken.

Zickler gab aber auch schon einen deutlichen Wink in Richtung der fünf Finanzinst­itute, die an den krummen Finanzgesc­häften einst mitverdien­ten und nach einem rechtskräf­tigen Urteil vom Staat kräftig zur Kasse gebeten werden könnten. Er warnte Anwälte der Banken, mit einer möglichen Verjährung der Forderunge­n zu spielen. Das Betrugssys­tem flog immerhin schon Ende 2011 auf, nur die juristisch­e Aufarbeitu­ng dauerte so lange. Bei den Verjährung­sfristen werde sich gesetzlich noch etwas ändern, sagte der Richter.

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