Betrug war Betrug
Richter äußert sich zu Cum-Ex-Verfahren
„War der Mega-Betrug gar keine Straftat?“lautete Anfang September die Schlagzeile auf unserer Titelseite. Es ging um Finanzjongleure, die den deutschen Staat offenbar durch ein dreistes Betrugssystem um insgesamt 31,8 Milliarden Euro geprellt haben. Vom „größten Steuerraub in der Geschichte Europas“war die Rede. Und davon, dass das Landgericht Bonn erst einmal klären muss, ob die mafiösen Geschäfte illegal waren. Erst dann könne es zwei Briten, die damals als Erste in dem „Cum-Ex-Skandal“auf der Anklagebank Platz nehmen mussten, womöglich verurteilen.
Seit drei Monaten läuft der Prozess, frühestens im Januar wird ein Urteil erwartet und vieles spricht jetzt schon dafür, dass das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof landet, der frühestens Ende 2020 ein Machtwort sprechen dürfte. Aber der Vorsitzende Richter in Bonn, Roland Zickler, hat jetzt immerhin durchblicken lassen, dass er die Mehrfacherstattung von Steuern als Straftat wertet. „Cum-Ex-Geschäfte in der hier angeklagten Konstellation sind strafbar“, sagte er. Dabei schoben Finanzakteure Aktien mit (lateinisch: „cum“) und ohne („ex“) Dividende so verschachtelt hin und her, dass Finanzämter mehrfach Steuern erstatteten.
Obwohl das Verfahren noch laufe, so der Richter, sehe man die Voraussetzungen
„Cum-Ex-Geschäfte in der hier angeklagten Konstellation sind strafbar.“
Richter Roland Zickler
weitgehend erfüllt, die Geschäfte als – wie von der Anklage formuliert – besonders schwere Steuerhinterziehung einzustufen. „Wir haben gelernt, dass ein wirtschaftlicher Sinn für solche Geschäfte nicht erkennbar ist“, sagte Zickler. Man habe starke Indizien, dass es sich um sogenannte Leerverkäufe handelte, die lediglich dem Zweck der mehrfachen Erstattung von Steuern dienten.
Der Betrug war also wirklich Betrug. Jetzt wird es um die Frage gehen, ob die beiden angeklagten ehemaligen Aktienhändler von der britischen Insel auch dafür zur Rechenschaft gezogen werden können. Ihnen wird besonders schwere Steuerhinterziehung in 33 Fällen vorgeworfen. Laut Anklageschrift ist dem deutschen Staat durch sie ein Schaden von 447 Millionen Euro entstanden, also ein Bruchteil des gesamten Cum-Ex-Desasters.
Die Bonner Richter müssen sich mit Fragen befassen wie etwa: Was kann den Angeklagten tatsächlich zur Last gelegt werden? Haben sie als Mittäter oder nur als Helfer fungiert und waren sie sich der Unrechtmäßigkeit ihres Handelns bewusst? Zumindest bei einem der beiden Briten meint Richter Zickler erkannt zu haben, dass er wusste, was er da tat. Die Angeklagten haben schon zu Beginn des Prozesses umfassend ausgepackt und auch zuvor eng mit den Strafverfolgungsbehörden zusammengearbeitet. Das könnte sich nun mildernd auf das Strafmaß auswirken.
Zickler gab aber auch schon einen deutlichen Wink in Richtung der fünf Finanzinstitute, die an den krummen Finanzgeschäften einst mitverdienten und nach einem rechtskräftigen Urteil vom Staat kräftig zur Kasse gebeten werden könnten. Er warnte Anwälte der Banken, mit einer möglichen Verjährung der Forderungen zu spielen. Das Betrugssystem flog immerhin schon Ende 2011 auf, nur die juristische Aufarbeitung dauerte so lange. Bei den Verjährungsfristen werde sich gesetzlich noch etwas ändern, sagte der Richter.